«Der Finanzsektor fragt mehr Analytics nach»

Nachwuchssorgen an den Hochschulen

CW: Die akademische Forschung setzt häufig auf Open Source bei der Datenanalyse. Welche Rolle spielt SAS an den Universitäten?
Green: Sie sprechen ein sehr wichtiges Thema an, das oben auf meiner Agenda steht. Denn tatsächlich setzen viele Wissenschaftler heute auf Tools wie Python und R, weil die Anwendungen für ihre Einsatzzwecke passend sind.
So sind wir im akademischen Bereich insbesondere in der DACH-Region nicht mehr so präsent. In den USA gibt es weiterhin Curricula für unsere Programme. SAS unterstützt dort die Ausbildung mit speziellen Lizenzen. Diese Angebote gibt es natürlich ebenfalls in Europa und der DACH-Region, sie werden aber leider nicht so gut angenommen. Es ist ein Anliegen für mich in der nahen Zukunft, SAS in der Forschung und Lehre wieder stärker zu positionieren.
CW: Welche anderen Lücken sehen Sie heute im Port­folio von SAS?
Green: Erst jüngst haben wir einige Lücken geschlossen. Denn bis anhin waren wir darauf fokussiert, statistische Methoden und Modelle innerhalb unserer Plattform zu ent­wickeln. Neu haben die Anwender jeweils die Wahl, ob sie einen Algorithmus mit den SAS-Werkzeugen oder mit alternativen Methoden programmieren wollen. Die erwähnten Python und R sind hier Beispiele, die neuerdings gut in SAS integriert werden können.
Noch Nachholbedarf haben wir bei den Update-Prozessen für unsere eigenen Lösungen. Die Administratoren haben teils grossen Aufwand, die Produkte auf dem neusten Stand zu halten. Wir wollen die Prozesse vereinfachen und so reibungslose Updates ermöglichen. Mit Viya und anderen Cloud-Lösungen sind wir auf einem guten Weg.
CW: Bis anhin war es noch schwierig, Personal für die Datenanalyse zu finden. Sind die fehlenden Fachkräfte mittlerweile keine Herausforderung mehr?
Green: Das Problem ist nicht mehr so gross wie auch schon. SAS hat in den vergangenen Jahren viel für die Bedienbarkeit seiner Software getan. Während sich SAS 9.x noch eher an erfahrene Programmierer und Statistiker wandte, können Viya und die Visual-Analytics-Produkte durchaus von Fachanwendern bedient werden. Das Programmieren oder tiefgreifende Statistikkenntnisse sind nicht mehr un­bedingt notwendig für die Aufbereitung und Analyse der Daten beziehungsweise die Interpretation der Ergebnisse.
Wenn gewünscht, können die Experten aber auch mit den neuen Tools an der Befehlszeile arbeiten, die automatisch generierten Statistikroutinen editieren oder Prozesse modifizieren. Hier hat unser Team rund um unseren Forschungs- und Entwicklungsleiter Udo Sglavo schon bemerkenswerte Arbeit geleistet.
Weiter programmieren Sglavo und sein Team neue Algorithmen, die bei der Interpretation der statischen Testergebnisse helfen sollen. In Zukunft soll niemand mehr Mathematik oder Ähnliches studiert haben müssen, um Datenanalysen mit SAS-Software zu rechnen. 
CW: Ist die Spracheingabe eine Technologie, die Sie für analytische Anwendungen testen?
Green: Eher nicht. Ein Sprach-Interface für diese Anwendungen erscheint mir schwierig zu realisieren. Denn die Sprache öffnet viel Interpretationsspielraum und erfordert Kontext. Nehmen Sie beispielsweise Türkisch, in dem ein Wort unterschiedliche Bedeutungen haben kann und im Zusammenhang mit einem Geschlecht anders betont wird. Zunächst muss die Technologie noch grosse Fortschritte machen, bis zum Beispiel Alexa die Interpretation von statistischen Analysen übernehmen kann.
Zur Firma
SAS Institute
wurde 1976 gegründet. Die Geschäftsgrundlage war das Statistical Analysis System (SAS), mit dem acht US-amerikanische Universitäten landwirtschaftliche Datensätze auswerteten. Das Unternehmen befindet sich weiterhin in Privatbesitz der Mitgründer Jim Goodnight und John Sall. Die rund 14'000 Mitarbeiter sowie über 83'000 Kunden in 147 Ländern generierten 2018 einen Umsatz von mehr als 3,2 Milliarden US-Dollar.



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