«Wir müssen digitalisieren»

Die Umsetzung

CW: Welche konkreten Anwendungen haben Sie neu mit ServiceNow umgesetzt?
Nicke: Wir haben bereits drei Anwendungen realisiert. Eine ist das Portal namens «Kuss», kurz für «Kunden Self-Service». Es dient Elektroinstallateuren, Bauunternehmern und Planern beispielsweise während des Neubaus eines Hauses. Sie können sich in dem Portal über allfällige Stromleitungen auf dem Grundstück informieren. Vor der Bauphase können sie eine Stromversorgung für die Baustelle bestellen, sprich, einen provisorischen Hausanschluss­kasten mieten. Ist das Haus fertig, können auch der feste Haus­anschlusskasten und die Zähler bestellt werden. Bei allen Schritten sind bestimmte Kontrollen vorgeschrieben, die alle ebenfalls in Software gegossen wurden. So haben der Ins­tallateur, der Bauherr und alle anderen beteiligten Dienstleister inklusive uns immer den Überblick über den aktuellen Stand des Projekts.
CW: Können Sie den finanziellen Benefit der neuen Plattform quantifizieren?
Nicke: Nur beispielhaft: Wenn man im Portal eine Installationsanzeige einstellt, dauert dies für den Standardfall maximal drei Minuten. Im alten Portal waren es sicher geschätzt zehn Minuten. Weiter spart sich der Installateur viel Aufwand. So liessen sich früher in das Formular für eine Ins­tallationsanzeige viele Daten eintragen, die gar nicht unbedingt notwendig oder richtig waren. Oder es konnten Einträge an der falschen Stelle gemacht werden. Im neuen Portal sind Logiken implementiert, die alle erforderlichen Daten abfragen. Bei bestimmten Einträgen können dann nur noch einige wenige Parameter ausgewählt werden, alle anderen sind ausgeschlossen. Beim Umbau einer Liegenschaft mussten auf dem Papier alle Daten neu eingetragen werden. In dem Portal lassen sich die Informationen aus den Stammdaten importieren, sodass nur noch die Angaben für den tatsächlichen Umbau erforderlich sind.
CW: Welchen zweiten Geschäftsprozess haben Sie in der Software abgebildet?
Meyer: Die erwähnte «periodische Kontrolle». Das Gesetz schreibt vor, dass jede Elektroinstallation nach 20 Jahren Betrieb durch ein unabhängiges Kontrollorgan geprüft werden muss. Die Herausforderungen hier sind erstens der vergleichsweise lange Zeitraum zwischen Installation und Prüfung. Und dann folgt plötzlich eine Aufforderung zur periodischen Kontrolle. Zweitens ist das Finden eines unabhängigen Kontrollorgans für den angeschriebenen Kunden schwierig. Diese Unternehmen müssen zertifiziert sein und es darf nicht der ursprüngliche Installateur sein. Und drittens die drakonische Strafandrohung durch das Eidgenössische Starkstrominspektorat ESTI, wenn der Kunde sich der Kontrolle verweigert oder diese auch nur vergisst.
Bei rund 10'000 Prüfungen pro Jahr waren früher viele Excel-Listen und manuelle Arbeiten allein für die Koordination erforderlich. Wir wollten diesen Prozess so einfach wie möglich gestalten.
“In „Paktika“ habe ich gelernt, wie die Prozesse bisher funktionierten„
Nastasja Nicke
CW: Wie haben Sie den Prozess umgesetzt?
Nicke: Um die Prozesse zu verstehen, habe ich anfangs jeweils ein «Praktikum» bei den Sachbearbeitern absolviert. Die zuständige Kollegin empfing die Sicherheitsnachweise für die periodische Kontrolle meistens per E-Mail, teils aber auch per Post. In ihrem Büro hatte sie drei Stapel aufgehäuft, die den jeweiligen Status – Erinnerung, erste Mahnung, zweite Mahnung – symbolisierten.
Wir haben nun versucht, den Prozess weitestgehend zu standardisieren: Die erstmalige Aufforderung zur periodischen Kontrolle wird im Vorfeld des eigentlichen Termins verschickt. Geht der Sicherheitsnachweis nicht fristgerecht bei uns ein, schicken wir dem Kunden eine Mahnung, parallel verlängern wir die Kontrollfrist auf das gemäss Verordnung mögliche Maximum, sprich ein Jahr. Alle weiteren Fristen für Erinnerung und Mahnungen wurden ebenfalls programmiert, sodass die manuelle Verwaltung entfällt.
Die Kunden können ein unabhängiges Kontrollorgan beauftragen, das anschliessend die Prüfung der Elektroinstallation in dem Portal koordinieren und dokumentieren kann. Nach Abschluss können wir den Fall im SAP archivieren, denn wir sind gegenüber dem ESTI auskunftspflichtig.



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