22.06.2010, 06:00 Uhr

Office 2010 für Desktop und Cloud

Der Desktop wandert in die Cloud. Office ist ideal dafür, es braucht kaum Ressourcen und lässt sich gut online nutzen. Der grosse CW-Test zeigt: Office 2010 liefert auch gute Gründe für den Desktop.
Der "Social Connector" in Outlook zeigt die Aktivitäten von Kontakten an
Googles Online-Office war seiner Zeit voraus. Vor fünf Jahren dachte noch kein Unternehmen ernsthaft darüber nach, Standardanwendungen wie Büroapplikationen ins Web auszulagern. Obwohl schon damals die Rahmenbedingungen stimmten: Bandbreite war vorhanden, die Applikationen verfügten über alle notwendigen Funktionen und konnten sogar ein Alleinstellungsmerkmal vorweisen: die Echtzeitzusammenarbeit an Dokumenten. Trotzdem kauften Firmen weiter scheinbar unbeirrt Desktop-Software und liessen die Kassen des Marktführers Microsoft milliardenfach klingeln.
Heute scheinen die Vorzeichen anders - im Schatten der Wirtschaftskrise wird die Cloud immer mehr zur Alternative. Ebenfalls scheinbar unbeirrt lanciert Microsoft ein neues Office-Paket, auf den ersten Blick nur für den Desktop. Aber mit dem Produktivitätsbundle liefert der Marktleader auch gute Argumente, warum ein modernes Office heute noch auf den PC gehört. Wie überzeugend die Gründe sind, zeigt der Test der Computerworld.

Produktiv auf dem Desktop

Die Standardanwendungen in Büros hat Microsoft nochmals überarbeitet und auf Businessnutzen getrimmt. Dazu zählt, dass nun alle Programme die Multifunktionsleiste besitzen. Anwender, die von Office 2007 wechseln, benötigen keine aufwendige Schulung. Dagegen müssen alle User früherer Versionen umlernen. Beim Design der «Ribbon»-Oberfläche ging Microsoft systematisch vor: Häufig benutzte Funktionen sind auf den Reitern links angeordnet, weniger gebrauchte Optionen weiter rechts. Im Vergleich mit Version 2007 gibt es noch mehr Echtzeitvorschau - sinnvoller Weise endlich auch für die am meisten benutzte Funktion «Einfügen». Statt einer Liste mit beschreibendem Text des Inhalts sieht der Benutzer jetzt via Maus-Over, wie die Zwischenablage in seinem Dokument aussehen würde.
Das gilt auch für die Backstage-Ansicht, die das unaufgeräumte Menü hinter dem «Office»-Knopf respektive das «Datei»-Menü der Vorversionen ersetzt. Anwender managen hier ihre Daten, also öffnen, speichern, drucken und veröffentlichen der Inhalte.
Erspart bleibt dem Office-Nutzer auch die Installation separater Software, zum Beispiel für die Bild-bearbeitung, den Videoschnitt und den PDF-Export. Alle drei Funktionen installiert Microsoft bei Office 2010 nun mit. Das sind keine Profi-Tools, aber für den Geschäftsgebrauch genügen die Funktionen allemal. Einfache Objekte lassen sich problemlos freistellen, Filme mit Überblendungen sowie Abspann ergänzen und PDFs für die Ansicht im Browser optimieren. Die Dokumente aus Microsofts PDF-Export sind nun mit Adobe Acrobat vergleichbar. Word, Excel, PowerPoint und OneNote generieren PDF-Version 1.5. Der Export von revisionssicheren PDF/A bleibt Wettbewerbern wie OpenOffice.org vorbehalten, genau wie der PDF-Import.
Ein häufig gehörtes Argument für das Festhalten an Microsoft Office ist die Kompatibilität. Nachdem die letzte Version das Öffnen und Bearbeiten von Dateien zum Beispiel aus Word 6.0 oder Excel 4.0 schlicht verweigerte, gewährt Office 2010 zumindest eine Ansicht auf die Daten. Hier können per Copy&Paste Inhalte entnommen und in ein neues File eingefügt werden. Dieser Plan ging im Test mit einer Präsentation aus PowerPoint 97 nicht auf. Die Software brach den Importvorgang mit einer nichtsagenden Fehlermeldung ab. Hier wären optional angebotene Filter angebracht, sonst droht das Kompatibilitätsargument an Überzeugungskraft zu verlieren.

