Open Source ist Innovationsmotor der Digitalisierung

Bei Linux auf dem Desktop kommt es auf den Migrationsprozess an

Computerworld: In der Cloud läuft ohne freie Software beziehungsweise Linux nichts mehr. Auf dem Desktop werden trotzdem mehrheitlich Windows oder macOS eingesetzt - wann kommt das Jahr für den Linux-Desktop?

Jores: Im Moment sehe ich hier die Nachfrage nicht, um ehrlich zu sein. Es gibt jetzt durch die Initiative des BMI zwar einen kleinen Nachfrageschub, um Abhängigkeiten zu Microsoft abzumildern. Die Technologien sind ja da, aber der Einsatz dieser Technologien braucht einen Trigger, und man muss beachten, dass der Umstieg nicht einfach wird. Der Linux Desktop an und für sich ist genauso leicht bedienbar und funktionell wie andere Systeme - ob das nun macOS oder Windows ist. Aber der Weg von einem System zum anderen, wobei über eine lange Zeit gemischte Umgebungen gefahren werden müssen, das ist für die Anwender eine schmerzhafte Angelegenheit, weshalb man sich gut überlegen sollte, ob man das macht und wie man das macht.

Computerworld: Wäre das Support-Ende von Windows 7 ein solcher Trigger?


Jores: Ja, unter anderem schon. Es gibt mehrere Trigger. Und es gibt natürlich auch Erfahrungen mit Migrationsprojekten. Wie etwa der Fokus auf möglichst autarke Umgebungen, die dann zunächst umgesetzt werden, und so weiter. Man hat da heute hinreichend Erfahrung, um den Umstieg besser zu machen. Der Teufel steckt also im Migrationsprozess, den muss man ordentlich begleiten, dann kann man das auch technisch ohne Weiteres lösen.

Automatisierung und Innovation werden anhalten


Computerworld: Wagen wir einen Ausblick auf die nächsten 5 Jahre, was kommt im Bereich Open Source auf uns zu?

Jores: Im Moment haben wir einen Schub durch die digitale Transformation und das zieht ein paar Dinge nach sich. Im Bereich Applikation wird das Thema DevOps und Container eine wesentliche Rolle spielen, und in diese Richtung wird es auch weitergehen. Da wird auch die Innovation weitergehen, wie etwa bei der Automatisierung mit Cloud Foundry und dergleichen - der Anwender erstellt nur noch seine Applikation und pusht sie dann vollautomatisiert direkt auf die Produktionsumgebung. Man kann sich also auf die Anwendung an und für sich konzentrieren, das wird immer weiter fortschreiten, dieser hohe Grad an Automation. Der Programmierer konzentriert sich aufs Programmieren und nicht mehr auf die Bereitstellung. Der Sysadmin kümmert sich nur noch um die Ressourcenbereitstellung, nicht aber um den Maschinenraum. Er verteilt Speicher und Storage an die Abteilungen, die diese Ressourcen benötigen.

Computerworld: Der Fokus liegt also auf der Anwendung selbst, unabhängig davon, wo sie dann betrieben wird?


Jores: Ja, also die Idee dahinter beruht darauf, IT sehr viel zugänglicher und nutzbarer zu machen. Es gibt diesen schönen Vergleich: Bevor der Strom aus der Steckdose kam, hat das Sägewerk seinen Strom selbst produziert. Und so sieht es in der IT heute noch teilweise aus. Viele Unternehmen haben im Keller einen Maschinenraum, der sich Rechenzentrum nennt, und dieser wird künftig unnötig sein. Man bezieht IT, wie man sie braucht. Wenn man einen guten Grund hat, seine eigene IT zu betreiben, dann macht man das. Aber im Prinzip kann man IT aus der Steckdose beziehen. Das ist der Trend, über die Cloud und über einen hohen Grad an Automation. Und das zieht sich dann weiter bis hin zu den IoT-Systemen, zu den Verfahren – mit denen man die Massen an Daten vernünftig konsolidiert. Sodass wirklich nur noch die relevanten Informationen in die Kernsysteme einfliessen. Das hat wiederum sehr viel mit Machine Learning, KI und all diesen Themen zu tun und auch da wird es massive Entwicklungen geben. Ich muss künftig nicht mehr wissen, wie KI funktioniert, ich kann sie einfach nutzen.



Das könnte Sie auch interessieren