02.09.2014, 14:52 Uhr

E-Mail wird zum «Socialized» Info-Pool

Facebook, Twitter und WhatsApp erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Hat die E-Mail damit ausgedient? Wohl eher nicht, wenn man den Arbeitsalltag in Unternehmen betrachtet. Was in Sachen E-Mail aber nottut, ist eine intelligente Runderneuerung. Die Zukunft liegt in der «Socialized» E-Mail mit Analyseeigenschaften.
Viele sehen Mails als Stressfaktor
Barbara Koch ist Solution Sales Leader, Social Business, bei IBM Deutschland. Wer schreibt in Zeiten von Facebook, Twitter und WhatsApp denn überhaupt noch E-Mails, möchte man fragen. Überraschend viele, lautet die Antwort. Vor allem im Geschäftsleben ist die E-Mail weiterhin die Nummer eins unter den Kommunikationsmitteln. Einer Untersuchung der Radicati Group zufolge erhält jeder Wissensarbeiter täglich im Schnitt 72 E-Mails - Tendenz steigend, trotz Facebook & Co. Dabei wurde die E-Mail bereits mehrmals totgesagt. In der Tat ist sie in die Jahre gekommen und hat sich zu einer Plage im Arbeitsleben entwickelt, wie eine Umfrage des IDG Business Research Service unter 115 Managern und IT-Fachleuten kürzlich zeigte. Demnach erhöht sich für die meisten Befragten das E-Mail-Aufkommen stetig, fünf Prozent bewerteten diesen Anstieg sogar als stark. Parallel dazu wächst die Arbeitsbelastung, die der Mail-Verkehr mit sich bringt - so empfindet es jedenfalls über die Hälfte der Teilnehmer.

Jeder Vierte öffnet E-Mails sofort

Negativ für die eigene Arbeitseffizienz macht sich laut Erhebung auch die Frequenz bemerkbar, mit der das Postfach gecheckt wird. 25 Prozent der Befragten öffnen das Postfach sofort beim Eintreffen der E-Mail, ein Drittel hält es nicht länger als eine halbe Stunde ohne einen Blick in die Inbox aus. Für das Aufräumen des Posteingangs veranschlagen 23 Prozent der Interviewten etwa eine Stunde ihres gesamten Arbeitstags.

Eine weitere Folge der zeitaufwendigen E-Mail-Nutzung ist, dass Arbeitszeit über das Büro und den Feierabend hinaus verlängert wird. 48 Prozent der Befragten checken berufliche Mails auch noch zu Hause, und das sogar am Wochenende. Manche Unternehmen müssen im Sinne der Work-Life-Balance ihren Mitarbeitern den Blick in die Mailbox geradezu verbieten.

Fazit: Man kann im Arbeitsleben nicht ohne die E-Mail, aber mit ihr hat man es auch nicht leicht. Aber soll sich die Arbeitswelt mit diesem Status quo zufriedengeben? Oder ist es nicht eher an der Zeit, das Konzept der E-Mail grundlegend zu überdenken und Verbesserungswege zu finden?

Lässt man sich auf dieses Gedankenspiel ein, wird eines schnell klar: Die E-Mail an sich ist nicht schlecht, sie wird nur suboptimal genutzt. Zum Beispiel verwenden viele Anwender das E-Mail-System als eine Art persönliche Content-Management-Lösung, mit dem sie Dokumente und sonstige Inhalte verwalten, die sie für ihre tägliche Arbeit benötigen. Beleg für diese Art der missbräuchlichen Nutzung sind exzessive Dateianhänge, stark verästelte Ordnerstrukturen im E-Mail-Client sowie mehr oder weniger wirksame Unternehmensrichtlinien, die Power-E-Mail-Nutzern Speicherlimits setzen. In Zeiten von kostengünstigen Speicherkapazitäten im Web sollte diese Praxis der Vergangenheit angehören. Nächste Seite: Wissen im E-Mail-Client gekapselt

Wissen im E-Mail-Client gekapselt

Zwei Gründe gibt es vorrangig, warum Nutzer so sehr an ihrem E-Mail-System hängen:
  • Zum einen ist es die Furcht, elektronische Dokumente zu verlieren, die eventuell einmal von juristischem oder finanzrelevantem Interesse sein könnten.
  • Zum anderen ist es die Konservierung fachlichen Wissens. Vieles, was ein Wissensarbeiter für eine Firma an geistigem Gut erarbeitet, ist in seinen E-Mails gebunkert. Das wirft grössere Probleme auf: Wenn der Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausscheidet, wird aus rechtlichen Gründen häufig das gesamte Postfach gelöscht - und damit möglicherweise auch viel Know-how, das er dort gesammelt hat.

Bremse für Innovationskraft?

Nicht nur unter diesem Gesichtspunkt ist das Mail-System kein idealer praktischer und juristischer Archivierungsort für Fachwissen. Inhalte des E-Mail-Systems unterliegen juristisch gesehen dem Persönlichkeitsschutz. Der Arbeitgeber darf hier ohne Erlaubnis nicht nach Informationen suchen, weil er auf private Nachrichten stossen könnte.

