11.07.2008, 04:14 Uhr

Ohne Mobilnetz kein Kaffee

Mittels «Machine to Machine»-Kommunikation (M2M) steuert eine Arboner Firma über das Mobilfunknetz von Orange Nachschub und Wartung für ihre professionellen Kaffeeautomaten.
Marcel Lendenmann, Head of Product Management bei Aequator, erklärt die Servicefunktionen der Kaffeeautomaten.
Wenn es am Produkt nicht mehr viel zu verbessern gibt, muss man mit Service punkten. So sieht das zumindest die Schweizer Kaffeeautomaten-Herstellerin Aequator. «Die Kunst des Kaffeebrühens ist heute auf ihrem Höhepunkt», erklärt Marcel Lendenmann, Head of Product Management der Aequator AG. «Man kann einen Kaffee nur optimal brühen - nicht noch besser. Also», so folgert Marcel Lendenmann, «gibt es in unserer Branche nicht so sehr einen Technologiewettbewerb als vielmehr eine intensive Suche nach dem innovativen zusätzlichen Service, dem einen Schritt voraus, der uns von der Konkurrenz abhebt.» Man verkauft heute nicht mehr nur Maschinen, sondern Lösungen.
Bei Aequator entwickelt man deshalb «Kaffee-Centers» für den Weltmarkt, darunter für so namhafte Marken wie Nespresso oder Tchibo. Pro Jahr verlassen etwa 4000 bis 5000 Kaffee-Vollautomaten die Produktion in Arbon am Bodensee. Den weltweit grössten Kaffeeverbrauch haben übrigens gemäss Statistik die Finnen: Mit über 10 Kilos pro Kopf und Jahr sind sie absolute Weltmeister. In der Schweiz stattet Aequator in Zusammenarbeit mit der Firma Migrol Tankstellen mit Kaffeemaschinen aus.
Neues Vertriebsmodell: Pay per Klick
Im Zusammenhang mit solchen Projekten hat das Unternehmen Ende 2005 mit der Ausarbeitung zukunftsträchtiger flexibler Finanzierungslösungen begonnen. Eine der Möglichkeiten besteht darin, dass der Kunde pro bezogene Einheit Kaffee bezahlt. Damit die Sammlung der Konsumations- und Wartungsdaten schnell und kostengünstig funktioniert, setzt Aequator auf «Machine to Machine Communication» (M2M) auf Mobilfunkbasis.
Als Technologiepartner für diese Lösung haben die Arboner den Mobilfunknetzbetreiber Orange gewählt, «weil», so Marcel Lendenmann, «die Spezialisten auf unsere Anfrage sehr rasch und mit einem interessanten und konkreten Angebot reagiert und auch sofort einen Testbetrieb ermöglicht haben». Die Umsetzung verlief allerdings nicht ganz reibungslos, denn Aequator musste erst noch die passende Software entwickeln. Zurzeit wird über das GSM Verbindungsnetz kommuniziert. Bei wachsendem Netzwerk ist eine Umstellung auf WAP geplant.

Statusmeldung an den Zentralrechner

Jede Kaffeemaschine ist mit einem GSM-Modem mit 32 KB Speicher und einer M2M-SIM-Karte der Firma Orange ausgerüstet. Bei jeder ausgeschenkten Tasse Espresso oder Cappucino - und natürlich auch bei jedem kritischen Maschinenereignis - werden die relevanten Daten wie Produktart, Fehlercode und Timestamp in den Modemspeicher übertragen. Ist dieser zu 90 Prozent voll oder tritt ein Ereignis auf, bei dem reagiert werden muss, wählt der Automat den Zentralrechner an und übermittelt die Daten.
Bei Wartungsereignissen und Notfällen, etwa wenn die Maschine ausser Betrieb ist, wird von der Zentrale aus sofort der diensthabende Techniker per SMS benachrichtigt. Die produktbezogenen Daten, welche Sorte wie oft ausgegeben wurde, speichert der Zentralrechner zur späteren Auswertung und Rechnungsstellung.

