Warum Scheitern zum Wettbewerbsvorteil wird

Im Gespräch mit Magdalena Rogl, Head of Digital Channels bei der Microsoft Deutschland GmbH

Was passiert, wenn bei Microsoft jemand Bockmist baut? Magdalena Rogl, Head of Digital Channels bei der Microsoft Deutschland GmbH, erklärt wie, das Unternehmen mit Fehlern umgeht.
Magdalena Rogl: Head of Digital Channels der Microsoft Deutschland GmbH
Computerworld: Frau Rogl, brauchen Unternehmen hierzulande eine andere Fehlerkultur?
Magdalena Rogl: Das wird ja in den vergangenen Monaten häufig gefordert und viel diskutiert. Ich sehe das kritisch. Es geht nicht um den Fehler an sich, sondern darum, was man daraus lernt. Es geht darum, im Arbeitsalltag mutig zu sein. Dafür müssen Unternehmen eine Vertrauenskultur aufbauen. Mitarbeiter müssen Dinge ausprobieren können, das ist ganz wichtig, um innovativ zu bleiben.
Computerworld: Haben Sie den Eindruck, dass sich die Kultur der Unternehmen in diese Richtung verändert?
Rogl: Ja, das Bewusstsein wächst, auch wenn es gerade in traditionellen deutschen Unternehmen sicher noch viele Hürden gibt. Nur wenn wir den Mut aufbringen, Dinge auszuprobieren, können wir uns weiterentwickeln.
Computerworld: Start-ups feiern ihr Scheitern in Fuckup-Nights und anderen Veranstaltungen. Gehen diese Unternehmen womöglich zu sorglos mit Fehlern um?
Rogl: Diesen Effekt gibt es tatsächlich. Es ist plötzlich cool, zu scheitern. Das halte ich für falsch. Es darf nicht das Ziel sein, absichtlich Fehler zu machen. Deshalb ist es so wichtig, dass jedes Unternehmen für sich definiert, wie es in welchem Bereich mit Fehlern umgeht. In der Medizin etwa sollten bei der Behandlung von Patienten selbstverständlich keine Fehler passieren. In der medizinischen Forschung muss man aber Dinge testen und ausprobieren können, bei denen nicht von vornherein klar ist, ob sie funktionieren. Dafür sind Umgebungen nötig, in denen es in Ordnung ist, wenn nicht alles glatt geht.
Computerworld: Ist die Entwicklung einer guten Fehlerkultur eine Managementaufgabe? Muss sie von oben vorgelebt werden?
Rogl: Natürlich wird die Unternehmenskultur stark durch die Führungsebene bestimmt, aber auch der Umgang der Mitarbeiter untereinander ist wichtig. Wenn beispielsweise jemand von aussen zum Team kommt und neue Ideen mitbringt, dann sollte man ihm auch eine Chance geben und nicht mit dem üblichen «Das haben wir aber immer schon so gemacht» reagieren. Das Management muss eine solche offene Kultur fördern und dahinter stehen.
Computerworld: Wie wird die Fehlerkultur bei Microsoft gelebt?
Rogl: Wir haben eine sehr offene Unternehmens- und Kommunikationskultur. Jeder Mitarbeiter kann an unserem Social Intranet teilnehmen, man kann jederzeit alles fragen und gibt sich keine Blösse damit. Wir trauen uns Dinge auszuprobieren,
Computerworld: Wie sieht das konkret aus?
Rogl: Wir hatten zum Beispiel im Februar einen grossen deutschlandweiten Mitarbeitertag, auf dem die Kollegen ihr Wissen geteilt und auch offen über Erfahrungen und Fehler gesprochen haben, ein gegenseitiges Coaching sozusagen. Es gibt aber auch viele kleine Massnahmen. Bei uns im Kommunikationsteam setzen wir uns beispielsweise jeden Freitagmorgen zusammen, besprechen die Ereignisse der vergangenen Woche und lassen uns gegenseitig an unseren Erfahrungen teilhaben. Da sind auch Dinge dabei, die nicht so gut gelaufen sind, auch wenn das explizit kein «Fehlermeeting» ist. So etwas funktioniert aber nur, wenn man Vertrauen zueinander hat. Nur dann erzählen die Kollegen auch, was schief gegangen ist, und nicht nur was sie alles Tolles gemacht haben – und das ganze Team kann von den Erfahrungen profitieren.
Computerworld: Was passiert bei Microsoft, wenn jemand richtig grossen Bockmist gebaut hat?
Rogl: Das kann man schwer pauschal beantworten, es kommt immer auf die konkrete Situation an. Wenn es sich um ein absichtlich geschäftsschädigendes Verhalten handelt, sind die Konsequenzen sicher andere, als wenn es um einen schweren, aber unbeabsichtigten Fehler geht. Meist ist der erste Schritt ein Vieraugengespräch zwischen Mitarbeiter und Manager. Solche Dinge bespricht man nicht vor versammelter Mannschaft, das halte ich für sehr wichtig. In diesem Gespräch wird ausgelotet, wie es zu dem Fehler kommen konnte und wie man solche Vorfälle in Zukunft verhindern kann. Braucht die Person vielleicht ein Coaching oder muss es im Teamgefüge Veränderungen geben? Manchmal muss man Aufgaben auch anders verteilen, weil eine einzelne Person damit überfordert ist.
Computerworld: Wie gross ist die Hemmschwelle bei Microsoft, einen Fehler zuzugeben?
Rogl: Ich hatte noch nie das Gefühl, dass ich mich schlecht fühlen muss, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Wenn man neue Dinge ausprobiert, kann eben auch mal etwas schief gehen. Wir achten sehr stark darauf, was man aus diesen Erfahrungen lernen kann und wie andere an den gewonnenen Erkenntnissen teilhaben können.
Computerworld: Hat eine solche Fehlerkultur handfeste Wettbewerbsvorteile oder ist es einfach nur netter, so miteinander umzugehen?
Rogl: Das ist definitiv in ganz vielen Aspekten ein Wettbewerbsvorteil. Nur wenn man neue Wege geht, kann man als Innovationstreiber wahrgenommen werden. Wenn man das tut, was alle machen, dann minimiert man zwar das Fehlerrisiko, aber dann ist auch die Chance extrem gering, etwas Neues zu entdecken. Wenn man ausserdem Fehler und Erfahrungen mit Kollegen teilt, dann entwickelt man sich schneller weiter, weil nicht jeder denselben Fehler machen muss.
Computerworld: Wo liegen die grössten Hindernisse auf dem Weg zu einer solchen offenen Fehlerkultur?
Rogl: Starre Hierarchien sind ein grosses Hindernis, und damit verbunden ein mangelndes Vertrauen. Wenn man möglichst flache Hierarchien hat und jeder das Gefühl hat, etwas bewegen zu können, auch wenn er vielleicht «nur» der Praktikant ist, und wenn neue Mitarbeiter mit frischem Blick geschätzt und angehört werden, dann können Innovationen viel schneller wachsen.



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