14.09.2012, 17:57 Uhr

50 ERPs im Härtetest - Tops und Flops

2500 Anwenderunternehmen haben 50 ERP-Lösungen bewertet. "Swissmade" Software überzeugt durch hohe Branchenkompetenz. Aber was halten Anwender von Microsoft und SAP? Die Details der Mega-Studie.
Gewinner und Verlierer auf dem Schweizer ERP-Markt
ERP in der Praxis 2012/2013: Das IT-Beratungshaus Trovarit hat 2500 Anwenderunternehmen gebeten, ihre ERP-Lösung zu bewerten. Die Studienteilnehmer gaben Zufriedenheitsbewertungen zu über 50 ERP-Lösungen ab. Für 28 dieser Lösungen liegen Bewertungen durch Kunden aus der Schweiz vor. Computerworld berichtet exklusiv und vorab über die wichtigsten Ergebnisse der Studie "ERP in der Praxis 2012/2013 - Anwenderzufriedenheit, Nutzen, Perspektiven". Insgesamt schnitten - im Vergleich zum Vorjahr - die bewerteten ERPs (nochmals) leicht verbessert ab. Die Anwender vergeben (im Durchschnitt) sowohl für die Software als auch für die damit verbundenen Dienstleistungen uneingeschränkt die Gesamtnote "gut". Unter den Lösungen für grössere Unternehmen heissen die Gewinner SAP ERP und x-trade (bei den Branchenspezialisten). Infor ERP LN hat die Qualität des Service offenbar deutlich verbessert und bessere Noten als noch im Vorjahr eingeheimst. Schlusslichter sind die Systeme IFS Applications und Lawson M3.

Das sagen SAP-Kunden

Wie auch in den Vorjahren bewege sich SAP insgesamt stabil im Mittelfeld der Studie und sei damit führend in der Rubrik "Lösungen für grössere Unternehmen", schreibt Trovarit. Die Anwender streichen punkto SAP besonders Verbesserungen im Schulungs- und Informationsangebot und beim Support bei Updates und Release-Wechseln hervor. Auch im Hinblick auf SAPs Eignung für den Mittelstand - in der Vergangenheit häufig unter Beschuss - bescheinigen die Studienteilnehmer dem Unternehmen deutliche Verbesserungen. Allerdings gibt es hier immer noch Luft nach oben. Laut Trovarit honorieren die Anwender mit den besseren Noten SAPs Update-Strategie der "Enhancement Packages". Statt seltener, grosser Release-Sprünge modernisiert Walldorf seine Software seit zwei Jahren durch häufigere, aber kleinere Updates - eben den sogenannte Enhancement Packages. Nchste Seite: So schneiden Schweizer Anbieter ab

"Swissmade" Software überzeugt

Lösungen für kleinere Unternehmen: Schweizer ERP-Anbieter erzielten gute bis sehr gute Noten. Unter dem Label "Swissmade Software" sind Schweizer ERP-Häuser überwiegend auf regionalen Märkten aktiv. Sie überzeugen ihre Kunden durch eine überdurchschnittlich hohe Branchenkompetenz und eine gute Kundenbetreuung - zum Beispiel punkto Hotline-Beratung und beim Account Management. Zudem bescheinigen die Anwender den Schweizer Lösungen eine überdurchschnittlich hohe Funktionalität und Flexibilität. Differenziert fällt das Urteil im Hinblick auf die Performance und Anwenderfreundlichkeit der Schweizer Lösungen aus. Der Anbieter OpaccOne überzeugt punkto Ergonomie und Benutzerfreundlichkeit, aber schwächelt bei der Performance. Bei den Anbietern Tosca und A+L verhält es sich umgekehrt: Dort loben die Anwender die Performance der Lösungen, kritisieren aber die ergonomische Umsetzung. Insgesamt dürfen sich die Schweizer Branchenanbieter Tosca (Bürobedarf), OpaccOne (Gross-/Filialhandel) BusinessMaker (Lebensmittel) sowie die deutschen Anbieter Alphaplan ERP und Majesty zu den Gewinnern zählen (in der Rubrik: Lösungen für kleinere Unternehmen). Schlusslicht ist, so das Urteil der Anwender laut Trovarit, der ERP-Anbieter eNVenta. Nchste Seite: Das halten Anwender von Microsoft

Microsoft holt auf

Microsoft Dynamics NAV: Bei dem ausschliesslich über Systemhäuser/Partner bertriebenen Dynamics NAV ist die Zufriedenheit mit den betreuenden Anbietern leicht und mit der Software selbst deutlich gestiegen. Bei Dynamics AX hat sich die Zufriedenheit der Anwender mit vielen Service-Aspekten sehr deutlich verbessert. Microsoft Dynamics AX zählt deshalb im mittleren Segment (Lösungen für mittlere Unternehmen) zusammen mit In:ERP, Oxaion, Abas und proAlpha zu den Gewinnern. Microsoft hat sein Dynamics AX mit dem Release AX2009 verbessert. Die höhere Software-Qualität verbunden mit Microsofts intensiven Bestrebungen, seine AX-Partner besser zu qualifizieren, tragen jetzt spürbar Früchte. Das weiter entwickelte Release AX2012, das Ende 2011 eingeführt wurde, spiegelt sich noch nicht im Zufriedenheitsprofil wider. Denn erst knapp 10 Prozent der Dynamics-AX-Kunden, die an der Studie teilgenommen haben, setzen dieses Release ein.

Riesenvorteil: Branchen-Knowhow

Branchenfokussierung zahlt sich aus: Laut Trovarit werden Lösungen für grössere Unternehmen und Generalisten insgesamt kritischer bewertet als Branchenlösungen für kleinere Firmen. Die Gründe: ERP-Produkte für kleinere Firmen sind weniger komplex als die grossen Lösungen, sie sind oft einfacher gehalten und werden nahe am Standard in einer einfacheren Software-Lanbdschaft eingesetzt. Branchenanbieter punkten ausserdem durch ihr fundierteres Markt-Knowhow, betreuen insgesamt weniger Kunden als die Generalisten und können dadurch ihren Kunden eine intensivere, oft individuellere Betreuung bieten. Anwenderunternehmen sehen deshalb die Branchenanbieter in einem positiveren Licht. Nchste Seite: Das nervt am meisten

Das läuft oft schief

Bei aller Zufriedenheit offenbart die Studie auch Schwächen: Anwender kritisieren seit Langem die Möglichkeiten, die ERP-Systeme punkto Reporting und Formularwesen bieten. Schuld daran sind neben Schnittstellenproblemen hohe Aufwände beim Einrichten und Anpassen von Formularen/Reports. Daran hat sich über die letzten Jahre und auch aktuell kaum etwas geändert. Stark in der Kritik steht auch die Performance der ERPs. Offenbar steigt der Ressourcenbedarf der Software - bei gleichzeitiger Zunahme des Datenvolumens - schneller als die Leistungsfähigkeit der IT-Infrastruktur. Ausserdem bemängeln Anwender immer noch die Bedienerfreundlichkeit der ERP-Software. 15 Prozent der befragten Anwender nervt der Aufwand, der für Updates und Release-Wechsel getrieben werden muss. Dabei bestehen offensichtlich erhebliche Unterschiede von Software zu Software, von Anbieter zu Anbieter. Eine Herausforderung für die Zukunft sehen die Teilnehmer in der immer stärkeren Nutzung mobiler Technologien. Zwar kritisieren nur 6 Prozent die "mobilen" Möglichkeiten ihrer ERP-Software explizit. Allerdings hat der Anteil der Problemfälle gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent zugelegt.