27.04.2009, 13:45 Uhr

Von der Business Intelligence zur Process Intelligence

Schnelle Reaktionszeiten sind Voraussetzung für den finanziellen Erfolg eines Unternehmens. Wer Prozesse korrigieren kann, bevor sie aus dem Ruder laufen, hat einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Grafik 1: Process Excellence als Frühindikator für unternehmerischen Erfolg
Dr. Helge Heß ist Director Aris R&D, Product & Solution Management bei IDS Scheer, Dr. Tobias Blickle und Markus von den Driesch sind dort Product Manager Aris Process Intelligence
Viele Unternehmen haben erkannt, dass neben einem guten Produkt noch ein weiterer Faktor für den finanziellen Erfolg entscheidend ist. Die Frage, ob es gelingt, die Kundenerwartungen bezüglich Reaktionszeiten, Flexibilität und Servicequalität zu erfüllen, spielt in immer stärkerem Masse eine Rolle. Schon seit den 90er-Jahren wurde daher Prozessmanagement eingeführt, um funktionale Abteilungsgrenzen zu überwinden und den Einsatz der Mitarbeiter und Ressourcen auf die effiziente Bearbeitung der Kernprozesse des Unternehmens auszurichten (z.B. Lead-to-Order, Order-to-Cash, Procurement-to-Pay, Idea-to-Product). Neben der Ressourcen- und Kostenoptimierung führt die konsequente Ausrichtung der Prozesse nach den kritischen Erfolgsfaktoren eines Geschäftssegments im optimalen Fall zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit und infolgedessen zu höheren Erlösen (Siehe Grafik 1).

Business Intelligence in Prozessen

Process Intelligence verbindet analytische Software-Systeme und Kennzahlen mit den Abläufen des Unternehmens. Die Leistungsfähigkeit und Optimierungspotenziale der Prozesse und damit des operativen Geschäfts sind jederzeit transparent. Das Unternehmen entwickelt sich weg vom Krisenmanagement hin zu einer Organisation, die Fehlentwicklungen vorausschauend korrigiert, bevor Probleme gravierend werden.
Business Intelligence (BI), die Aufbereitung und Analyse unternehmenskritischer Kennzahlen, wurde in vielen Unternehmen als Automatisierung des Berichtswesens eingeführt. Wir erleben aber aktuell, dass sich die Anforderungen an analytische Systeme grundlegend ändern. Informationen über gelebte Prozesse und deren Bewertung sind ein wichtiger Frühindikator für die Leistung und Wertschöpfung eines Unternehmens. Gefragt sind Werkzeuge für das prozessorientierte Performance Management, die nahtlos eine strategische, taktische und operative Steuerung des Geschäfts ermöglichen. Die Integration der Themen Business Process Management und Business Intelligence bedeutet zum einen, dass analytische Komponenten als integraler Bestandteil bei der Ausführung von Prozessen eingesetzt werden, um die Prozessausführung möglichst effizient zu steuern und Entscheidungen zu unterstützen (Business Intelligence in Processes). Zum anderen ist damit die Nutzung von Analysetechniken gemeint, um die Prozesseffizienz zu messen, zu analysieren und Optimierungsmassnahmen (z.B. zur Reduzierung der Durchlaufzeit oder Fehlerquoten) einzuleiten (Business Intelligence about Processes).
Neue Anwendungskonzepte erlauben es Mitarbeitern der Fachabteilungen, in sehr effizienter Weise die Systeme auf ihren speziellen Informationsbedarf hin zu konfigurieren. Über das Internet sind Unmengen an Daten (z.B. Produkt-, Lieferanten-, Wettbewerber-, Preis-, Logistik-, Finanzinformationen) und Services, (RSS-Feeds etc.) verfügbar geworden. Mashup-Technologien (von engl.: «to mash» für «mischen») versprechen eine flexible Kombination von internen und externen Informationsquellen ohne Programmierung.
Unter den Schlagwörtern Event Processing und Business Activity Monitoring (BAM) werden Technologien subsumiert, die sich von der Analyse von Vergangenheitsdaten lösen. Der Fokus liegt hier auf dem Monitoring der aktuellen Situation beziehungsweise der aktuell laufenden Prozesse, um bei drohenden Problemen sofort korrigierend eingreifen zu können. Technologiesprünge wie die Ablösung von traditionellen Datenbanksystemen durch effiziente In-Memory-Technologien unterstützen diesen Trend.
Strategische Process Intelligence
Das Management eines Unternehmens ist interessiert an aggregierten, klar zu interpretierenden Darstellungen und erwartet eine Sicht auf die Kernprozesse des Unternehmens kombiniert mit Ampeln, Trendverläufen und Planabweichungen der wesentlichen Kennzahlen (Zeiten, Kosten, Qualität, Mengen, Risiken), um Entscheidungen zu Produktlinien, Lieferantenbeziehungen, Märkten und Vertriebskanälen zu treffen.

