12.04.2006, 05:51 Uhr

Mit E-Learning zu ­Spitzenleistungen

Während viele Bildungsinstitutionen den E-Learning-Trend verschlafen, rüstet sich die Fachschule für Technik des Kantons Solothurn für die zukünftigen Lernformen und berichtet an dieser Stelle über ihre Erfahrungen in der Pilotphase.
Willi Lindner ist Schulleiter der Höheren Fachschule für Technik des Kantons Solothurn.
Nach positiven Erfahrungen in der Pilotphase baut die Höhere Fachschule für Technik des Kantons Solothurn (HFT-SO) im Berufsbildungszentrum in Grenchen ihr E-Learning-Angebot aus. E-Learning bietet den Studierenden die Möglichkeit, über das Internet ihr Wissen und Können in einem Fachgebiet zu erweitern. Erfolgt die Betreuung durch einen Coach ebenfalls und ausschliesslich über das Internet, handelt es sich um reines E-Learning. Diese Form des Lernens wird im Allgemeinen selten, an der HFT-SO gar nicht eingesetzt. Die HFT-SO kombiniert das Lernen im Netz mit Workshops, Seminarien und Tests, weil das gemeinsame Lernen in Gruppen, der Austausch von Erfahrungen und die Abwechslung einen optimalen Lernerfolg gewährleisten. Diese Form wird als Blended Learning bezeichnet.
Kommunikation ist entscheidend
E-Learning bedeutet die Unterstützung des Lehrenden und des Lernenden über das Internet. Dabei ist nicht etwa das isolierte Lernen der wichtigste Erfolgsgarant, sondern die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden und vor allem der Lernenden untereinander. Zur Unterstützung werden an der HFT-SO WBT-Programme (Web Based Training) eingesetzt. Neben dem Lernprogramm mit den einzelnen Lernschritten und den zugehörigen Tests, bieten diese Systeme viele Kommunikationsmöglichkeiten. Chats dienen dem Austausch von Ideen und der Abstimmung in Lerngruppen, in Foren oder Newsgroups werden Erfahrungen und Arbeitsergebnisse präsentiert, diskutiert und ergänzt. Mit Messages können Aufträge koordiniert und kontrolliert werden. Umfragen dienen der Abstimmung über die Entscheidfindung, beispielsweise über das weitere Vorgehen in einem Kurs oder in einer Gruppe. Journale können zur persönlichen Lernkontrolle eingesetzt werden, in denen Fragen notiert, persönliche Erkenntnisse festgehalten und Erfolge verbucht werden. Die eigentlichen Kursinhalte können ins WBT-System einbezogen und darin gestaltet werden. Es hat sich aber herausgestellt, dass es genügt, weiterhin Bücher, Kurse und gedruckte Unterlagen einzusetzen. Natürlich sind CBT-Kurse (Computer Based Training) - auch wegen des Motivationseffekts - eine gute Ergänzung in einem WBT-System. Aus der Erfahrung mit den Studierenden weiss die HFT-SO aber, dass ein recht hoher Anteil es weiterhin vorzieht, mit auf Papier gedruckten Unterlagen zu lernen.
Risiken eingrenzen
Eine gute Lehrperson bleibt weiterhin wichtigster Erfolgsgarant. Die Pädagogik muss nicht neu erfunden werden und die weichen Faktoren werden in der Wahrnehmung der Lernenden noch bedeutender. Coaching, also die eigenen Kenntnisse und Erfahrungen und diejenigen der Lerngruppe zu transformieren, wird zu einem wichtigen Faktor. Nicht die reine Wissensvermittlung, sondern das Aufzeigen und das Bewusstwerden von Zusammenhängen, den Bildungsprozess in Gang setzen und aufrechterhalten, muss das Ziel sein. Dabei ist ein schrittweises Vorgehen unumgänglich. Bei der Gestaltung der ersten Pilotkurse sollten die Anforderungen nicht zu hoch angesetzt werden, eine Konzentration auf das Wesentliche ist anzuraten. Die Lernplattform kann mit Texten gefüttert werden, vorhandene Unterlagen können problemlos integriert werden. Mit den gesammelten Erfahrungen und der Weiterentwicklung der Lehrenden sollen dann höhere Anforderungen angestrebt werden und die Kurse mit Animationen, Audio, Video, Spielen und Simulation erweitert werden. Die technischen Anforderungen können bewältigt werden, weil bei fast allen Lehrpersonen eine mehr oder weniger breite Erfahrung im Umgang mit Informatikmitteln vorhanden sind. Für die Mindestanforderungen genügt ein einfacher PC mit Internetanschluss. Gute WBT-Programme sind heute sogar kostenfrei erhältlich und dabei benutzerfreundlich. Die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten sind einfach zu bedienen, weil sie auf den vorhandenen und bekannten Techniken basieren. Die wichtigste Voraussetzung ist und bleibt die Bereitschaft der Lehrperson, sich weiter zu entwickeln, aufgeschlossen für Neues zu sein und auch kritisch zu hinterfragen.
