«Offene Standards bieten nötige Unabhängigkeit»

«Offene Standards bieten nötige Unabhängigkeit»

Im Wesentlichen besteht die Entwicklung eines Standards ja aus drei Etappen: Zuerst muss eine Technologie erfunden werden. Im Falle von HTTP waren viele Leute involviert, nicht nur Berners-Lee und ich. Im zweiten Schritt gilt es, die Spezifikationen niederzuschreiben. Und im dritten Teil müssen die entscheidenden Stellen dafür gewonnen werden - das ist wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe. In diesem Bereich bringe ich heute bei Day meine Erfahrungen ein.

Sie arbeiten bei Day nun an Java-Standards. Welche Aktivitäten sind da im Gange?

Es geht um die Java-Programmierschnittstellen für ein Content Repository oder kurz JCR. Als ich bei Day angefangen habe, half ich, den JSR 170 aufzubauen, also das Komitee, das sich um die Ausarbeitung dieses Standards kümmert.
Diese Arbeit wurde im Sommer 2005 mit der Anerkennung als Standard abgeschlossen. Die Referenz-Implementierung haben wir unter der Bezeichnung «Jackrabbit» der Apache Foundation übergeben. Diese Umsetzung wird nun als Open-Source-Projekt von der Community weiterentwickelt, zu der wir ebenfalls gehören. Mittlerweile arbeitet David Nüscheler unter dem JSR 283 an der nächsten Version des JCR, mit einem wesentlich grösseren Expertenkomitee als bei der ersten Ausgabe.

Weshalb sind denn solche offenen Standards überhaupt von Bedeutung?

Standards bieten den Anwendern eine gewisse Sicherheit. Im Falle des JCR geht es um die Schnittstelle zwischen der Applikation, also dem Content Management System (CMS), und dem eigentlichen Datenspeicher. Die Bedeutung dieser Daten, beispielsweise E-Mails, Adressbücher, Firmendokumente oder Logdateien, ist wie wir alle wissen enorm. Ein Anwender oder eine Firma möchte unabhängig von einer Software-Firma bleiben und selber entscheiden, wie er die Daten speichert und wieder auf sie zugreift. Zudem möchte der Anwender vielleicht die Informationen mit unterschiedlichen Applikationen nutzen. Umgekehrt, wenn das Content Repository selbst den Anforderungen nicht genügt, möchte man dieses austauschen und die verschiedenen Anbieter aufgrund der gebotenen Funktionalität vergleichen können. Das funktioniert bei einem proprietären System oder Anbieter nicht.

Aber es gibt ja auch proprietäre Standards...

Eine Firma kann natürlich ihre proprietäre Technologie zu einem Standard erklären, wie das beispielsweise beim PDF-Format von Adobe ursprünglich der Fall war. Aber diese Technologie wird nie zu einem wirklichen Standard, weil der Eigentümer als Besitzer bei der Umsetzung gegenüber anderen immer im Vorteil ist. Zudem kann der Urheber die Technologie jederzeit ändern.
Im Vergleich dazu werden offene Standards wie JCR vom Java Community Process verwaltet, dem unterschiedliche Firmen angehören. Dabei handelt es sich um ein echtes Open-Source-Produkt, dem verschiedene Gruppierungen wie etwa die Apache Foundation zugestimmt haben. Der Prozess ist abgeschlossen, wenn die Spezifikationen veröffentlicht sind. Jeder hat nun das Recht, auf dieser Basis eine eigene Implementation zu entwickeln.



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