Exklusiv 27.03.2009, 06:58 Uhr

Swiss IT - Fakten Trends und Prognosen

Computerworld analysiert in exklusiver Kooperation mit dem Markt­­forschungsunternehmen IDC den Schweizer IT-Markt. Die in der heute erscheinenden Sonderausgabe präsentierten Zahlen und Prognosen zeigen Wachstums­chancen wie Geschäftspotenziale auf - und weisen den sichersten Weg aus der Krise.
Das gab es noch nie: Computerworld analysiert den gesamten Schweizer IT-Kundenmarkt. Was finden Schweizer IT-Manager besonders gut? Wo drückt sie der Schuh? In welche Marktsegmente und Technologien wollen sie zukünftig investieren und wo lieber noch abwarten? Zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen IDC hat Computerworld rund 530 IT-Entscheider nach ihrer Meinung befragt. Die aktuelle Studie «Swiss IT» gibt Antworten auf die drängensten Fragen und hilft IT-Anbietern bei der strategischen Ausrichtung ihres Unternehmens.
Repräsentativ und umfassend
Über 76 Prozent der Umfrageteilnehmer sind CIOs, EDV-Leiter oder IT-Mitarbeiter in leitender Funktion. Vier Prozent gehören zur Vorstandsebene, zählen zu den Geschäftsführern oder Eigentümern. Wichtig für die hohe Relevanz der Ergebnisse: Das von Computerworld und IDC gewählte Sample deckt die gesamte Bandbreite des Schweizer IT-Markts ab und spiegelt repräsentativ die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Branchen wider.
Den grössten Anteil haben Unternehmen der diskreten Fertigung, darunter fallen etwa der Maschinenbau und die Elektroindustrie. Diesem Marktsegment gehören rund 20 Prozent der Schweizer Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern an, ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Schweiz ist dementsprechend hoch. Dienstleistungsanbieter, dazu zählen Beratungsunternehmen, IT-Serviceanbieter und Marketingagenturen, sind mit 14 Prozent vertreten. Danach folgen die öffentliche Verwaltung (11%) und mit jeweils 9 Prozent das Versicherungs- und Kreditgewerbe sowie die Prozessindustrie (Grafik 1).
Die Computerworld-Studie erfasst ausserdem die gesamte Bandbreite der Schweizer Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden. Der Anteil der Grossunternehmen mit über 5000 Beschäftigten fällt mit 19 Prozent vergleichsweise hoch aus. Die Grossen nehmen in der Volkswirtschaft eine herausragende Stellung ein und beeinflussen in besonderem Masse die zukünftige Entwicklung der Schweizer Wirtschaft. Diese Unternehmen sind daher aus Sicht vieler IT-Anbieter besonders interessant (Grafik 2).
Die Steigerung der Kundenzufriedenheit und das Erreichen der Wachstums- und Gewinnziele haben für Schweizer Unternehmen eine ausserordentlich hohe Priorität (Grafik 3). Der erste Teil der Studie zeichnet deshalb ein Stimmungsbild des Schweizer IT-Kundenmarkts. Die Ergebnisse geben IT-Anbietern wertvolle Hinweise, die ihnen helfen, unternehmerische Herausforderungen zu meistern und ihre Geschäftsziele zu erreichen. Der zweite Teil prognostiziert die Entwicklung des Schweizer IT-Markts nach Branchen von 2009 bis 2012, und da sieht es nicht allzu schlecht aus.

Vorsichtiger Optimismus bis 2012

Zwar leidet zurzeit auch die Schweiz unter der durch die globale Wirtschaftskrise ausgelösten konjunkturellen Schwäche. Aber die Vorhersage von IDC für die Geschäftsjahre bis 2012 gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Erst einmal heisst es jedoch Durchhalten. Denn nach Einschätzung der Marktforscher wird die Rezession in der ersten Jahreshälfte 2009 ihre Wirkung auf den Schweizer IT-Markt voll entfalten, in der Konsequenz schrumpfen die IT-Ausgaben weiter.
Besonders stark trifft es den Hardware-Markt, da viele Unternehmen ihre Produktzyklen erweitern und ihre Kapitalbindung reduzieren wollen. Hardware-Anbieter müssen im laufenden Jahr mit einem Umsatzrückgang von 9,3 Prozent rechnen. Auch der bisher stark expandierende Software-Markt kommt nicht ungeschoren davon. Die Nachfrage nach Security- und Storage-Lösungen bleibt aber vergleichsweise hoch. Der IT-Service-Markt, mit 44,9 Prozent das anteilig grösste Stück im Schweizer IT-Kuchen, büsst zwar ebenfalls an Dynamik ein. Jedoch trifft es die einzelnen Servicesegmente unterschiedlich stark. So wird unter dem von der Krise ausgeübten Kostendruck die Nachfrage nach Outsourcing-Dienstleistungen und Cloud Computing merklich zulegen.
Bis ins Jahr 2010 hinein wird der Schweizer IT-Markt unter der konjunkturellen Schwäche leiden und erst allmählich wieder an Schwung gewinnen. Für das Jahr 2011 rechnet IDC dann mit einem Wachstum von 3,6 Prozent, 2012 geht es 4,7 Prozentpunkte nach oben. Interessantes Detail: Unternehmen mit Belegschaften zwischen 100 und 499 Mitarbeitern und zwischen 500 und 999 Beschäftigten entwickeln sich deutlich dynamischer als Grossunternehmen mit über 1000 Mitarbeitern oder Kleinstunternehmen.