Outlook schlägt Brücke ins Web

Durch das Update auf ganzer Linie gewonnen hat Outlook. Mit sinnvollen Funktionen hilft Microsoft dem Benutzer, die E-Mail-Flut einzudämmen. Etwa fasst die «Unterhaltungsansicht» Nachrichten zum selben Thema in einer Baumstruktur zusammen. So ist mit wenigen Mausklicks der Posteingang aufgeräumt. Die Funktion muss für vorhandene Postfächer - etwa auf einem Exchange oder einem Webserver - jedoch erst auf dem Reiter «Ansicht» durch ein Häkchen vor «Als Unterhaltungen anzeigen» aktiviert werden.
Administratoren ändern dafür beim Rollout einen Regist-ry-Schlüssel. Nur vom Benutzer zu steuern ist die «Ignorieren»-Option. Damit klinkt sich der User zum Beispiel aus Rundmails aus, die ihn nicht betreffen. Diese und alle anderen Optionen funktionieren neu auch in mehreren Exchange-Postfächern, die in Outlook eingebunden werden können.
Ebenfalls optional, aber in der kommenden Ausbaustufe nützlich, ist der «Social Connector». Über diese Schnittstelle holt sich Outlook in Zukunft selbstständig Inhalte aus Netzwerken wie Facebook, LinkedIn oder Xing. In einem Fenster neben dem Posteingang sieht der Benutzer dann Aktivitäten seiner E-Mail-Kontakte auf den Plattformen, zum Beispiel Statusmeldungen, neu geknüpfte Geschäftsbeziehungen oder bevor-stehende Termine. Das macht den Besuch der verschiedenen Portale überflüssig, was allerdings den Betreibern ein Dorn im Auge sein dürfte. Das kann ein Grund sein, warum bisher nur LinkedIn und MySpace ein Plug-In für Outlook in petto haben. Facebook und Xing versprechen jedoch, die Schnittstelle ebenfalls zu unterstützen.

Microsoft Office gratis Online

Auf alle bisher genannten Funktionen müssen Benutzer der «Web Apps» von Word, Excel, PowerPoint und dem Notizenprogramm OneNote verzichten. Allerdings eignen sich die Tools sehr wohl, um Texte im Browser zu schreiben, auch komplizierte Berechnungen zu starten oder den Rechtschreibfehler auf einer Präsentationsfolie zu korrigieren. Die «Web Apps» sind kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zum Desktop-Office, so die Microsoft-Argumentation. Diesem Gedanken folgt auch die Kollaborationsfunktion, die mit den «Web Apps» realisiert ist: An einem online bereitgestellten Dokument arbeiten zum Beispiel über die Schweiz verteilte Anwender gleichzeitig. Die Änderungen ihrer Kollegen verfolgen sie in Echtzeit und können so live Verbesserungsvorschläge machen. Eine Versionsverwaltung verhindert, dass unerwünschte Korrekturen ins endgültige Dokument einfliessen.
Um die «Web Apps» in ihrer vollen Ausbaustufe nutzen zu können, sind jedoch hohe Hürden zu nehmen. Die kostenlose Version - die Microsoft auf Wunsch jedem Inhaber eines Windows-Live-Kontos aufschaltet - taugt nur fürs Bearbeiten im Browserfenster. Für die Echtzeitzusammenarbeit müssen SharePoint und ein Communications Server vorhanden sein, damit die Versionsverwaltung funktioniert und die Kollaboration im Office Communicator koordiniert werden kann. Beides beherrscht Google und das auch noch gratis.

Lästige Aktivierung vereinfacht

In den Augen vieler Administratoren hat Microsoft seine Hausaufgaben bei der obligatorischen Aktivierung des Desktop-Office bereits gemacht. Denn in Zukunft können Büroprogramm und Betriebssystem praktischwerweise auf dieselbe Art und Weise aktiviert werden. Wie bei Vista und Windows 7 haben Kunden mit Volumenlizenzen die Wahl zwischen «Multiple Activation Keys» (MAK) und dem «Key Management Service» (KMS). MAK aktiviert der Administrator einmalig bei Microsoft und verteilt dann Office-Images auf die Clients. KMS kommt fast ohne Kontakt nach Redmond aus. Der Dienst muss einmal von einem Microsoft-Server aktiviert werden; der lokale KMS-Rechner schaltet dann die Clients frei. Positiver Nebeneffekt: KMS ist auch ein Diebstahlschutz, da die Aktivierung permanent geprüft wird. Wird ein PC geklaut, verliert er den Kontakt zum KMS. Dann beginnt die Gnadenfrist von 180 Tagen, bevor er erneut aktiviert werden muss.
Office Professional 2010

Hersteller: Microsoft

Preis: 750 Franken

+ Tools für Foto, Video, PDF, Onlinekollaboration
- Web Apps eingeschränkt, nicht alle Plug-Ins fertig

Fazit: Office 2010 beweist mit guten Ergänzungen, dass Büro-Software noch einen Platz auf dem Desktop hat.

www.microsoft.ch/office



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