Taktische Process Intelligence

Die Aufgabe eines Prozessverantwortlichen (Process Owner) liegt darin, die Effizienz und Qualität der Prozesse zu garantieren. Dies kann nur durch ein kontinuierliches Controlling und Monitoring der Ist-Prozesse erreicht werden, wobei insbesondere die Aufdeckung systematischer Schwachstellen und Optimierungspotenziale hinsichtlich Mengen, Zeiten, Kosten und Qualität im Vordergrund steht. Typische Analysen zielen darauf ab, Korrelationen zwischen Kennzahlen und Dimensionen (wie Region, Auftragsvolumen, Vertriebskanal etc.) zu erkennen, zum Beispiel: «Die Liefertermintreue ist besonders schlecht bei Aufträgen, die ins Ausland geliefert werden - aber erst seit April diesen Jahres.» Oder: «Wie siehts bei den Aufträgen mit einem Volumen grösser 50000 Euro aus?»
Um Optimierungspotenziale zu identifizieren, reicht die reine Betrachtung von Kennzahlen in der Regel nicht aus. Vielmehr gilt es, die Struktur des Ist-Prozesses zu visualisieren und zu analysieren, um das tatsächliche Verhalten der Organisation zu erkennen (Grafik 2). Zum Beispiel: «Wie sahen die Abläufe in ihrer zeitlich-logischen Struktur für Grosslieferungen an ausländische Kunden im letzten Quartal aus? Wer war beteiligt?» Mittels ARIS Process Performance Manager entsteht diese Prozessdarstellung automatisch. Eine vorherige manuelle Modellierung ist damit überflüssig.
Man erhält so ein umfassendes Leistungsbild der betrieblichen Abläufe, sowohl auf quantitativer Ebene - durch objektive gemessene Kenngrössen - als auch auf qualitativer Ebene durch grafische Visualisierung der realen Prozessstruktur. Notwendig für diese Visualisierung der Ist-Prozesse ist die Festlegung der geeigneten Messpunkte - typischerweise im Umfeld einer heterogenen Systemlandschaft.Typische Anwendungsszenarien sind:
-Auftragsabwicklung: vom Kundenauftragseingang bis zu Rechnung und Zahlungseingang
- Beschaffung: von der Bedarfsanforderung bis zur Lieferung und Zahlung
- Kundenservice: von der Anfrage bis zur Lösung des Problems
- Recruitment: vom Erstkontakt mit einem
Bewerber bis zur Vertragsunterschrift
- Kreditabwicklung: von der Anfrage bis zur Bewilligung bzw. Ablehnung

Operatives Process Monitoring

Die Business-Modelle vieler Unternehmen wandeln sich ebenfalls in Richtung Echtzeit, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen:
- Kreditentscheidungen werden binnen Minuten online getroffen.
- Flug- und Hotelreservierungssysteme bieten eine Onlinesicht der verfügbaren Möglichkeiten.
- Bei der Einhaltung von Service Level Agreements bewegen sich die relevanten Zeiteinheiten oftmals im Stunden- oder sogar Minutenbereich.
Daraus abgeleitet verschieben sich die Anforderungen an Reaktions- und Antwortzeiten bei Finanzgeschäften, logistischen Prozessen und dem Management von Kundenbeziehungen ebenfalls mit grossen Schritten in Richtung Echtzeit, da Informationen häufig schon innerhalb eines Tages veraltet und nutzlos sind.

Analyse und Reaktion in Echtzeit

Klassische Business-Intelligence-Technologien stossen an ihre Grenzen, wenn es um operationales Monitoring von Geschäftsprozessen geht. Sowohl die Extraktion von Daten als auch die Analyse und Aufbereitung der Ergebnisse geschieht oftmals nicht ereignisgesteuert. Auch ein Monitoring von End-to-End-Prozessen wird nicht unterstützt. Mit dem Aris Process Event Monitor (PEM) ist eine neue Technologie entstanden, um zeitnahe Analysen direkt mit den operativen Abläufen zu verknüpfen. Die Korrelation von Ereignissen und die Visualisierung mittels (Realtime-)Dashboards ermöglichen es, in Echtzeit auf kritische Ereignisse zu reagieren. Eine performante und kontinuierliche Überprüfung der eingehenden Ereignisse identifiziert proaktiv kritische Situationen und ermöglicht es dem Anwender, sich auf die wirklich relevanten Ausnahmefälle zu konzentrieren und sofort die notwendigen Aktionen einzuleiten.
Dr. Helge Hess, Dr. Tobias Blickle, Markus von den Driesch



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