Krise geschickt nutzen

Nach einer längeren, schmerzhaften Durststrecke geht es in den Jahren 2010 und 2011 langsam wieder aufwärts, prognostiziert IDC. Für Schweizer IT-Anbieter kommt es deshalb darauf an, sich in der Krise zu konsolidieren und neu aufzustellen. Unternehmen, denen das heute am besten gelingt, werden morgen von den Post-Krisenmärkten am stärksten profitieren. Wie aber durchschifft man die Krisenjahre am geschicktesten und bereitet sich optimal auf die Zukunftsmärkte vor? Dabei hilft ein Blick in die strategischen Planungszentralen der von Computerworld befragten Schweizer IT-Unternehmen.
IT-Firmen in der Schweiz investieren 36 Prozent ihres Budgets in Software, 35 Prozent fliesst in die Taschen der Servicedienstleister und 29 Prozent geht für Hardware drauf. Die Schweizer Hardware-Fraktion beschäftigt sich im laufenden Jahr 2009 vor allem mit der Konsolidierung ihrer Server-Landschaft. In Konsequenz brach das Server-Geschäft im Vergleich zum letzten Jahr um 14 Prozent ein. Verlierer sind ausnahmslos die grossen Player: IBM (-15%), Fujitsu-Siemens (-14,9%), Sun (-14%), HP (-10,1%) und Dell (-9,9%). Auf der Software-Seite gewinnen Virtualisierungslösungen mehr und mehr an Zugkraft.
Hardware wird in Zukunft weltweit an Bedeutung einbüssen. Mit einigen wenigen Ausnahmen: Steigende Datenvolumina zwingen Unternehmen zum Ausbau ihrer Storage-Kapazitäten. Ein Drittel der von Computerworld befragten Unternehmen will in diesem Bereich nachrüsten. 27 Prozent der Betriebe wollen ausserdem die Mobilität ihrer Mitarbeiter durch den verstärkten Einsatz mobiler Endgeräte erhöhen. Dadurch geraten auch 2009 günstige Kleingeräte wie Netbooks ins Sichtfeld der Einkaufsabteilungen.

Branchenlösungen stark gefragt

Das mit Abstand wichtigste Software-Thema in Schweizer Unternehmen sind branchenspezifische Applikationen. 46 Prozent wollen im laufenden Jahr in diesen Bereich investieren. Branchenlösungen haben jedoch zwei sehr unterschiedliche Gesichter: Für Software-Anbieter ist ihre Entwicklung zeit- und kostenaufwendig, allenfalls der Software-Kern lässt sich auf andere Branchenlösungen portieren. Dem steht ein relativ kleiner, überschaubarer Zielmarkt gegenüber, was die Gewinnmargen senkt und die Preise in die Höhe treibt. Da wundert es nicht, dass Kunden ganz besonders über die hohen Software-Kosten meckern. In der nach Hardware, Software und Services aufgeschlüsselten Zufriedenheitsstatistik erhalten Preise für Software-Lösungen die schlechteste Note.
Auf sehr verhaltenes Interesse stossen bisher noch Open-Source-Software (OSS) und SaaS-Dienstleistungen (Software as a Service). Nur 13 respektive 11 Prozent der Schweizer interessiert sich dafür. Dabei wären gerade diese alternativen Beschaffungsmodelle in Krisenzeiten geeignet, die Kostenexplosion im Software-Sektor einzudämmen und gleichzeitig die Flexibilität sowie Skalierbarkeit zu erhöhen.

Schweizer SaaS-Angebote 2009

Noch stehen Schweizer IT-Verantwortliche OSS und SaaS eher zögerlich gegenüber. Aber die Stimmung könnte rasch umschlagen, denn im Laufe des Jahres gehen neue Lösungen an den Start: Die Schweizer Cirrus AG bietet ab Sommer 2009 SAP ERP 6.0 als SaaS-Dienstleistung an, mit stundenweiser Abrechnung. Swisscom geht im September mit einem Software-on-demand-Angebot für Office-Arbeiter an den Start. Microsoft vermietet ab sofort die Kommunikationslösungen seiner Business Productivity Suite, darunter Exchange, SharePoint, Office Communication und Office Live Meeting. Swisscom und Microsoft rechnen pro User und Monat ab.

