24.02.2010, 06:00 Uhr

Leitsystem für den Netzwerkverkehr

Eine funktionierende Netzinfrastruktur ist heute lebenswichtig. Je effizienter die Datenströme fliessen, umso wettbewerbsfähiger ist ein Unternehmen.
APM in drei Schritten: sichtbar machen, optimieren, beschleunigen
Rüdiger Sellin ist Product Manager bei Swisscom (Schweiz) AG im Bereich Grosskunden
Die weitaus meisten Arbeitnehmer in der Schweiz arbeiten im Dienstleistungsbereich (über 75%). Besonders bei diesen im tertiären Sektor angesiedelten Firmen stehen Mitarbeiter und Kunden bei Kapazitätsengpässen im Firmennetz schnell mal im Stau. Die grosse Abhängigkeit von den Datennetzen kann aufgrund der stark schwankenden Verkehrslasten im Alltagsbetrieb zu erheblichen Problemen führen.
Da die relativen Kosten für die Bandbreite im nationalen Bereich seit Jahren sinken, wird bis heute eher verschwenderisch damit umgegangen. Die Kupfertechnologie ist bei den erreichbaren Bandbreiten praktisch ausgereizt. Daher setzt sich nun auch bei den Privatkunden fort, was in den 1990er-Jahren bei Geschäftskunden begann. Das Stichwort lautet hier Fibre To The Home (FTTH), wovon im Übrigen auch kleinere Büros, Filialen von Grosskonzernen oder deren Heimarbeiter profitieren. Der Trend verstärkt sich durch die lokal installierte Prozessorleistung der Endgeräte, die sich ebenfalls stetig nach oben bewegt. Attraktivere Preise für Glasfaserverbindungen beschleunigen zudem deren Verbreitung. Diese theoretisch verfügbaren Netzkapazitäten führen aber auch dazu, dass immer bandbreitenintensivere Anwendungen eingesetzt werden, was dann wieder die Leitungen verstopft - ein Teufelskreis.

Engpässe im Datennetz

Beobachtungen zeigen, dass sich die jahrelange Zentralisierung der Arbeitsplätze wieder umkehrt und Arbeiten eher verteilt erledigt werden - an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten. Damit wird die zu erwartende Netzlast immer unkalkulierbarer. Zusätzlich bestehen auf Applikationsebene nach wie vor Performance-Probleme. Viele IT-Verantwortliche wissen gar nicht, wie die tatsächliche Netzbelastung pro Applikation oder deren Performance in Echtzeit pro Standort, aussieht. So ist es oftmals unklar, ob technische Probleme an der IT-Infrastuktur oder Netzengpässe für eine mangelhafte Performance der Anwendungen verantwortlich sind. Eine Verdoppelung der Bandbreite von vermeintlich oder tatsächlich überlasteten Datenlinks garantiert z.B. keinesfalls die Beseitigung von Verkehrsengpässen. Hinzu kommt, dass im Zug der sich weiter fortsetzenden Globalisierung gerade multinationale Konzerne auf Standorte in verschiedenen Ländern verteilt sind. Die Kosten für Datenverbindungen ins Ausland sind aber deutlich höher als bei Inlandsverbindungen. Ineffiziente Netzstrukturen kosten dann auch mehr Geld.

Die Kostenfrage

Viele IT-Verantwortliche werden als interne Dienstleistungserbringer wahrgenommen. Sie sehen sich mit sinkenden IT-Budgets bei fortgesetztem Effizienz- und Spardruck konfrontiert. Neue Investitionen müssen daher möglichst aufwandsneutral erfolgen oder nach Investitionen signifikante Einsparungen bringen. Um zum Beispiel Wartezeiten bedingt durch WAN-Verkehr und Serverabfragen an verteilten Arbeitsplätzen zu minimieren, wären lokal installierte Server (etwa zur Datenspeicherung oder als Printserver) ein mögliches Mittel. Aufwendungen für Anschaffung und Unterhalt lokaler Server verschlechtern jedoch die Kostenbilanz, weshalb die meisten Applikationen weiterhin auf zentralen Servern laufen. Dies generiert signifikanten LAN-zu-LAN-Verkehr über das WAN des Telecom Providers. Gerade in öffentlichen IP-Netzen kämpfen jedoch viele IP-Datenströme um ihre Bandbreite. Zur Erreichung einer hohen Anwendungs-Performance beim Kunden sind der WAN-Betrieb und die Dienste der Endbenutzer darum effizient zu managen. Anwendungsbezogenene PerformanceTools fehlen jedoch heute fast völlig. In diesem Spannungsfeld setzt das netzübergreifende Application Performance Management (APM) an.

