Treffen der Software-Elite

Insgesamt 350 Teilnehmer aus aller Welt waren am 22. Oktober nach Zürich-Oerlikon gekommen, um sich über aktuelle Software-Trends zu informieren, ausgiebig zu Fachsimpeln und abends dann gemeinsam ein Bierchen zu trinken. Allerdings müssen sie sich neue Kneipen suchen, denn die Zürcher Jazoon 2013 hat die Lokation gewechselt: Die Cinemaxx-Kinosäle in Sihlcity Nord seien aus finanziellen Gründen nicht mehr attraktiv gewesen, sagte Co-Organizer Ulrich Schwar. Deshalb sei man umgezogen: in die StageOne Event and Convention Hall in Zürich-Oerlikon. Ein echter Glücksfall: Denn das technische Ambiente der Convention Hall passt viel besser zum Charakter des Event als die Traumwelt Hollywoods.

Die Eröffnungskeynote hielt Joe Justice von Wikispeed, und dabei ging es gar nicht um neue Programmiersprachen, Software-Architekturen oder Mainboards - sondern um Arbeitstechnik. Justice warf einen Blick weit über den Tellerrand hinaus. Wikispeed baut ultra-effiziente, extrem kostengünstige Automobil-Prototypen. Das Ziel ist nichts Geringeres als die Welt zu verbessern. "Um unsere Arbeitsgeschwindigkeit zu erhöhen haben wir uns in Scrum-Teams organisiert", berichtetet Justice. Scrum ist eigentlich eine Technik aus der agilen Software-Entwicklung, und auch deren Komponenten-Architektur hat Wikispeed übernommen. «Den Wikispeed Roadster hat ein Team von Nicht-Technikern auf der Agile 2012 in zweieinhalb Stunden zusammengebaut», berichtet er stolz. Das scheint auch in der sehr effizienzsüchtigen Automobilbranche ein einsamer Rekord zu sein, denn danach standen gestandene Traditionsfirmen Schlange bei Wikispeed. Der amerikanische Technologiekonzern Lockheed Martin fragte an, ob Wikispeed nicht 250 seine Ingenieure schulen könne. Wir wollen so schnell arbeiten wie ihr, gab man als Begründung an. Auch der Schweizer Labor- und Biopharma-Hersteller Tecan in Männedorf bestellte die Super-Scrum-Optimierer zu sich ins Haus, um von ihnen zu lernen. Mit "extreme manufacturing" könne man die ganze globale Wirtschaft verbesssern, rief Justice ein wenig missionarisch ins Publikum. Auch in der Massenfertigung sieht er noch viel brachliegendes Potenzial. Das neueste Projekt sei das Wikispeed Microhouse mit Schlafzimmer, Badezimmer und verschliessbarer Haustür für unter 100 US-Dollar - als Alternative für Obdachlose gedacht. Das optimierte, etxrem schnelle Scrum Manufacturing erlaubt den beispiellos niedrigen Kaufpreis. "Es gibt bereits einen Prototypen, aber es liegt auch noch viel Arbeit vor uns", sagte Justice. Es ist wohl wahr, Wikispeed will die Welt verbessern.

Ein gelungener Auftakt der Jazoon also, und in den nachfolgenden Sessions und Workshops kamen auch Software-Nerds voll auf ihre Kosten. Dominique Guinard von der britischen Everything Ltd. spickte seinen Vortrag über das Internet der Dinge mit vielen praktischen Details. «Geben Sie ihren Sachen eine digitale Identität», meinte er. Zum Beispiel mit Barcodes, Embedded Systems, Near Field Communication (NFC), EPC oder Bluetooth Low Energy (BLE) mit einer Reichweite bis 50 Meter und einem Bootstrap von nur 6 Millisekunden. Die derart aufgerüsteten "Dinge" können mit Smartphones unter Android kommunizieren. iPhone-Besitzer wurden - mit einem Augenzwinkern und nicht ganz ernst gemeint - gebeten, den Saal doch bitte zu verlassen (die Jazoon startete als Java-Konferenz ;)... Eine hochspannende Kennung ist der weltweit mit 96 Bits kodierte Electronic Product Code (EPC). Er benötigt keine Energieversorgung und kann aus einer Distanz von bis zu 100 Metern ausgelesen werden. In Reisepässen und Identitätskarten sei sowas natürlich verboten, betonte Guinard. Viele der Bastlerkits, das bekannteste ist die Open-Source-Umgebung Arduino, sind bereits für zweistellige Dollarbeträge zu haben.