06.04.2009, 12:26 Uhr

Exklusiv-Interview zu HPs ProLiant-Angebot

Wie die meisten Computer-Hersteller hat auch HP dieser Tage seine Server-Reihe renoviert. Computerworld.ch sprach hierzu exklusiv mit Christine Reischl, Leiterin des weltweiten X86-Servergeschäfts von HP.
Christine Reischl, Leiterin des weltweiten X86-Server-Geschäfts bei HP im Computerworld.ch-Gespräch. (Bilder: Pablo Faccinetto)
Am selben Tag, an dem Intel seinen jüngsten Server-Prozessor, den Xeon 5500, genannt Nehalem, vorgestellt hat, ist auch Hewlett-Packard (HP) mit einer komplett überarbeiteten ProLiant-Server-Reihe an den Start gegangen (Computerworld.ch berichtete). Zu dem nach HP-Angaben grössten X86-Server-Launch in der Geschichte des Unternehmens sprach Computerworld mit Christine Reischl, weltweite Leiterin der entsprechenden HP-Abteilung.
Computerworld: In der Pressemitteilung zur Lancierung der Proliant-G6-Server-Reihe wird behauptet, dass die Leistung der Rechner verdoppelt werden konnte und gleichzeitig der Energieverbrauch halbiert wurde. Können Sie mir erklären, wie Sie das erreicht haben?
Reischl: Einer unserer Verbesserungsschwerpunkte bei der Entwicklung der ProLiant G6 war der Energieverbrauch. Wir haben hier hauptsächlich drei Innovationen aus unseren Labors verwendet. Erstens haben wir unsere "Sea of Sensors" eingebaut. Das sind insgesamt 32 Temperaturfühler, die in verschiedenen Bereichen untergebracht sind, so auf den Speicherbausteinen, auf dem Prozessor, auf der Hauptplatine, rund um die Festplatten sowie in der Nähe der Ventilatoren. Diese Sensoren messen die Temperatur und füttern damit den zentrale Onboard Administrator. Dort wird dann beispielsweise berechnet, welche Umdrehungszahl die Ventilatoren haben müssen und kalkulieren somit, wie stark die einzelnen Systemteile gekühlt werden müssen. Früher liessen wir die Ventilatoren jeweils mit Höchstgeschwindigkeit laufen, um eine maximale Kühlung zu erreichen. Heute geht es dagegen um die optimale Kühlung.

Computerworld: Können Sie hier ein Beispiel geben?
Reischl: Wenn etwa ein Prozess sehr speicherintensiv ist, dann werden nur die Ventilatoren in Betrieb genommen, die in der Nähe des Speichers liegen. Beim DL360 sind etwa sechs Ventilatoren untergebracht. In der von mir beschriebenen Situation werden nur die beiden Kühlvorrichtungen ganz rechts verwendet, wo auch die Speicher angeordnet sind. Das spart dann eine Menge Energie, denn ein Ventilator im Standby-Modus verbraucht 0,8 Watt, einer, der die maximale Kühlleistung erbringt, verbraucht dagegen 12 Watt. Zudem - und das ist ein hübscher Nebeneffekt - ist es in einem Rechenzentrum, das mit G6 bestückt ist, um einiges leiser wie früher.
Computerworld: Wieviel wird also an Energie gespart?
Reischl: Die Einsparungen hängen natürlich davon ab, wie sehr der Rechner ausgelastet ist. Wenn die Arbeitslast gross ist, steigt auch der Kühlbedarf. Aber durchschnittlich spart diese Massnahme alleine 50 Prozent an Energie.

Computerworld: Welche weiteren Energiespartechniken haben Sie noch eingebaut?
Reischl: Als zweites führen wir die Technik "Dynamic Power Capping ein". Damit wird der Strom für jeden einzelnen Server rationiert. Die Menge, die einem einzelnen Server jeweils zusteht, wird dabei berechnet. Dies basiert zum Teil auf der Aufgabe, die dem Rechner zugedacht ist, zum Teil wird dies aber auch in Echtzeit berechnet.
Auch diese Massnahme hat einen willkommenen Nebeneffekt, der bei einigen unserer Kunden zum Hauptgrund für die Anschaffung der Server werden dürfte. Durch die Beschränkung des Stroms entstehen nicht nur weniger Kosten, der Raum im Serverschrank wird ebenfalls besser ausgenutzt. Heute stehen viele Racks halb leer, weil sonst zu Spitzenzeiten das interne Netz zusammenbrechen würde. Mit der intelligenten Zuweisung der Strommenge kann so auch die Serverdichte im Rack und im Rechenzentrum erhöht werden.
Darüber hinaus lassen sich Server auch prioritär mit einer Strombandbreite versorgen. Läuft einem Computer eine geschäftskritische Applikation, erhält er auch mehr Strom.
Als dritte Massnahme bieten wir für den Common Power Slot vier verschiedene Netzteile, drei davon liefern Gleichstrom eines Wechselstrom. Die Gleichstromvarianten operieren mit 1200, 750 oder 460 Watt. Dadurch wird jeweils die Ausnutzungsziffer je nach Arbeitslast auf mindestens 90 Prozent gesteigert.

