«Wir sind selbst eine Firma von Programmierern»

Swisstopo als Paradebeispiel

CW: Welche Fähigkeiten und Kenntnisse brauchen Programmierer in einer cloudbasierten IT-Welt?
Gore: Hier hat sich tatsächlich einiges geändert. Bis vor Kurzem schauten Unternehmen bei der Rekrutierung von Entwicklern hauptsächlich auf deren computerwissenschaftliche Kenntnisse. «Können Sie programmieren?», «Verstehen Sie etwas von Algorithmen?» waren typische Fragen. Dann erkannten viele, dass die Idealbesetzung jemand ist, der nicht nur etwas von Computerwissenschaft versteht, sondern auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse mitbringt. Es wurde also darauf geachtet, dass jemand die Business-Seite verstehen kann und deren Bedürfnisse adäquat in technische Spezifikationen und letztendlich in Programmcode übersetzen kann. Heute beobachten wir bereits eine dritte Generation: Neben den computer- und wirtschaftswissenschaftlichen Aspekten ist auch Hintergrundwissen in Data Science, Mathematik und Statistik sowie künst­licher Intelligenz nötig.
Zugegeben, noch gibt es wenige Fachkräfte, die alle Qualifikationen in der Kombination vorweisen können. Deshalb können auch jene, die solche Kenntnisse haben, entsprechend hohe Gehälter verlangen.
CW: Ziehen da die Hochschulen mit und bieten eine entsprechende Ausbildung an?
Gore: Lassen Sie es mich so sagen: Die Situation ist für alle Beteiligten eine Herausforderung. Wir arbeiten eng mit den Hochschulen zusammen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist vielleicht auch, dass sich Studierende darüber im Klaren sind, dass auch Eigenschaften wie Kreativität
gefragt sein werden und die Bereitschaft, sich schnell auf Änderungen einzustellen.
«Eine grossartige Sache an Entwicklern ist, dass sie nie ganz zufrieden sind», meint Glenn Gore von AWS
Quelle: Jens Stark / NMGZ
CW: Können Sie eine Schweizer Firma oder Institution nennen, die das cloudbasierte Entwickeln praktiziert?
Gore: Ein interessantes Beispiel ist sicherlich SwissTopo. Sie betreiben ihre digitale Plattform auf AWS und interagieren hierüber auch mit ihren Kunden. Dank der Nutzung unserer Cloud können sie neue Features des GIS schneller ihren Kunden bereitstellen, wie etwa Geländemodellierung und Augmented-Reality-Funktionen. Auch bei diesem Beispiel gilt: SwissTopo braucht sich nicht mehr gross um den Betrieb der Plattform zu kümmern, das ist nun die Sache von AWS, sondern sie können sich ganz darauf konzentrieren, neue Funktionen bereitzustellen.
CW: Eine wichtige Branche in der Schweiz ist die Finanz­industrie, die von Gesetzes wegen ihre Kundendaten nicht im Ausland speichern kann. Ihr nächstes Rechenzentrum steht aber in Frankfurt am Main. Wie gehen Sie mit dieser Klientel um?
Gore: Wir haben Kunden aus der Finanzbranche auch aus der Schweiz. Denn die gesetzlichen Vorgaben betreffen nur ganz bestimmte Arten von Daten. So gelten die Regeln nicht für die Entwicklung und das Testen von Applikationen, diese können durchaus auch im Ausland durchgeführt werden. Daneben gibt es diverse Webseiten und -applikationen, die nichts mit dem Kerngeschäft der Banken zu tun haben, wie etwa die Marketingaktivitäten. Diese lassen sich sehr wohl auch ausserhalb der Schweiz hosten.
CW: Werden Sie somit in der Schweiz ein Rechenzentrum aufbauen, um auch jene Daten ver­arbeiten zu können, die Ihnen bislang verwehrt werden?
Gore: Hierzu gibt es bislang keine konkreten Pläne.



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