«Innovation sichert den Bestand unseres Betriebes»

Digitalisierungs-Tipps für Schweizer KMU

CW: Wenn Sie heute nochmals starten könnten – was würden Sie anders anpacken als damals?
Christen: Grundsätzlich würde ich noch einmal genau gleich vorgehen wie damals. Allerdings sähen meine Vorbereitungen anders aus. Denn der 3D-Drucker war damals eine Insel im Betrieb. Ich würde zunächst eine strategische Ebene einziehen und eine Digitalstrategie analog zur Unternehmensstrategie aufgleisen. Bei uns ging es anfänglich hauptsächlich um die Prozessoptimierung: Mit dem Drucker werden wir schneller, kosteneffizienter und steigern den Automatisierungsgrad. So war das Versprechen, das wir uns gemacht hatten. Dabei hatten wir nicht berücksichtigt, dass sich nicht alle bisherigen Prozesse einfach so digitalisieren lassen. Und ausserdem, dass es wie in jedem KMU Schattenprozesse gibt, die nebenbei mitlaufen, weil irgendwer diese Aufgaben erledigt, ohne gross darüber zu sprechen.
CW: Was wäre Ihr Ausgangspunkt gewesen?
Christen: Der erste Schritt hätte sein sollen, Daten zu den betrieblichen Abläufen zu sammeln. Anhand dessen lies­sen sich Defizite und Lücken identifizieren. Dann zeigt sich, wie eine bestehende Geschäftsstrategie zu einer Digitalstrategie passt und der entsprechende Mehrwert erzielt werden kann. Da wir diesen Schritt nicht zuerst gegangen sind, mussten wir zum Beispiel die Datensammlung quasi im laufenden Betrieb nebenbei mit erledigen. Ohne wirklich präzise zu wissen, welche Kosten für die Herstellung eines herkömmlichen Gussteils entstehen, konnten wir nicht kalkulieren, ob sich der 3D-Druck für das eine oder das andere Bauteil lohnt. Die Nebenbei-Dokumentation hat viel Unruhe in den Betrieb gebracht, zusätzliche Kosten verursacht und Zeit gekostet, was alles hätte vermieden werden können.
CW: Würden Sie einem Betrieb, der noch am Anfang steht, raten, die Prozessdokumentation selber zu erstellen? Oder sollte ein Unternehmensberater helfen?
Christen: Ein Betrieb unserer Dimension weiss selbst am besten, wie seine Prozesse funktionieren. Für die Dokumentation kann externe Hilfe sicher nützlich sein und den Prozess beschleunigen, wenn sie bezahlbar ist. Bei der Umsetzung rate ich allerdings klar davon ab, sie von Externen allein machen zu lassen. Denn der Betrieb muss die Transformation so gestalten, dass das Prozessverständnis auch weiterhin im Unternehmen vorhanden ist und sogar gestärkt wird. Am Ende muss es auch digital funktionieren wie zuvor, was von innen heraus kommen muss. Das kann niemand übernehmen, auch wenn die Software- und IT-Hersteller noch so tolle Versprechen machen.

Die Grenzen der Digitalisierung

CW: Wenn wir schon dabei sind – was bedeutet Digitalisierung für Christenguss?
Christen: Für Christenguss war und ist Digitalisierung die riesige Chance, unser Geschäft für die Zukunft aufzustellen. Nebenbei schafft Digitalisierung grosse Transparenz, die viel Stabilität in den Betrieb bringt. Ich denke hier nicht nur an die Ist-Situation, sondern im Bereich der Produktion auch an Themen wie Predictive Maintenance. Im Finanzbereich lässt sich zum Beispiel anhand von Marktdaten die Planung verbessern. Allerdings ist Digitalisierung auch mehr als das digitale Abbild eines bestehenden Prozesses. Ansonsten wäre das Ganze alter Wein in neuen Schläuchen. Es müssen auf der Grundlage einer Dokumentation und Analyse die Prozesse zumindest neu gedacht werden. Wenn sich dann herausstellt, dass es nichts zu verbessern gibt, kann natürlich so weitergearbeitet werden. Allerdings ist das tatsächlich eher selten der Fall, so meine Erfahrung.
Teilweise gehen Digitalisierungsvorhaben aber auch zu weit – zumindest für uns als KMU. Ein Beispiel wäre ein CRM (Customer Relationship Management) wie Salesforce. Wir haben tatsächlich überlegt, ein solches System einzuführen. Während der Evaluation der verschiedenen Lösungen stellte sich dann heraus, dass die CRM-Funktionalität in unserem ERP – GussInfo – derzeit noch vollkommen ausreichend ist. Ein eigenes CRM wäre natürlich schön, aber es muss auch genutzt werden. Das ist bei einem Betrieb unserer Grösse einfach nicht realistisch.
Florian Christen hat für Christenguss die Grenzen der Digitalisierung erkannt
Quelle: Samuel Trümpy
CW: Wo Sie das ERP ansprechen – wie ist die IT von Christenguss aufgestellt?
Christen: Wir haben früh den lokalen Server abgelöst und sind in die Cloud gewechselt. Die Kosten für die Hard- und Software waren der eine Grund, die erforderliche Wartung der zweite und der bessere Schutz vor Cybergefahren ein dritter. An der Cloud gefällt mir die Skalierbarkeit, wenn Mitarbeiter aus dem Betrieb ausscheiden oder wir neue Kollegen gewinnen. Dann genügt eine E-Mail an unseren Provider und die erforderlichen Änderungen sind innerhalb von Minuten erledigt.
CW: Sprechen Sie von einem globalen Provider oder einem lokalen Anbieter?
Christen: Es ist ein Schweizer Dienstleister mit Rechenzentren im Inland. Den Entscheid haben uns bestimmte Kunden abgenommen, die bei Geschäften eine Datenhaltung in der Schweiz explizit vorschreiben. Somit liegen sämt­liche Produktionsdaten in der Schweiz, die Aufträge, E-Mails und Rechnungen ebenfalls.
CW: Waren für den Betrieb des 3D-Druckers Änderungen an der Informatik notwendig?
Christen: Nein. Die IT-Infrastruktur für den Drucker ist vollkommen isoliert. Natürlich gibt es Verbindungen zum CAD-Arbeitsplatz, dabei handelt es sich aber um Standardschnittstellen, sprich das Netzwerk.



Das könnte Sie auch interessieren