WeTab 29.09.2010, 14:21 Uhr

deutscher iPad-Herausforderer im Test

Das WeTab hatte einen schlechten Start: Der deutsche iPad-Herausforderer erwies sich in ersten Vorführungen als Rohrkrepierer. Was taugt das fertige Produkt?
Das WeTab war im Frühjahr noch als WePad angetreten, um Apples iPad Konkurrenz zu machen. Doch nach misslungenen Präsentationen erster Vorseriengeräte wurde das deutsche Tablet zur Lachnummer.
Jetzt kommt das WeTab tatsächlich auf den Markt: Der Hersteller gibt offen zu, dass vieles, was versprochen wurde, noch nicht funktioniert: Zum Beispiel lassen sich Eingaben noch nicht via Multitouch durchführen. Android Apps sollte das WeTab ursprünglich in einer virtuellen Maschine unterstützen: Auch diese Funktion fehlt noch.
Der Hersteller verspricht jedoch, dass ein Update noch in dieser Woche diese Mängel beseitigen soll. Ausserdem ist für Anfang Oktober ein weiteres Update angekündigt, das unter anderem das Mailprogramm verbessern soll. Im Dezember will WeTab dann ein umfassendes Update mit Bugfixes und neuen Funktionen ausliefern - sozusagen ein Service Pack. Doch diese Ankündigungen verstärken den Eindruck, dass das WeTab noch unfertig ist.
Aktuell steht das WeTab 3G beim Onlinehändler Amazon in zwei Varianten zur Verfügung:
- WeTab 16GB (Bluetooth 2.1 + EDR, Wi-Fi) für 449 Euro (umgerechnet rund 591 Franken)
- WeTab 32GB (UMTS, Bluetooth 2.1 + EDR, Wi-Fi, GPS) für 569 Euro (umgerechnet etwa 750 Franken)
Das gilt aber nur für die Software: Die Verarbeitung des Magnesiumgehäuses ist gut. Das Gerät fühlt sich stabil und wertig an. Drückt man allerdings etwas fester auf die Rückseite, knarzt das Tablet. Die Vorderseite nimmt der berührungsempfindliche Bildschirm ein: Display und Display-Rahmen liegen wie beim iPad hinter einer Glasscheibe. Unten ist der Rahmen breiter als oben: So weiss man immer, wie man das WeTab halten muss. Dreht man das Tablet aber ins Hochformat, sticht der asymmetrische Rahmen sofort unangenehm ins Auge.
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Vorteil: offene Plattform
Das WeTab gibt sich offener und flexibler als das Apple iPad und auch als die meisten Android-Geräte. Das beginnt schon bei den Schnittstellen: Das WeTab hat zwei USB-Buchsen: Diese unterstützen zum Beispiel USB-Sticks und Festplatten. Allerdings zeigte der Dateibrowser des WeTab keine Inhalte auf NTFS-formatierten Speichern an. Fotos lassen sich einfach per SD-Kartenleser auf das WeTab befördern. Eine Internetkamera bringt das Gerät ebenfalls mit. Über einen Mini-HDMI-Ausgang an der linken Gehäuseseite kann man Filme und Fotos vom Tablet auf einem Fernseher ausgeben: Das passende Kabel wird aber nicht mitgeliefert.
Unser Testgerät war das WeTab mit 32 GB internem Flash-Speicher und 3G-Modem: Das Mobilfunkmodem arbeitet mit einer Standard-SIM-Karte. Allerdings erkannte das Tablet eine eingelegte SIM-Karte erst nach einem Neustart. Die Surf-Geschwindigkeit über HSDPA war ordentlich. Ausserdem bietet das WeTab WLAN und Bluetooth zum Anschluss an ein kabelloses Netzwerk. Das WLAN-Modul unterstützt WPA/WPA2-Verschlüsselung und merkt sich auch Funknetzwerke, mit denen es schon einmal verbunden war. Allerdings baut es die Verbindung zu bekannten Routern nicht automatisch auf, sondern erst nachdem man den «Verbinden»-Knopf drückt.
Software
Ein Basis-Software-Paket ist auf dem WeTab bereits vorinstalliert. Darunter finden sich ein Musik- und Videoplayer, ein Kalender und ein Adressbuch. Zudem kann man mit dem WeTab vom Start weg Office-Dokumente wie Texte und Tabellen erstellen und bearbeiten, da OpenOffice installiert ist. Als E-Book-Reader ist der FbReader installiert: Allerdings kann das WeTab bei diesem Programm das Bild nicht ins Hochformat drehen. Des Weiteren unterstützt der Reader keine Geste fürs Umblättern. Als Ebook-Reader kann das WeTab daher nicht überzeugen. Dazu kommt, dass es derzeit noch keine Zeitungs- und Zeitschriften-Apps für das Gerät gibt.
