«In der Schweiz war SAP relativ konkurrenzlos»

Frühe Kunden und Entwicklung von SAP

CW: Apropos Kunden: Coop und Georg Fischer waren schon seit 1975 Kunden von SAP. Wer waren die ersten Kunden, mit denen Sie persönlich zu tun hatten?
Kaufmann: Mit Coop und Georg Fischer hatte ich als Berater nie etwas zu tun. Als ich 1993 in die Schweiz zurückkehrte, lief gerade ein Projekt, bei dem ich drei Schweizer Pilotkunden betreute, mit denen die erste Version der SAP-Retaillösung entwickelt wurde. Leider war dieser erste Versuch, im Retailbereich Fuss zu fassen, nicht sehr erfolgreich – was die SAP in späteren Versionen aber eindrücklich korrigieren konnte.
CW: Wie haben Sie die Entwicklung von SAP zum Marktführer erlebt – und gestaltet?
Kaufmann: Die Entwicklungen waren sehr unterschiedlich zwischen Europa und Amerika. In den USA sind wir als «Greenhörner» gestartet. Wir hatten zwar einige Bestandskunden in Übersee – die früheren DuPont oder ICI zum Beispiel –, die von uns forderten, dass wir in den USA eine Niederlassung eröffnen. Bei der Neukundenakquise trafen wir aber häufig auf Firmen, die von SAP noch nie etwas gehört hatten. Wir traten mit dem SAP-typischen Selbstbewusstsein auf und haben uns durch die überaus respektable amerikanische Konkurrenz nicht beeindrucken lassen. So gewannen wir auch die grossen Deals, etwa IBM und Kodak – dies noch mit den R/2-Systemen.
Im Vergleich mit den US-amerikanischen Software-Anbietern – zum Beispiel American Software oder Collinet – beherrschte SAP schon damals die verschiedenen nationalen Buchhaltungsvorschriften, war mehrsprachig und unterstützte mehrere Währungen. Diese Merkmale gaben oft den Ausschlag für den Vertrag mit uns, denn die grossen US-Konzerne waren ja international tätig.
SAP lieferte seine ersten Programme auf 2000 Lochkarten in einem Koffer aus
Quelle: SAP
Insbesondere in den frühen Jahren meiner Tätigkeit – Mitte bis Ende der 1980er – war unser Auftreten allerdings aus heutiger Perspektive alles andere als professionell. Wir konnten zwar ein überlegenes Produkt präsentieren, das Team von einem Dutzend Europäern war aber insbesondere die US-amerikanischen Sales-Praktiken nicht gewohnt. Viele meiner Kollegen hatten zwar viel Erfahrung mit dem Produkt, aber wenig Praxis im Verkauf. So waren wir manchmal vielleicht zu ehrlich und haben deshalb auch Sales-Opportunitäten ausgelassen. Erst nach und nach stiessen dann Mitarbeiter von der dortigen Konkurrenz zu uns, sodass sich die Situation etwas entspannte. Zur Zeit meiner Rückkehr in die Schweiz befanden wir uns am Beginn der «R/3-Welle», die für die SAP auch in den USA den endgültigen Durchbruch bedeutete.
CW: Wie war die Situation in der Schweiz?
Kaufmann: Hier waren wir von Beginn an relativ konkurrenzlos. Im Grosskundensegment gab es damals kaum Alternativen zu SAP – ausser Eigenentwicklungen. Im gehobenen Mittelstand schon eher, aber auch hier haben wir selten zum Beispiel gegen Oracle oder Microsoft verloren.
SAP Schweiz war und ist eine Niederlassung, die bei neuen Produkten sehr schnell einen Kunden gewinnen konnte. Ein Grund ist, dass die Schweizer Firmen seit jeher innovationsfreudige IT-Abteilungen hatten. Hinzu kam, dass SAP keine Sprachbarriere zu überwinden hatte. Da wir häufig auch schon mit einer Software präsent waren bei den Kunden, waren wir oftmals auch gesetzt.



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