Zukunft CRM 30.05.2005, 10:49 Uhr

Es gibt noch viel zu tun

Endlich nimmt die Anzahl erfolgreicher CRM-Projekte deutlich zu. Doch noch immer wird CRM falsch verstanden. CRM ist keine Software, auch wenn es ohne Software meist nicht geht. von Michael Brendl*
Zwar hat sich angesichts des Wandels in den Märkten die Erkenntnis der Notwendigkeit zu mehr Kundenorientierung breit gemacht, zum allgemeinen Durchbruch der Philosophie des Kundenbeziehungsmanagements in Marketing, Vertrieb und Service hat es noch nicht gereicht. Seit vor acht Jahren Pioniere wie Siebel die Idee des Customer Relationship Management (CRM) aufgegriffen und mit Technologie erfüllt haben, sind zwar viele Softwarelizenzen verkauft worden. Der zum Erfolg notwendige Wandel in den Köpfen hat aber erst ansatzweise stattgefunden. Immerhin gab es im Business to Consumer-Markt (B2C) ab 2000 einen regelrechten Boom mit respektablen Ergebnissen. Aber der B2B-Mittelstand (Business to Business) nähert sich dem Thema Kundenbeziehungsmanagement mehr von der Softwareseite und löst damit zunächst seine internen Kommunikations- und Informationsdefizite. Wer gemeint hat, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten müssten Kunden-orientierung und Kundenbindung Hochkonjunktur haben, irrt. Jedenfalls ist der CRM-Boom seit 2002 vorbei. Was seither zählt, ist harte Arbeit. Dass CRM weder tot noch out ist, beweist die ungebrochene Investitionsbereitschaft der Anbieter in innovative Techniken ebenso wie die in letzter Zeit zunehmenden Erfolgsstories derjenigen Anwender, die es geschafft haben.
Realistische Erwartung
Wurde in den Boomjahren alles verlangt und alles versprochen, so führte das naturgemäss zu kaum erreichbaren Zielen. Gemessen an diesen, mussten die Projekte geradezu scheitern. Heute arbeiten Anbieter- und Anwenderseite wesentlich pragmatischer und prompt führen die Projekte auch mehrheitlich zum Erfolg. Sie sind weniger spektakulär, doch wirkungsvoll. Zudem sind auch deutliche Anzeichen einer generellen Belebung der CRM-Konjunktur sichtbar. Diese kommen sowohl aus dem IT-Lager als auch aus den (export-orientierten) Anwenderbranchen, wie dem Maschinenbau. Beide Lager konnten mehrere aufei-
nanderfolgende Quartale gute Resultate aufzeigen, dies schafft Vertrauen.
Nachdem die Top-Unternehmen des B2C-Markts angesichts Millionen von Kundendaten die Notwendigkeit der Kundendatenbanken früh erkannt haben, sind auch viele Konzerne aus dem B2B-Bereich vor Jahren dazu übergegangen, CRM-Systeme zur effizienteren Kundenbetreuung einzusetzen. Dabei tat sich der B2B-Bereich deutlich schwerer. Das lag an der heiss diskutierten Frage nach dem ROI, der Investitionen in CRM-Systeme und deren Implementierung. Denn hier ging es nicht um Millionen von Kunden, sondern um überschaubare Grössenordnungen, für die das finanzielle Engagement sich oft schwer rechnen liess. Es fehlte nämlich an messbaren Zielen. Die vorrangigen Erfolge wurden überwiegend in der innerbetrieblichen Effizienzsteigerung gesucht und auch erreicht, aber eine potenzial- und kundenwertorientierte Marktbearbeitung blieb vielfach auf der Strecke. Mehr noch: Streng genommen haben die Betriebe in der ersten Stufe ihrer CRM-Implementierung oft nur die Voraussetzungen für CRM geschaffen, nicht aber wirklich CRM eingeführt. Dies taten sie, in dem die Vielfalt an Kundendaten vereinheitlicht und aktualisiert sowie die Zettelwirtschaft beseitigt wurde. Das ergab auch eine von Schwetz Consulting, Karlsruhe, durchgeführte Befragung des Mittelstands. Hier liegt noch ein riesiges Potenzial ungenutzt. Trotz vereinzelt hoher Abdeckung, etwa in den Bereichen Energie und Pharma, ist der Gesamtmarkt nach Analystenmeinungen erst zu 15 bis 20 Prozent erschlossen.
