Holcim 01.07.2010, 13:27 Uhr

Zementlieferung via Web 2.0

Eine eigens entwickelte Logistiklösung ersetzt bei Holcim Schweiz Excel-Tabellen und Papier. Das System «Logon» spart dem Schweizer Baustoffkonzern hunderttausende Franken.
Die Weboberfläche von «Logon» für die Fahrtenplanung
Mit «Logon» - kurz für «Logistik Online» - wickelt Holcim Schweiz heute das Verladen, Ausliefern und Verrechnen von tausenden Zementbestellungen pro Monat ab. Das von der Zürcher AdNovum entwickelte System bildet die gesamte Lieferkette auf einer interaktiven Browseroberfläche ab. Kunden und Transportdienstleister haben Zugriff auf «Logon», in dem sie Bestellungen aufgeben, die Lieferung planen respektive nachverfolgen und den Erhalt der Ware quittieren können. «Wir wollten die Voraussetzungen für unsere Kunden und Dienstleister so tief wie möglich halten. Deshalb wird Logon über ein Webinterface und nicht zum Beispiel über spezielle Terminals bedient», weiss Christoph Duijts, Head of Logistics Projects von Holcim Schweiz.
Holcim ist einer der grössten Zementproduzenten der Schweiz. Die Besonderheit hierzulande ist das ausgeglichene Verhältnis der Lieferwege: jeweils die Hälfte des Baustoffs wird über die Schiene und die Strasse geliefert, sagt Transportleiter Markus Meier. Im übrigen Europa liefern Lkws 80 bis 100 Prozent des Zements. Grund sei das weit verzweigte Schweizer Bahnnetz. Für «Logon» mussten die AdNovum-Entwickler beide Lieferwege elektronisch abbilden. Seit wenigen Wochen in Betrieb ist der Schienenweg.
Vollelektronische Lieferkette
Aufträge können Kunden in dem System selbst erfassen oder via Telefon sowie Fax an Holcim übermitteln. Auch diese Bestellungen werden dann in dem System erfasst. In einer Zeitstrahlansicht im Browser organisiert Transportleiter Meier später die Lieferungen und teilt den Fahrern Aufträge zu. Via GSM erhalten die Chauffeure Nachricht von den Fahrten und der Ladung. Durch RFID-Sensoren an Silos und Aufliegern steuert «Logon», welche Ware in welches Fahrzeug abgefüllt wird. Der Fahrer kontrolliert alle Vorgänge am Handheld mit GSM- und RFID-Sensor.
Ein GPS-Empfänger ist ebenfalls in den Fahrer-PDA eingebaut, so dass das System via Google Maps dem Kunden und Holcim jederzeit übermitteilt, wo sich die Ladung aktuell befindet. Beim Empfänger eingetroffen, entlädt der Fahrer den Zement und lässt sich vom Kunden die Lieferung per Unterschrift auf dem PDA-Bildschirm quittieren. Ein Tastendruck auf dem Handheld löst den Datentransfer ins SAP-R/3-System von Holcim aus, das eine Rechnung generiert.
Analog zur Lkw-Lieferung funktioniert auch das Disponieren von Eisenbahnwagontransporten. Dafür besitzt «Logon» eine Schnittstelle zum IT-System der SBB.
Auf der zweiten Seite lesen Sie, ob sich Fahrer von «Logon» kontrolliert fühlen und welche Pläne Holcim mit dem Logistiksystem hat.

Die vollelektronische Logistik mit automatischen Kontrollen und GPS-Positionierung von Lieferungen birgt Risiken für den Datenschutz. Fahrer könnten sich durch das System gegängelt und überwacht fühlen - schliesslich weiss der Transportleiter nahezu jederzeit, welcher Angestellte wo welche Arbeit erledigt. Da auch andere Speditionsunternehmen Zement für Holcim ausliefern, endet die Kontrolle auch nicht an den Firmengrenzen.
Auf die Frage nach Widerständen in der Belegschaft gegen «Logon» und das GPS-Tracking kennt Holcim-Projektleiter Duijts eine unerwartete Antwort: «Die Kollegen waren froh, dass wir das System eingeführt haben, denn sie wünschten sich einen geregelten Tagesablauf.» Aus der Praxis weiss Transportleiter Meier: «Mit der Planung in Logon können wir meist schon am Morgen alle Routen des Tages an den Fahrer übergeben. So weiss jeder, was auf ihn zukommt.»
Ungenutztes Potential
Das Logistiksystem birgt neben besseren Planungsmöglichkeiten noch Funktionen, die Holcim bisher gar nicht nutzt. «Logon erfasst circa 450 Daten pro Auftrag und legt sie in einer Oracle-Datenbank ab. Das sind täglich zwischen 70.000 bis 80.000 Events», berichtet AdNovum-Chefentwickler Kornel Wassmer. Mit dieser Datenbasis können zum Beispiel Prozesse weiter optimiert, Schwachstellen identifiziert und Business-Intelligence-Anwendungen gefüttert werden.
Vorerst steht für Holcim der Return on Investment (RoI) im Vordergrund. «Mit Logon sparen wir durch Effizienzsteigerung bei der Administration drei bis fünf Prozent der Kosten», meint Projektleiter Duijts. Das töne nach wenig, allerdings beliefen sich die Ausgaben für Transportleistungen auf rund 20 Millionen Franken pro Jahr. Fünf Prozent davon seien ein stattlicher Betrag.
Der nächste Schritt ist Dujits zufolge das Ausrollen der Technik in den Holcim-Werken in Norddeutschland. Termin dafür ist im Herbst. Zuvor seien aber noch einige Anpassungen notwendig, unter anderem das Anbinden von neuen Wiegesystemen in die Software, sagt Wassmer von AdNovum. Ebenfalls arbeite der Baustoffkonzern mit dem Zoll zusammen, damit das System Ein- und Ausfuhrpapiere direkt ausstellen kann, fügt Projektleiter Dujits hinzu.



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