«Die Schweiz besitzt einen Vertrauensbonus»

Die Bedeutung der KI bei Zühlke

CW: Sie sprechen die künstliche Intelligenz an. Welche Rolle spielt die Technologie in Ihren Projekten?
Durville: KI ist heute schon in vielen Projekten ein Thema. Ich bin überzeugt, dass in ein paar Jahren KI in sehr vielen Lösungen enthalten sein wird.
CW: Die KI schürt auch Ängste von der Herrschaft der Maschinen. Registrieren Sie solche Befürchtungen in den Gesprächen mit den Kunden?
Durville: Ich höre zwei Meinungen: KI automatisiert alles und kostet Arbeitsplätze oder KI hilft überall und schafft Wohlstand. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Zweifellos wird es gewisse Jobs mit repetitiven Tätigkeiten in zehn Jahren nicht mehr geben, weil die Maschinen diese Aufgaben besser, kostengünstiger und zuverlässiger erledigen können.
Jedoch ist diese Entwicklung bereits bekannt, denn die Industrialisierung brachte ähnliche Veränderungen der Arbeitswelt. In der Diskussion um KI kommt mir heute die Ethik zu kurz. Wenn eine KI zum Beispiel für die Rekrutierung eingesetzt wird, dann kann es passieren, dass falsche oder diskriminierende Entscheidungen getroffen werden. Zühlke hat für seine Projekte ein Framework definiert, mit dem Fragestellungen durch eine ethische Brille angeschaut werden.
Nicolas Durville möchte die Kunden von Zühlke künftig noch stärker im Bereich Nachhaltigkeit unterstützen
Quelle: Daniel Thüler
CW: Fordern die Kunden eine ethische Prüfung der KI?
Durville: Nein, noch nicht. Aber diese Fragen werden kommen, davon bin ich überzeugt, weil die Regulatoren das Problem erkannt haben. Heute herrscht im Markt etwas Goldgräberstimmung – auch mit Firmen, die sich nicht explizit um die Ethik kümmern. Unser Framework ist eine zentrale Value Proposition von Zühlke in diesem Bereich.
Grundsätzlich würde ich mir von der Schweiz wünschen, dass sie eine Vorreiterrolle einnimmt bei der Diskussion um die Ethik von künstlicher Intelligenz. Wir besitzen einen Vertrauensbonus im Vergleich mit anderen Nationen hinsichtlich Datennutzung. Wir haben eine politische Stabilität, die ihresgleichen sucht. Dann besitzen wir einen hohen Standard beim Datenschutz. Und wir haben die ETH, die führend ist in diesem Bereich. Aber wir sind zu bescheiden und zu wenig selbstbewusst. China und die USA sind weltweit führend in der Nutzung von KI. Aber die Schweiz wäre hervorragend aufgestellt, um die Entwicklung zu prägen und bei der Regulierung eine Vorreiterrolle einzunehmen. Denn: Wo hätten Sie es lieber, dass Ihr Algorithmus mit vertraulichen Daten entwickelt wird? In China, in den USA oder in der Schweiz? Die meisten würden hier wohl die Schweiz wählen.
CW: Sie erwähnten, dass Sie als CEO viel mit Kunden sprechen. Um welche Projekte handelt es sich dabei?
Durville: Auch wenn ich operativ nicht mehr stark involviert bin in die Projekte, spreche ich doch fast täglich mit den Kunden. Im Unterschied zu früher, als die IT-Nerds übertrieben gesagt noch im Serverraum eingeschlossen waren, kann sich heute kein C-Level mehr der Digitalisierung verschliessen. Die IT-Themen sind auf der Teppichetage angekommen. Das Fachwissen ist dort oft noch nicht so präsent, wie es sein müsste. Ich sehe es als meine Aufgabe an, den Gesprächspartnern aus der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat Fragen zu beantworten und Empfehlungen abzugeben. Zum Beispiel zu den Themen Cloud, Innovation oder KI, bei denen ich Impulse liefern kann zu den Projekten oder auch künftigen Vorhaben.
CW: Wie würden Sie das Geschäft von Zühlke generell charakterisieren? Welche Schwerpunkte gibt es?
Durville: Zwei Drittel sind reine Software-Projekte, ein Drittel sind Produktinnovationen mit Hardware, die wir mitentwickeln. Ein Beispiel hier ist der Lawinenrucksack von Mammut. Gemeinsam mit dem Ausrüster haben wir das bestehende Produkt auf eine kostengünstigere und vor allem einfachere Herstellung hin optimiert. Auch ist der Rucksack nun leichter und widerstandsfähiger.
Das Schöne an diesen Projekten ist ihre Anschaulichkeit. Einen Lawinenrucksack kann ich herumzeigen, einen Software-Algorithmus weniger. Häufig haben wir auch gar keinen Zugriff auf die zugehörigen Applikationen, die natürlich in der Infrastruktur der Kunden laufen. Dahinter verbirgt sich zwar von Zühlke programmierter Code, der aber ja dem Kunden nutzen soll und nicht der Demonstration unserer Fähigkeiten.



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