Ohne Mobilnetz kein Kaffee

Qualität durch konstante Kontrolle

Die permanente Überwachung der Maschinen ist das A und O eines optimalen Service. Moderne Kaffeemaschinen sind hochtechnologische Apparaturen, die mit Wasser mehr als 2000 verschiedene Stoffe aus der Kaffeebohne lösen. Die zugrundeliegenden Prozesse basieren auf hydraulischen, mechanischen, dynamischen, elektronischen und leistungselektrischen Komponenten.
Um eine konstante Kaffeequalität zu erreichen, sind viele sehr präzise Regelungen notwendig. Deshalb wählt die Zentrale die Kaffeemaschinen im Netzwerk in regelmässigen Abständen an und holt sich die neuen Daten ab.
Spezielle Sensoren - die heute störungsfreier funktionieren als noch vor wenigen Jahren - messen zum Beispiel laufend die spezifische Flüssigkeitstemperatur. «Wir müssen in der Lage sein, differenziale Regelungen im Zehntelgrad-Bereich vorzunehmen», so Lendenmann. Die eingebauten Sensoren messen aber auch Pulver- und Wassermengen und nehmen Druck- und Wegmessungen vor. Auf diese Weise ist es Aequator möglich, kritische Ereignisse wie den Ausfall der Maschinen zu verhindern. Ausserdem können so Verschleisserscheinungen frühzeitig erkannt und behoben werden. Und zwar nicht erst, wenn die
Maschine dies dem Kunden anzeigt, sondern laufend durch die Analyse der übermittelten Daten.
Über die Mobilfunkanbindung werden auch die Signalstärken permanent geprüft und ein Alarm ausgelöst, falls eine Maschine nach wiederholten Anrufversuchen nicht erreichbar ist.

Massgeschneiderte Lösung

Die im Zentralrechner gesammelten Daten werden per Monatsende in einer Excel-Datei aufbereitet. Sie dienen der Rechnungsstellung, bilden aber auch die Basis für andere Logistikaufgaben, etwa für die Wartungsplanung. Der Zentralrechner kann eine Kaffeemaschine sogar begrenzt steuern. So ist es beispielsweise möglich, aus der Ferne die Brühtemperatur zu erhöhen und zu senken oder die Maschine im Störungsfall ganz auszuschalten. Auch kann eine elektronische Mahnung abgesetzt werden. In diesem Fall erscheint auf dem Display der entsprechenden Maschine die Nachricht «Monatszahlung fällig» - und zwar so lange, bis die Rechnung bezahlt ist. Dauert das zu lange, kann die Maschine im schlimmsten Fall auch gesperrt werden.
Für Marcel Lendenmann liegt die Zukunft «auf jeden Fall in Konzeptlösungen». Bald seien Telemetrie-Systeme Standard und die Zweiweg-Kommunikation selbstverständlich. «Dann braucht es auch für Software Updates keine personellen Ressourcen mehr vor Ort».
Firmensteckbrief

Aequator AG

Das 1933 gegründete Familienunternehmen Aequator brachte der Schweizer und insbesondere der Ostschweizer Gastronomie den Kaffeegenuss auf Knopfdruck. 1998 begann man, in Partnerschaft mit ETNA Vending Technologies aus Holland, mit dem Export. Die permanente Forschung und Entwicklung verfolgte dabei das Ziel, Kaffeemaschinen mit dem grösstmöglichen Nutzen für den Kunden herzustellen.
Aequator produziert heute nach modernsten Erkenntnissen der Technologie, den internationalen Vorschriften und der Qualitätssicherung nach ISO 9001 und ISO 14001. Am Hautpsitz in Arbon arbeiten etwa 50 Personen, rund die Hälfte davon in der Produktion und im Lager, die restlichen Mitarbeitenden in der IT, im Marketing und der Administration. Aequator feiert dieses Jahr das 75-jährige Bestehen.

www.aequator.ch
Markus Naef



Das könnte Sie auch interessieren