21.04.2011, 10:26 Uhr

Vom Einfluss von YouTube auf die Politik

Im Iran, in Ägypten und Tunesien nutzen Bürger moderne Kommunikationsmittel um auf Missstände hinzuweisen. Ob sie damit eine Revolution auslösten, diskutierten Experten an der Universität Zürich.
Professoren Esser, Amirpur und Parthasarathi (von links) am Podium der Universität Zürich
Die Ereignisse rund um die Präsidentschaftswahlen im Iran vor drei Jahren waren beeinflusst durch Twitter & Co., die Proteste dieses Frühjahrs in Ägypten und Tunesien ebenfalls. Soweit waren sich die Teilnehmer einer Podiumsdiskussionan der Universitt Zrich zum Einfluss von neuen Medien auf die Politik einig. Welche Bedeutung die Massen-SMS, Tweets, Videos auf YouTube und Facebook-Fanpages wirklich hatten, darauf wollte sich keiner der Professoren festlegen. Am Beispiel Iran führte Katajun Amirpur, Professorin für Moderne Islamische Welt an der Universität Zürich, aus, dass die Technik Menschen heute befähige, Internetsperren und Medienzensur zu umgehen. Im Vorfeld der Abstimmungen habe die Opposition die Bürger des Iran mithilfe von zum Beispiel YouTube-Videos mobilisiert. Der Tenor der Filme lautete: «Jeder Nichtwähler ist eine Stimme für Machthaber Mahmud Ahmadinedschad.» Am Wahltag, dem 12. Juni 2009, erwarteten die Wähler laut ihren Twitter-Nachrichten, dass Mir Hussein Mussawi aufgrund der zahlreichen Stimmen der neue Präsidenten ist. Die Erwartungen wurden nicht erfüllt, was nach Veröffentlichung der vorläufigen Wahlergebnisse zu Protesten führte. Laut Amirpur wurden Facebook, Twitter und YouTube nun genutzt, um Demonstrationen zu organisieren. Bis zu drei Millionen Menschen gingen auf die Strassen. Da die Proteste andauerten, drosselte die iranische Regierung am 20. Juni 2009 die Internetleitungen auf eine Geschwindigkeit, mit der sich nicht einmal E-Mails empfangen lassen. Facebook, Twitter oder YouTube waren nicht mehr erreichbar. Dennoch gelang es den Regimegegnern, zum Beispiel der Londoner BBC Handy-Videos von Polizeiaktionen gegen die Demonstranten zuzuspielen. «Die iranische Regierung ist mittlerweile spezialisiert auf das Filtern und Blockieren des Internets. Talentierte Iraner haben aber auch gelernt, diese Filter zu umgehen», erklärte die Wissenschaftlerin. Das Beispiel Iran zeige ? wie auch die Entwicklungen in Ägypten und Tunesien ?, dass die Politik den modernen Kommunikationsmitteln eine gewisse Bedeutung zumisst, führte Amirpur aus. Anderenfalls würden nicht Filter und Blockaden installiert, um den Bürgern ihre Stimme zu nehmen. Nächste Seite: Facebook ist das falsche Medium Dass am Handy und Smartphone nutzbare Dienste wie Twitter oder YouTube bei den Protesten im Iran viel genutzt wurden, unterstrich Professor Vibodh Parthasarathi vom Centre for Culture, Media and Governance der Universität Neu-Delhi. PCs seien dort, in den Ländern Nordafrikas und auch in Indien weit weniger verbreitet, Mobilgeräte das mit Abstand meistgenutzte Kommunikationsmittel. Die kleinen Bildschirme seien für zum Beispiel Facebook ungeeignet. «Wenn ich persönlich investieren könnte, würde ich all mein Geld in Handys stecken», sagte Parthasarathi. In Indien verzeichneten die Mobilfunk-Provider enorme Zuwächse, während sich die Nutzung von Breitband auf die Grossstädte beschränke.

Massenmedien im Korsett

Für die Medienwissenschaften seien die Beispiele Iran, Ägypten und Tunesien zurzeit noch Momentaufnahmen und Einzelfälle, betonte Professor Frank Esser, Inhaber des Lehrstuhls für International vergleichende Medienforschung an der Universität Zürich. Häufig handle es sich um Spezialfälle, über die keine Aussagen generalisiert werden könnten. Im Gegensatz dazu hätten sich die etablierten Massenmedien zu einer einzigen Institution entwickelt, die ihrer althergebrachten Medienlogik gehorche. Laut Esser würden Artikel und Berichte mit bewährten Methoden recherchiert und in einheitliche Formate ? etwa Interview, Nachricht oder Portrait ? eingepasst. Die Politik habe sich unterdessen mit den Schemata der Traditionsmedien arrangiert. Demokratie werde in den Industrieländern heute getrieben oder gar verformt durch die Medienlogik, führte Esser vor Augen. Sowohl Amirpur, Parthasarathi als auch Esser sahen sich ausserstande, den Einfluss neuer Medien auf die Politik abschliessend zu bewerten. Von einer neuen Art von Berichterstattung durch die Verbreitung von modernen Kommunikationstechnologien in der Bevölkerung wollten die Professoren aber nicht sprechen.



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