Überhöhte Software-Preise

Was nervt Anwender bei Software, Hardware und Services am meisten? Was verdirbt Kunden die Stimmung und IT-Anbietern das Geschäft? In der Kritik stehen vor allem überhöhte Preise für Software-Lösungen und Serviceleistungen, fand Computerworld heraus. Insgesamt kassieren Software-Anbieter für ihre Leistungen die schlechtesten Noten. Unter Beschuss stehen aber nicht nur die in den Augen der Kunden horrenden Rechnungen, sondern auch die Kompatibilität und das innovative Potenzial der Produkte. Für eine Industrie, die sich selbst als Innovationsmotor versteht, kein gutes Zeugnis.
Die Software-Hersteller sehen das teilweise ganz anders. «Für die Installation und das Patchmanagement verteilen die Kunden nach Microsoft-eigenen Befragungen gute bis sehr gute Noten», sagt Claudia Wensch, verantwortlich für die Kundenzufriedenheit bei Microsoft Schweiz. Allerdings sieht sich der Software-Riese auch hierzulande mit der Meinung konfrontiert, dass seine Produkte generell unsicher seien. «Das strahlt stark auf das Urteil über die Produktqualität aus», gibt Wensch zu. Die generelle Qualität von Software und das Branchen-Know-how der Anbieter bewerten Kunden mit einer zwischen gut und zufriedenstellend angesiedelten Note 2,6.

Gute Hardware-Qualität

Mit der besten Note in Sachen Kundenzufriedenheit, einem (fast) glatten «gut», zeichneten die von Computerworld befragten IT-Manager die Qualität der Hardware aus. Anscheinend nehmen Hardware-Anbieter ihre Kundschaft ernster. HP und Lenovo haben zur Erfassung des Kunden-Feedbacks eigene Messsysteme installiert. «Die Resultate von allgemeinen und projektbezogenen Befragungen werden nach Problemkategorien sortiert, anschliessend starten wir Verbesserungsmassnahmen», sagt Werner Städeli, Manager Total Customer Experience & Quality bei HP Switzerland.
Insgesamt zeichnet die Zufriedenheitsstudie von Computerworld ein eher durchwachsenes Bild. Erschreckend ist auch ein anderes Ergebnis: Schweizer IT-Verantwortliche wissen, dass sie ohne ihre IT nicht überleben würden. Dennoch haben über 90 Prozent das Gefühl, das Potenzial ihrer Informationstechnologie nur ungenügend auszuschöpfen. Sie verschenken Marktchancen, vergeben Umsatzerfolge. Einige werden möglicherweise wegen dieser Defizite die Krise nicht überstehen.

Korrupte Datenbasis

Ein Grund für die weit verbreitete Unzufriedenheit mit der eigenen IT liegt in der mangelnden Qualität der Daten, die für strategische Entscheide als Grundlage herangezogen werden. Johannes Ritter, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Solution Matrix, weiss von einem solchen Beispiel in einer Schweizer Grossbank zu berichten. Korrupte Daten führten dort zu einem massiven Vertrauensverlust innerhalb des Hauses. Analysen widersprachen sich, das Risikomanagement traute den Zahlen der IT nicht mehr über den Weg. «Viele Manager resignierten und fällten schliesslich ihre Entscheidungen aus dem Bauch», erzählt Ritter.
Aber nicht nur beim Endergebnis, sondern auch bei der praktischen Durchführung von IT-Projekten hapert es. Lediglich 16 Prozent aller geschäftskritischen IT-Projekte lagen im vergangenen Jahr 2008 im Zeitplan. Der Rest dauerte länger als geplant und strapazierte die Geduldsfäden aller Beteiligten. 85 Prozent haben ihr Budget sogar massiv überschritten. Als Gründe nennen die Teilnehmer vor allem, dass zu viele Projekte gleichzeitig durchgeführt werden. Aber auch mangelnde Abstimmung zwischen Business und IT trägt gehörig dazu bei, dass viele IT-Projekte nur knapp an der Katastrophe vorbei schrammen.

Innovativer Weitblick

Um die Krise halbwegs unbeschadet zu überstehen und zukünftige Marktchancen zu nutzen, benötigen Schweizer Unternehmen nicht nur eine gehörige Portion Weitblick. Neue Ideen und Innovationen sind der Treibstoff des Erfolgs und sichern die entscheidende Nasenlänge Vorsprung vor der Konkurrenz. Die sitzt in Zeiten der Globalisierung im Übrigen nicht nur in Bern, Zürich oder Basel, sondern auch in Hongkong, Bangalore, San Francisco und Tokio.
Schweizer Unternehmen agieren mehrheitlich noch zu zögerlich, wenn es um den Einsatz neuer Lösungen geht, und verspielen damit möglicherweise die Zukunft. Das mag auch an einem falsch aufgestellten Management liegen. Das Beratungsunternehmen Detecon International zeigt, wie man durch eine geschickte Modulation des Innovationsprozesses die Erfolgsrate bei der Ideenfindung erhöhen kann. Aber auch Arbeitsüberlastung, Routine, Bürokratie und eine minutiöse Planung des Arbeitsalltags würgen dem Erfindergeist die Luft ab.

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Hier können Sie das Computerworld-Sonderheft "Swiss IT" bestellen. Die umfassende IDC-Studie zum Schweizer IT-Markt ist hier erhältlich.



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