Kein Softwarethema
Anwenderunternehmen, die sich erstmals mit CRM beschäftigen, betrachten CRM noch immer viel zu stark als ein reines Technologie- und Softwarethema. Oft fehlt es an der Top-Management-Unterstützung. Als Folge davon leiden viele CRM-Projekte an fehlender Akzeptanz durch die Anwender. Der Einstieg in ein CRM-Projekt erfolgt oft direkt bei der Softwareauswahl, auch wenn weder künftige Ziele noch Anforderungen definiert wurden. Als Folge davon bleibt es in der ersten Stufe oft nur bei der Übernahme bisheriger Prozesse, ohne die in CRM steckenden strategischen Elemente wie Customer Lifetime Value auszuschöpfen. Die Kunden spielen in den CRM-Strategien noch kaum eine entscheidende Rolle. Dies wird voraussichtlich späteren Ausbaustufen vorbehalten bleiben, wenn die administrativen und operativen Grundfunktionen zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Dass auch das Change Management und die Anpassung der Geschäftsprozesse bei einer überwiegend technischen Herangehensweise zu kurz kommen, überrascht kaum.
Die Komplexität eines CRM-Projektes muss deshalb in kleinere Schritte unterteilt werden ohne einen längerfristigen Planungshorizont zu vernachlässigen. Dadurch bleiben die einzelnen Projektabschnitte überschaubar, die Kosten kalkulierbar und die Teilerfolge messbar. Zur Unterstützung sind praxisbewährte Hilfsmittel und Konzepte auf dem Markt erhältlich. So veranschaulicht die von ITC entwickelte CRM-Methodik «Das CRM-Haus» auf einfache Weise den Umfang eines (operativen) CRM-Projektes und wie dieser Umfang schrittweise erarbeitet werden könnte.
Eine weitere Beobachtung bisheriger Vorgehensweisen hat ergeben, dass gerade der B2B-Mittelstand CRM-Systeme vorrangig im Vertrieb und für die Vertriebsunterstützung einsetzt. In den Köpfen der Vertriebsleiter steckt noch immer sehr viel von der Aussendienststeuerung vergangener Jahre. Zwar wird zum Teil auch der Marketingbereich integriert, aber gänzlich aussen vor bleiben gemäss kürzlichen Marktuntersuchungen der Service und Kundendienst.
Und wie weiter?
Der generelle Nutzen von CRM-Lösungen ist unbestritten. Doch die Materie ist komplex und verlangt eine sorgfältige Vorbereitung. Diese kann mit Seminaren, Literatur oder den Beizug von qualifizierten Beratern erfolgen. Es ist unerlässlich, dass zukünftige Anwender eine grundlegende CRM-Strategie erarbeiten und konkrete Ziele festlegen; auch und vor allem für ihre Kunden. Als kundenorientiertes Unternehmen, in dem Mitarbeiter und Werkzeuge diese Doktrin fühl- und erlebbar unterstützen, werden Betriebe mit stärkerer Kundentreue, höheren Preisen und damit besseren Margen belohnt. Zu beachten ist auch, dass vor der konkreten Umsetzung eines CRM-Projektes in vielen Fällen zuerst die benötigten Voraussetzungen geschaffen werden müssen, wie etwa das Bilden einer einheitlichen Adressdatenbank. Diese sind zeitraubend und es spricht nichts dagegen, bereits heute damit zu beginnen. Egal wie die CRM-Strategie eines Unternehmens aussehen mag und welche Lösungen eingesetzt werden: Diese Voraussetzungen gelten immer. Firmen schränken sich durch frühzeitigen Beginn also keinesfalls ein, sondern gewinnen einen Zeitvorsprung.



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