Der Algorithmus, mein Chauffeur

Entscheidungsdilemmas

Trotz hohem Tempo in Singapur und ersten Services in Las Vegas sieht Emilio Frazzoli nach wie vor grosse Herausforderungen – besonders für die Bewältigung von chaotischen Umgebungen. «Wir wissen bis heute noch nicht genau, wie sich selbstfahrende Autos im Verkehr verhalten sollen.» Das liege an Dutzenden von Entscheidungsdilemmas, welche der Alltagsverkehr mit sich bringt. Zum Beispiel: Darf ein selbstfahrendes Auto eine doppelte Linie überqueren, wenn es dadurch einen potenziellen Unfall verhindern kann? Was, wenn ein Verkehrsteilnehmer ohne Verschulden verletzt wird, damit ein verschuldeter Fahrer nicht tödlich verunglückt?

Solche Entscheide müssen in der Programmierung von Steuerungsalgorithmen angelegt sein. Frazzoli forscht deshalb unter anderem an sogenannten «Rulebooks», die dazu dienen, unterschiedliche Entscheidungskriterien in den Steueralgorithmen zu priorisieren. Zuoberst in der Hierarchie stehen Regeln, welche die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden garantieren, zuunterst die Regeln für mehr Fahr
komfort.

In einem aktuellen Artikel schätzten Frazzoli und sein Team, dass 200 Regeln in zwölf Hierarchiegruppen nötig sind, damit Fahrzeuge auf alle möglichen Situationen vorbereitet sind – inklusive Regeln mit niedriger Priorität, wie zum Beispiel, dass strassennahe Tiere nicht erschreckt werden. Für Frazzoli wäre die Zeit reif für eine breite öffentliche Debatte zum autonomen Verkehr: «Wir sollten die in den Codes implementierten Regeln zu Sicherheit und Haftung nicht einfach den Ingenieuren von privaten Unternehmen überlassen.» Schliesslich sei es im Interesse von uns allen, dass sich unsere neuen, virtuellen Lenker möglichst gut in den Stadtverkehr einfügen. So wie herkömmliche Neulenker; nur eben berechenbarer, sicherer und effizienter. 
Dieser Beitrag ist zunächst bei ETH-News erschienen.

Autor(in) Samuel Schlaefli, ETH-News



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