Analysieren und Priorisieren

APM managt den gesamten Datenverkehr von Kunden, die ihre lokalen Datennetze über Local Area Network Interconnect (LAN-I) verbunden haben. Im Fokus von APM steht dabei die Performance der Anwendungen, die über das WAN des Providers geführt werden. Dies können Echtzeitdienste mit oder ohne Videoanteil (etwa Videokonferenzen oder VoIP) oder auch höchst zeitkritische terminalbezogene Anwendungen wie SAP oder CRM over Citrix sein. Zunächst werden der Datenverkehr im Kunden-WAN und die Anwendungs-Performance pro Standort (A-H) analysiert und in drei Kategorien unterteilt (grün = keine, gelb = leichte bis mittlere, rot = starke Performance-Einschränkungen). Durch diese Visualisierung (siehe Grafik rechts) werden anwendungsbezogene Engpässe, etwa durch starken HTTP-Verkehr, schnell sichtbar. Danach legt der Kunde mit Unterstützung des Service Providers die Priorität aller Unternehmensanwendungen und PerformanceZiele fest. Dies erfolgt abhängig davon, wie geschäftskritisch eine Anwendung ist (top, high, medium, low).
Der Provider erarbeitet danach konkrete Vorschläge, wie das Unternehmensnetz und die darauf laufenden Anwendungen optimiert werden können. Dies könnte z.B. mit einer dynamischen Bandbreitenreservierung, einer fortschrittlichen Kompression und adaptiven TCP/IP-Beschleunigern geschehen. Zur Erreichung der Performance-Ziele berechnet der Provider präzise die erforderliche Bandbreite. Die Dimensionierung der Netzverbindungen erfolgt danach pro Standort.
Nach der Optimierung werden die Anwendungen schliesslich als Managed Service verwaltet, geleitet von klaren Performance-Zielen, welche der Kunde selbst festgelegt hat. Später können ohne Weiteres neue Anwendungen eingeführt werden, ohne zwangsläufig die Leitungskapazitäten zu erhöhen, was besonders bei Auslandsverbindungen zu direkten Einsparungen führt.

Ein Beispiel aus der Praxis

Swisscom bietet APM, basierend auf der Technologie von Ipanema, seit 2007 an und kann auf einige Kundenerfahrungen zurückblicken, z.B. bei der MediaConnect S.A. Zum Verwalten und Übertragen von Inseratedaten verwendet die Lausanner Agentur Anwendungen, die teilweise in Echtzeit funktionieren. Das Problem: Beim Übertragen grosser Datenmengen verzeichnete das Datennetz immer wieder Spitzen. Zwar war genügend Bandbreite vorhanden, jedoch verlängerte die kumulierte Menge der Anwendungen die Antwortzeiten der Server. Das reibungslose Funktionieren zentraler Anwendungen war beeinträchtigt, die Geschäftsprozesse teils massiv gestört.
Heute sorgt ein gemanagter APM-Service rund um die Uhr für die Einhaltung der Ziele, etwa die Senkung der Serverantwortzeiten. Das teure Erhöhen der Bandbreite ist dem Unternehmen erspart geblieben.

Kundenmitarbeit erwünscht

Ein weiterer Vorteil: Der Kunde ist vom ersten Moment an aktiv an der Lösung der Performance-Probleme beteiligt. Diese Lösung wird im Dialog gefunden und läuft nicht im iterativen Try-and-error-Verfahren ab. Oft findet das erste Aha-Erlebnis bereits bei der anwendungsbezogenen Visualisierung der Engpässe im
Datenverkehr zwischen den Standorten statt.
Die Festlegung der Performance-Ziele pro Anwendung steigert zudem die Zufriedenheit mit der installierten Lösung, weil die Benutzer meist schnell und unmittelbar eine Verbesserung im Tagesgeschäft spüren. Und schliesslich ist auch der Provider zufrieden, weil sein Netz wesentlich besser und gleichmässiger ausgelastet ist - eine klassische Win-Win-Situation.
Rüdiger Sellin



Das könnte Sie auch interessieren