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Im Startmenü - der so genannten Pinnwand - befinden sich neben den Icons für die installierten Programme noch weitere Verknüpfungen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Apps, sondern nur um Links auf Webseiten, zum Beispiel Youtube. Ähnlich sieht es im WeTab Market aus: Im speziellen Online-Software-Angebot für den Tablet-PC gibt es derzeit nur sehr wenige echte Programme, etwa den Acrobat Reader, den Google-Browser Chromium oder den Messenger Empathy. Fast alle anderen Angebote sind wieder nur Web-Links. Hier muss WeTab unbedingt noch nachbessern: Einen Zugriff auf den Android Market wird es zwar nicht geben, denn das WeTab erfüllt dafür nicht die Bedienungen von Google. Doch es soll möglich sein, auf andere Android-App-Verzeichnisse zuzugreifen. Ausserdem wird das WeTab Zugriff auf Intels AppUp-Markt bekommen. Doch dort sind die meisten Apps noch auf Netbooks und nicht auf Tablets zugeschnitten.
Ob das WeTab schon bald mit mehr Software verpflegt wird, ist unklar: Ein Entwickler-Kit für das Tablet wird es erst im Dezember geben. Das WeTab unterstützt auch Multi-Tasking: In einem Menü zeigt das Tablet alle geöffneten Programm- und Browserfenster verkleinert an. So kann man sie bequem schliessen oder zwischen ihnen wechseln.
Multimedia
Die Offenheit des WeTabs zeigt sich vor allem im problemlosen Umgang mit verschiedenen Video- und Audioformaten: Anders als das iPad oder Android-Tablets spielt das WeTab vom Fleck weg fast alles ab, was man ihm vorsetzt. Auch weniger verbreitete Formate wie Ogg und Flac bereiten dem WeTab keine Probleme. Ob Container wie MP4, MKV oder AVI, ob Codecs wie Xvid oder H.264 - das WeTab gibt alles flüssig wieder, selbst in HD-Auflösung.
Bei Flash-Videos schneidet das WeTab nicht so gut ab: Zwar spielt es im Gegensatz zum iPad auch Videos von Webseiten ab. Meist klappt das aber nicht flüssig, häufig laufen Bild und Ton nicht synchron. Auf YouTube funktionieren viele Videos in Standard-Auflösung ohne Ruckeln, doch an Webvideos in HD-Videos scheitert das WeTab.
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Bedienung
Während beim iPad meist der Zeigefinger als Mausersatz dient, wird beim WeTab der Daumen zum zentralen Steuerelement. Hält man das Tablet im Querformat in beiden Händen zeigt es je nach Programm am linken Rand Bedienfelder an, die sich bequem mit dem Daumen erreichen lassen. Am rechten Rand erscheint immer die Menüleiste für die Pinnwand: Dort kann man die Pinnwand-Icons neu anordnen, den Browser starten oder die Tastatur einblenden. Zudem befindet sich dort eine verkleinerte Übersicht der Pinnwand, damit man schnell per Daumen zur gewünschten Programmverknüpfung scrollen kann. Ungewohnt für iPad- oder Android-Nutzer: Beim WeTab scrollt man vertikal durch den Startbildschirm und blättert nicht per Wischbewegung durch Menüseiten.
Die Idee der Daumensteuerung ist sinnvoll, hat aber Schwächen: Zum Beispiel ruckelt der Bildschirm beim vertikalen Scrolling durch die Pinnwand oder auch im Browser. Manchmal ist die Daumensteuerung auch ein etwas umständlicher Ersatz für die fehlende oder nicht flüssig funktionierende Gestensteuerung. Schliesslich unterstützen einige Programme - zum Beispiel OpenOffice - die Daumennavigation gar nicht, obwohl sie dort besonders nützlich wäre. Im Fotobetrachter würde man sich dagegen die übliche Wischgeste wünschen: Doch stattdessen muss man mit dem Finger kleine Menü-Icons treffen.
