«Mit Mobile Shopping beginnt das Spiel bei null»

Die Bedingungen für Jungunternehmer

CW: Sie haben eben erwähnt, Amorana sei mittlerweile das bekannteste Start-up der Schweiz. Sie sind selbst noch viel länger als Gründer unterwegs. Wie haben sich in der Schweiz die Bedingungen für Jungunternehmen verändert in den vergangenen Jahren?
Frei: Mitte der 2000er-Jahre war die Start-up-Szene eine kleine, eingeschworene Gemeinschaft. Ausserdem waren die Jungunternehmer fast ausschliesslich in Zürich West zu Hause. Heute haben unter anderem auch Bern, Lausanne und nicht zuletzt Zug mit dem Crypto Valley eine Szene. Hier in Zürich sind es Tausende Leute. Ich begrüsse das, denn es bringt die Schweiz voran.
Hier will ich den Finanzmathematiker Nassim Taleb zitieren: Er sagt, Unternehmertum sei «antifragil». Im Kontrast dazu sind Banken fragil, denn wenn ein Institut in Schieflage gerät, reisst es die anderen mit. Das «antifragile» Unternehmertum hat den Effekt, dass ein gescheitertes Start-up zwar unschön ist, aber alle anderen aus den Fehlern lernen können. Wenn heute viel mehr Personen den Schritt in die Selbstständigkeit gehen, gibt es zwar auch mehr gescheiterte Versuche, aber auch viel mehr zu lernen.
Das Scheitern führte früher zu einem Stigma: Investoren haben damals einen grossen Bogen um diejenigen Gründer gemacht, die schon einmal mit ihrem Unternehmen gescheitert waren. Mittlerweile suchen die Geldgeber solche Leute schon fast, denn sie haben den früheren Fehler ja nicht bezahlen müssen. Der Gründer weiss dagegen bereits, was nicht funktioniert und warum.
CW: Erwächst tatsächlich langsam eine Fehlertoleranz  bei den Unternehmern in der Schweiz?
Frei: Ja, eine Fehlertoleranz entsteht. Ich erachte diese Entwicklung als sehr wichtig, denn sie fördert die «Antifragilität». Da ich sehr offensiv mit meinen Fehlern umgehe und über meine Erfahrungen gerne berichte, kann ich die Entwicklung an einem konkreten Anlass festmachen: den «FuckUp Nights». Ich war Sprecher am ersten Treffen im November 2015 im Cabaret Voltaire im Zürcher Oberdorf. Damals habe ich vor 20 Teilnehmern referiert. Die grösste «FuckUp Night» fand in diesem Jahr im Kraftwerk Zürich statt. Dort waren über 1000 Leute.
Amoranas Alan Frei erkennt kaum finanzielle Hürden für Jungunternehmer
Quelle: Samuel Trümpy
CW: Sind die Gesetze und Regularien heute besondere Hürden für eine Gründung?
Frei: Ein Gründer muss sich selbstverständlich an die Gesetze halten. Wie erwähnt ist allerdings meine Devise: «Ask for forgiveness, not for permission.» Das gilt insbesondere für die frühe Gründungsphase, wenn das Start-up für den Markt quasi noch irrelevant ist. Wenn das Unternehmen wächst, ist es unabdingbar, gute Anwälte zu haben. Sie müssen sich dann mit den Gesetzen beschäftigen. Die Gründer müssen darauf fokussieren, das Geschäft voranzutreiben.
CW: Ist das Geld heute noch ein Hemmnis für eine Unternehmensgründung?
Frei: Für die eigentliche Gründung sind die Finanzen das kleinste Problem. Wer zwischen 100'000 und vielleicht 4 Millionen Franken benötigt, findet immer einen Geld­geber. Unternehmer und wohlhabende Einzelpersonen sind froh, wenn sie in Start-ups investieren können. Denn Frau und Herr Schweizer sind traditionell extrem interessiert an Innovation und Unternehmertum im Generellen.
Am anderen Ende ist es ebenfalls kein Problem, in der Schweiz einen Kredit in Höhe von 100 oder 200 Millionen Franken zu bekommen. Die Banken wie Credit Suisse, UBS und weitere sind gerne bereit, solche Summen zu finanzieren, wenn das Business-Modell stimmt. Zwischendrin gibt es in der Schweiz allerdings ein «Valley of death». Wer für sein Unternehmenswachstum zwischen 5 und 50 Millionen Franken benötigt, hat ein riesiges Problem. Für diese Summen gibt es so gut wie keinen Geldgeber. So sind die grossen Schweizer Start-ups wie GetYourGuide mittlerweile ins Ausland abgewandert.
Neu treten in der Szene einige Unternehmen auf, die diese Lücke schliessen wollen: Die Mobiliar, die Swisscom und die Banken haben Investment-Vehikel aufgebaut, die hohe einstellige und zweistellige Millionenbeträge bereitstellen. Diese Entwicklung steht aber noch am Anfang und die Konzerne lernen noch, welches ihre besonderen Auf­gaben sind in der Start-up-Förderung.
CW: Hat sich die Gründermentalität der Schweizer Studierenden und Angestellten mittlerweile auch ver­ändert? Sind Start-ups als Arbeitgeber gefragt?
Frei: Ich beobachte jedenfalls während meinen Vorträgen an unterschiedlichen Universitäten, dass die A-Player nicht mehr automatisch zu McKinsey, den Grossbanken oder den Investmenthäusern gehen. Sie bekunden ernsthaftes Interesse an Start-up-Themen oder steigen bei Jungunternehmen ein. Wenn dann aber Google mit dem Versprechen lockt, den Absolventen die Start-up-Mentalität plus noch viel Geld zu bieten, ist die Verlockung für die meisten verständlicherweise doch sehr gross.



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