Diese Einschränkung kann sich nachteilig auf die Innovationskraft eines Unternehmens auswirken. Derzeit investieren viele Firmen in Analysetechniken, die auch solche unstrukturierten Informationen auswerten, wie sie in E-Mail-Systemen gehortet werden - also Text, Bilder, Links, Dokumentenanhänge etc. Ziel ist es, aus diesen Daten Verbesserungen und Ideen für das Geschäft abzuleiten. Doch aus juristischer Sicht gestaltet sich der Zugriff auf die E-Mail-Clients der Mitarbeiter schwierig. Dabei darf gerade hier ein üppiger Fundus an Fachinformationen und Geschäftsprozesswissen vermutet werden. Nächste Seite: E-Mail grenzt Blogs, Social Networks und Chat aus

E-Mail grenzt Blogs, Social Networks und Chat aus

Das E-Mail-System als meist genutzte Anwendung für das Management von Arbeitsinformationen ist auch aus anderen Gründen für die Ansprüche eines modernen Wissensarbeiters unzureichend. Vor allem die Suchfunktion ist viel zu schwach ausgeprägt, um dem Suchenden schnell und effizient die gewünschten Ergebnisse auf den Bildschirm zu bringen.

Zudem kann er heute nicht mehr darauf vertrauen, dass ihm sein E-Mail-Client eine umfassende Auflistung all seiner benötigten Arbeitsinformationen liefert. Der Grund: Seit einigen Jahren haben sich auch andere Wissenssysteme parallel zur E-Mail etabliert - nämlich Blogs, Social Networks für die Arbeit oder Chats. Will man sich also einen Gesamtüberblick über einen Sachstand verschaffen, müssen in der Regel verschiedene Systeme durchforstet werden.

So der Status quo. Wie aber sähe heute das Idealbild der E-Mail aus? In der IDG-Befragung lieferten die Teilnehmer auch darauf Antworten. 88 Prozent wünschen sich zum Beispiel Filterfunktionen, die automatisch Wichtiges von Unwichtigem trennen. Wie ein intelligenter, persönlicher Assistent sollte das System die elektronische Post nach individuellen Kriterien sortieren und priorisieren.

Ein weiterer Punkt, der mehr und mehr Beachtung findet, ist das Thema Nachverfolgbarkeit. Denn eine Alterserscheinung des traditionellen E-Mail-Systems scheint es zu sein, dass E-Mails immer häufiger nicht beantwortet werden - meist einfach, weil in der Flut die Übersicht verloren geht. Die E-Mail der Zukunft sollte hier eine verlässliche Lösung bringen.

Eine Mehrheit von 73 Prozent der Umfrageteilnehmer sprach sich auch dafür aus, dass die Arbeitsoberfläche des E-Mail-Systems nicht allein für die Erledigung der geschäftlichen Korrespondenz genutzt werden sollte. Auch Werkzeuge für andersgeartete Aufgaben wie etwa Fachanwendungen sollten sich in dieses Arbeitsfeld integrieren lassen. Dadurch wäre das lästige und ineffiziente Wechseln der Programme hinfällig.
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Dynamische Folder speisen sich aus mehreren Quellen

All diese Punkte sollte die E-Mail der Zukunft auf der Rechnung haben. Mittlerweile sind die ersten Produkte auf dem Markt erschienen, die einige der genannten Kriterien aufgreifen und sogar darüber hinausgehen. Eine Kernidee ist dabei die Einführung dynamischer Folder im Gegensatz zu den statischen, wie sie derzeit noch genutzt werden.

Die dynamischen Ordner entstehen durch ein neues, effizientes Suchverfahren. Der Nutzer gibt ein Schlüsselwort ein, und in dem Ordner sammeln sich daraufhin alle relevanten Informationen zum Thema. Der Clou an dem neuen System ist: Um das dynamische Dossier zusammenzustellen, durchleuchtet es nicht nur die Inbox des Mail-Systems, sondern auch andere Quellen wie Social Content oder die Ablagesysteme der Firma. Hinzu kommt, dass sich der Folder selbständig aktualisiert, indem er die Suchabfrage regelmässig automatisch neu startet.

Intelligente Priorisierung sorgt für aggregierte Infos

Die neue E-Mail-Generation wird die Benutzer auch bei der intelligenten Priorisierung unterstützen. Sie wird dabei nicht nur die E-Mails im Postfach sortieren, sondern auch andere Input-Ströme etwa aus Social-Plattformen. Mögliche Fixpunkte für die Priorisierung sind dabei Kalendereinträge oder der Status von Kommunikationsteilnehmern. Wenn also beispielsweise laut Kalender ein Meeting mit einem Kunden ansteht, dann aggregiert das System automatisch diejenigen Informationen, die für dieses Treffen wichtig sind - letzte E-Mails aus dem Mail-Client, relevante Posts des Teams auf dem Projekt-Blog, den Status-Report aus dem Projekt-Management-Tool oder das Angebot aus dem SAP-System, je nach individueller Einstellung. Auch Post vom Chef wird vorgezogen, wohingegen man andere auf "mute" stellen kann.

Fazit

Durch Dynamisierung und Anreicherung des Funktionsspektrums lässt sich aus der Plage E-Mail ein effizienter Knotenpunkt für die Wissensarbeit der Zukunft machen. Alle relevanten Informationen werden integriert, das Wichtige steht prominent vorne, Änderungen werden automatisch aktualisiert. Die gute, alte "Inbox" wird zu einem attraktiven Sammelbecken für den digitalen Informationsstrom von heute.



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