Die Bedienung des WeTab hakt auch an anderen Stellen: Beim Scrollen durch Webseiten ruckelt der Bildschirm merklich, manchmal stoppt die Bildbewegung auch, obwohl man mit dem Finger weiter wischt. Schnellere Wischbewegungen setzt das WeTab nicht in schnelleres Scrolling um. Da das Gerät (noch) keinen Pinch-Zoom unterstützt, vergrössert man Webseiten durch zweimaliges Tippen: Doch es dauert meist mehrere Sekunden, bei komplexeren Webseiten sogar über zehn Sekunden, bis die Webseite vergrössert dargestellt wird. Das uneinheitliche Bedienkonzept des WeTab zeigt sich auch in Kleinigkeiten. Auf der Pinnwand abgelegte Lesezeichen öffnet man beispielsweise mit einem Fingertipp, bei Programmverknüpfungen muss man zweimal drücken. Das WeTab besitzt einen Lagesensor: Doch die meisten Anwendungen unterstützen nur eine 180-Grad-Drehung - man kann das WeTab also wahlweise mit den Schnittstellen links oder rechts halten. Nur im Browser dreht das Tablet den Bildinhalt auch hochkant. Sehr störend: Beim Drehen wird der Bildschirm meist kurz dunkel. Das wirkt nicht elegant, und geht bei anderen Tablets flüssiger.
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Browser-Leistung
Flüssig funktionierte auch das Surfen im Internet mit dem WeTab: Der Browser arbeitete schnell und schlug bei Javascript- und Rendering-Tests wie Sunspider oder Browsermark auch das iPad. Beim Test künftiger Webformate wie HTML5 oder CSS3 schnitt das WeTab ebenso überzeugend ab.
Bildschirm
Der Bildschirm des WeTab bietet mit 11,6 Zoll eine grössere Diagonale und mit 1366 x 768 Bildpunkten eine höhere Auflösung als das iPad (9,7 Zoll, 1024 x 768). Besser ist er aber nicht: Er ist beispielsweise sehr winkelabhängig, sowohl bei vertikaler wie horizontaler Draufsicht. Selbst wenn man das Tablet bei der Ansicht im Querformat nur wenig aus der idealen Blickwinkel kippt, verliert das Bild sofort an Kontrast und Farbsättigung. Auch bei der Helligkeitsmessung schnitt das WeTab mit maximal 182 cd/m2 nur sehr mittelmässig ab. Zum Vergleich: Der Bildschirm des iPad strahlt mit 330 cd/m2.
Akkulaufzeit und Gewicht
Mit einem Gewicht von 1020 Gramm wiegt das WeTab rund 300 Gramm mehr als das iPad. Sehr schmal fällt dagegen seine Akkulaufzeit aus: Bei der Wiedergabe eines Videos von der Festplatte und maximaler Bildschirmhelligkeit war nach rund drei Stunden Schluss - das iPad hält bei derselben Aufgabe mehr als doppelt so lange durch.
Ergonomie
Schon nach kurzer Betriebszeit erwärmt sich das WeTab spürbar auf der Rückseite. Zwar wird der Tablet-PC auch nicht unangenehm heiß, doch bei Smartphones oder Tablets ist man so etwas nicht gewohnt. Gleiches gilt für den Lüfter: Er arbeitet fast ständig und ist in ruhiger Umgebung deutlich zu hören. Ein klarer Minuspunkt für das WeTab.
Fazit
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn das WeTab nicht so viel versprochen hätte. Denn das, was schon funktioniert, tut des eigentlich ganz gut: Das WeTab ist also auf keinen Fall ein schlechtes Tablet. Doch der Test zeigt, dass es derzeit absolute keine Konkurrenz für das iPad ist. Das liegt aber nicht an den fehlenden Funktionen, sondern an grundsätzlichen Defiziten des Tablets. Denn bei Akkulaufzeit, Bildschirmqualität, Bedienung und Ergonomie liegt das WeTab weit hinter Apple zurück. Ob es aufgrund seines offenen Systems und innovativer Ideen wie der Android-Einbindung das iPad überholen kann, muss es noch beweisen.
Derzeit ist es daher nur für Anwender zu empfehlen, die bereit sind, das Tablet bei sich reifen zu lassen. Wer dagegen sofort ein Rundum-Sorglos-Tablet will, muss zum iPad greifen, für eine vergleichbare Ausstattung aber auch mehr Geld ausgeben.
Dieser Testbericht stammt im Original von unserem deutschen PC-Welt-Kollegen Thomas Rau



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