Messe topsoft 29.08.2018, 12:25 Uhr

Futter für die «digitalen Dinosaurier»

Eine grosse Mehrheit der Schweizer KMU bezeichnen sich selbst als «digitale Dinosaurier». An der Messe «topsoft» in Zürich wurde diverses Futter für die Digitalisierung gezeigt.
An der «topsoft» in der Messe Zürich zeigten gut 80 Anbieter ihre Business Software für KMU
(Quelle: computerworld.ch)
Die kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Schweiz haben die Digitalisierung offenbar noch nicht schafft. Das sagten sie jüngst selbst: In einer Umfrage des Institute for Digital Business der Hochschule für Wirtschaft Zürich HWZ stuften sich 87 Prozent der Betriebe als «digitale Dinosaurier» ein. Weder die geschäftsinternen Prozesse noch das Kundenerlebnis seien durchgängig digital, hiess es in der Studie.
An der Messe «topsoft» in Zürich zeigten am Dienstag und Mittwoch über 80 Aussteller aus der ganzen Schweiz Lösungen für die Digitalisierung. Die Zielgruppe des Anlasses ist in erster Linie die KMU. Ob und wenn ja wie sich die Betriebe mit der Digitalisierung befassen sollten, diskutierten Experten an einem Podium an der Messe.
Pascal Specht-Keller von Google hob hervor, dass auch KMU dank des Cloud Computings neu Technologie nutzen (und kaufen), die bis anhin nur für Grossunternehmen zu finanzieren war. Als Beispiel nannte er die Collaboration-Lösung «G Suite», mit der ort- und zeitunabhängiges Arbeiten in Teams möglich ist. Früher mussten dafür Server aufgesetzt, Anwendungen installiert und User geschult werden. Heute genüge die Einrichtung eines Benutzerkontos bei Google, sagte Specht-Keller. Die Anwendungen würden die User oftmals schon aus dem Privatleben kennen.

Job-Killer Digitalisierung

Benjamin Talin vom Beratungsunternehmen MoreThanDigital hielt dagegen, dass die Digitalisierung von Betrieben nicht mit der Bereitstellung der G Suite oder Microsoft Office 365 erledigt sei. «KMU sollten nicht mit einem Pseudo-Projekt starten, sondern mit einer Lösung, die einen tatsächlichen Geschäftsnutzen bringt», sagte Talin. Welche Anwendung das sein könnte, liesse sich einfach herausfinden: Die eigenen Mitarbeiter kennen diejenigen Prozesse, die durch digitale Technologie unterstützt werden können. Und auch der Verkauf könne Hinweise liefern, denn er wisse um die Wünsche der Kunden, sagte der Berater.
Bei allen Initiativen müssten die KMU-Verantwortlichen allerdings immer berücksichtigen, dass in der Belegschaft oftmals ein Widerstand gegen Digitalisierung vorhanden ist. «Die Leute haben Angst um ihre Jobs», sagte Talin. Es sei die Aufgabe des Managements, den Angestellten die Notwendigkeit sowie den geschäftlichen Nutzen der Technologie zu verdeutlichen.

Transparente und intelligente Software

Michael Budimir hat jüngst ein Digitalisierungsprojekt abgeschlossen. Beim Maschinenbauer MAN Diesel & Turbo Schweiz hat der Head of Planning eine Software für das Supply Chain Management eingeführt. «Anfänglich haben sich die Mitarbeiter gegen die neue Lösung gewehrt», sagte Budimir. Durch die offene Kommunikation konnte er aber den Widerstand brechen. Mithilfe der Software könnten die Angestellten neu transparent darstellen, aus welchem Grund es eine Verzögerung in der Produktion gibt. In den zugehörigen «Verschiebeanträgen» liesse sich die Ursache für eine Störung dokumentieren, wenn beispielsweise wegen Lieferverzögerungen ein Bauteil fehle oder ein Werkzeug defekt sei, sagte der Manager. Die Transparenz durch die Software führe zu mehr Gerechtigkeit in der Belegschaft. Dieses Argument habe die Akzeptanz der neuen Software gesteigert, sagte Budimir.
Benjamin Talin, Marcel Siegenthaler, Pascal Specht-Keller mit Moderatorin Katrin-Cécile Ziegler und Michael Budimir an der «topsoft» (von links)
Quelle: computerworld.ch
Für Marcel Siegenthaler war das Projekt von MAN Diesel & Turbo Schweiz ein Beleg dafür, dass die Schweizer KMU durchaus fortgeschritten sind bei der Digitalisierung. «Es gibt in der Schweiz nur wenige KMU, die nicht digital arbeiten», sagte der Senior Consultant des «topsoft»-Veranstalters schmid + siegenthaler consulting. Er warnte aber auch davor, bis anhin manuelle Prozesse mit Computertechnik 1:1 elektronisch abzubilden. Digitalisierung bedeute auch, bestehende Geschäftsprozesse kritisch zu hinterfragen. Dann könnten sie auch durch komplett neue und digitale Lösungen ersetzt werden, sagte Siegenthaler.

Virtuell und intelligent

Laut Siegenthalers Kollegen Christian Bühlmann böten die Aussteller an der «topsoft» multiple Ansätze für die digitale Transformation des Geschäfts von Schweizer KMU. Als Beispiel nannte Bühlmann den digitalisierten Saugbagger auf dem Messestand von WebGate. In das Fahrzeug ist Technologie von BX Telematic eingebaut, die sowohl die interne Maschinensteuerung als auch das Chassis kontrolliert. So lässt sich der Bagger mit einer Smartphone-App überwachen und steuern. Über eine VR-Brille können ausserdem die Betriebsdaten direkt am Gerät visualisiert werden.
Die künstliche Intelligenz soll auch KMU den Einsatz von digitaler Technologie erleichtern. Wie Bühlmann im Gespräch mit Computerworld sagte, hätten diverse Aussteller neu smarte Assistenten in ihre Business Software integriert, die es den Anwendern einfacher machen würden, die Programme zu nutzen. Anwendungsmöglichkeiten der «Einstein»-Technologie zeigte an der Messe zum Beispiel der Salesforce-Partner Nexell.



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