Computerworld: In allen G6-Servern läuft Intels jüngster Nehalem-Prozessor Xeon 5500. Nach ersten Tests ist dieser nicht nur um einiges leistungsfähiger, sondern verbraucht auch weniger Strom. Wieviel der Leistungssteigerung und der Energieeffizienz ist das Verdienst von Intel und wieviel tragen Sie selbst dazu bei?
Reischl: Es ist schwierig, das genau abzugrenzen. Ich bin aber sicher, dass unsere Architektur einen wesentlichen Anteil hat.

Computerworld: Wie kommen Sie auf den von Ihnen genannten Leistungszuwachs?
Reischl: Auch hier haben wir einiges für die Performance getan. So weisen die Server 18 statt bisher 8 Speichersteckplätze auf. Daneben wurde die Anzahl Festplatten verdoppelt.

Computerworld: Die wirtschaftliche Situation ist derzeit nicht die Beste. Laut Gartner werden dieses Jahr die Hardwareausgaben der Firmen um 15 Prozent schrumpfen. Ist der Zeitpunkt nicht etwas ungünstig gewählt, um eine neue Server-Familie mit elf verschiedenen Modellen zu lancieren?
Reischl: Die Wirtschaftslage ist sicherlich schwierig. Aber man kann das Ganze auch als eine Chance ansehen. Durch die Energiesparmöglichkeiten und die Verbesserung bei der Verwaltung sind grosse Kostensenkungen gegeben. Migriert ein Kunde von der G4-Architektur auf G6, beträgt der Return on Investment (ROI) drei Monate. Bezogen auf die unmittelbare Vorgänger-Architektur, G5, beträgt der ROI zwölf Monate. Hinzu kommen die Verbesserungen im Bereich Virtualisierung, mit denen effizientere Computing-Umgebungen betrieben werden können. Mit all dem sparen unsere Kunden langfristig nicht nur Geld, sondern sie erhalten auch Wettbewerbsvorteile. Beides ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig.

Computerworld: Cisco ist vor Kurzem auch ins Intel-Server-Geschäft eingestiegen mit ihren UCS (Unified Computing System). Erklärtes Ziel: IBM und HP Marktanteile abluchsen. Was halten Sie von Ciscos Schritt?
Reischl: HP hat sehr vie Erfahrung mit dem Blade Konzept - wir liefern das bereits seit fünf Jahren, was Cisco jetzt erst angekündigt hat und was im Grunde noch nicht erhältlich ist. Auch was unseren Marktanteil betrifft, sind wir gut aufgestellt. Im Blademarkt halten wir in der Schweiz gegen 70 Prozent, im ganzen x86er-Servermarkt 61 Prozent. Dies gekoppelt mit unserer Erfahrung bringt uns in eine gute Ausgangsposition.

Computerworld: Mit der Verfügbarkeit von Intels Nehalem haben auch IBM, Dell und Fujitsu Server vorgestellt. Inwiefern unterscheidet sich HPs Angebot?
Reischl: Es stimmt, alle diese Firmen bieten nun Nehalem-Server an. Mir scheint dabei wichtig, wie breit das Angebot der Hersteller ist. Wir bieten elf Plattformen an, Dell hat nur fünf Modelle präsentiert. Daneben kann ich sicher sagen, dass wir die meisten Innovationen in unsere Rechner gesteckt haben. Unser "Sea of Sensors"-Konzept beispielsweise ist zum Patent angemeldet, aber auch die anderen Stromsparmassnahmen, Verwaltungs- und Virtualisierungsverbesserungen heben uns von der Konkurrenz ab.

Computerworld: HP entwickelt ja auch konkurrierende Server-Systeme im eigenen Haus, etwa auf Unix-Basis (HP 9000) und mit Itanium-Prozessoren (HP Integrity). Wie sehen Sie die ProLiant-Linie im Vergleich?

Reischl: Ich würde nicht von einer Konkurrenzsituation sprechen. Vielmehr arbeiten wir eng miteinander zusammen. Wir nutzen gemeinsame technische Ressourcen. Bestes Beispiel ist unsere Virtualisierungslösung VSE, die in beiden Umgebungen einsetzbar ist.
Computerworld: Im Schweizer x86-Servermarkt halten Sie 61 Prozent Anteil, europaweit sind es dagegen nur 45 Prozent. Worauf ist dieser Unterschied zurückzuführen?
Reischl: Weil die Schweizer besser sind (lacht). Mal ernsthaft: es gibt in Europa verschiedene Märkte. In vielen Ländern, etwa in Osteuropa sind wir noch nicht so lange vertreten. Dort müssen wir noch gegen starke lokale Assemblierer bestehen. Die europäische Zahl ist also ein Durchschnittswert. In 21 Ländern liegen wir aber über 50 Prozent Marktanteil. In der Schweiz ist sicherlich der starke indirekte Verkaufskanal über unsere Partner ein wichtiger Grund: Im KMU-Land Schweiz schätzen es Kunden, lokal von einem HP-Partner betreut zu werden, der ihre Bedürfnisse genau kennt.



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