E-Learning bietet Vorteile
Nach den Erfahrungen der HFT-SO überwiegen die Vorteile die Nachteile bei Weitem. Als Vorteile können vor allem aufgeführt werden: Das Lernen kann individuell erfolgen: Schicht- und andere Beschäftigte mit unregelmässigen Arbeitszeiten können besser an der Weiter- und Fortbildung teilhaben. In einer berufsbegeleitenden Ausbildung bleibt mehr Zeit für Hobby und Familie. Das Lernen kann auf die besten Zeiten gelegt werden. Kostenersparnis durch höhere Effizienz. Die Lernenden können sich kosten- und zeitintensive Fahrten an den Standort der Schule sparen. Die Effizienz des Lernens ist durch den intensiveren Medieneinsatz höher. Die Lehrenden können die einmalige Investition für die Entwicklung der Brainware in den Kursen durch erwünschte Zusammenarbeit zwischen den Schulen und Schulstufen und entsprechende Einsparungen beim wiederkehrenden Aufwand bei der Überarbeitung der Kurse kompensieren. Qualitätssteigerung durch verbesserten Methodikeinsatz. Die grosse Auswahl verschiedener Lehrformen und didaktischer Mittel führt dazu, dass die Lernenden diejenigen auswählen können, mit denen sie den grössten Erfolg erzielen. Dadurch, dass die Gestaltung in einem Kurs in einem Drehbuch festgeschrieben ist, bleibt es nicht dem Zufall überlassen, ob die erfolgsversprechenden Mittel auch wirklich eingesetzt werden. Die Überprüfung des Lernerfolgs wird sozusagen mitgeliefert, Verbesserungen können direkt umgesetzt werden.
Lernerfolg steigt
E-Learning ist nicht Selbstzweck und keine technische Spielerei sondern eine Ergänzung zu den traditionellen Lehrformen. Es kann in einigen Fällen - speziell dort, wo vor allem Kompetenzen in Spezialgebieten der Technik zu transferieren sind - das traditionelle Lernen ersetzen. In den meisten Fällen eignet sich E-Learning als Komponente im Blended Learning zur Verbesserung der Effizienz. Bei allen Einsätzen ist die Nähe zu den Teilnehmern, deren ständige Begleitung, von zentraler Bedeutung. Kommunikation und dadurch auch Motivation sind die ultimative Voraussetzung für den Erfolg. Kommt das Angebot lust- und freudvoll daher, etwa als Spiel oder als Simulation und kann es auch in der Gruppe genutzt werden, steigt der Lernerfolg. Dabei ist es zwingend erforderlich, die Gruppe der Lernenden als zusätzlichen Verstärkungsfaktor einzusetzen. Nur wenn allen Gruppenmitgliedern bewusst ist, dass die Präsentation der Ergebnisse ihrer Lern-aktivitäten sowohl für sie wie auch für die anderen Teammitglieder von grundlegender Bedeutung ist, werden die geforderten Beiträge rechtzeitig eintreffen. Die Einhaltung der abgesprochenen Spielregeln müssen in einem Kodex klar abgesprochen werden. Erst wenn die Lerngruppe über einen längeren Zeitraum nicht fähig oder bereit ist, bei Versäumnissen von Mitgliedern entsprechend zu reagieren, sollte das Coaching aktiv werden. Den Gruppenbildungsprozessen ist vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken, dabei darf die Selbstregulationsfähigkeit der Gruppe keinesfalls unterschätzt werden. Bei der Gruppenbildung ist bei Lernenden und Lehrenden genügend Geduld aufzubringen, die Selbstverantwortung entwickelt sich langsam, dafür aber stetig. Durch den vermehrten Einbezug der gestalterischen Komponente wird die Arbeit der Lehrenden vielseitiger und abwechslungsreicher. Dadurch und allenfalls auch durch den Effekt, dass die Lehrperson auch soziale Pausen einschalten kann, wird Burn-Out verhindert.
Die Zukunft gestalten
In Sachen E-Learning ist die Schweiz leider einmal mehr daran, eine wichtige Entwicklung zu verpassen, bei der sie eigentlich prädestiniert wäre, eine Leaderrolle zu übernehmen. Die Ursache dafür sind nicht mangelnde Kompetenz und Finanzen, sondern fehlende Leadership. Unzählige Einzelpersonen und viele Institutionen verzetteln sich in Einzelanstrengungen. Die Koordination von Bund, Kantonen oder Verbänden fehlt. Dringend erforderlich wäre eine gut geplante Abstimmung, um die Potenziale von E-Learning gemeinsam zu nutzen. Dieser zentrale Pfeiler muss sehr rasch gesetzt werden. Sonst verliert die Schweiz im internationalen Vergleich weiter an Boden. Zukünftige Kommunikationsmöglichkeiten sind im Sinne dieser Diskussion nicht aus der Sicht von Bandbreite und Durchsatz zu führen, sondern über die weichen Faktoren. Dabei ist deren Beitrag in Bezug auf die Erreichbarkeit der beteiligten Partner, der Erfüllung deren emotionaler Ansprüche zu richten. Bildungsinstitutionen müssen sich von der Vorstellung lösen, E-Learning bedeute Trichter aufsetzen, Gehirn anschliessen und mit Informationen füttern. Erst dann kann eine weitere wichtige Komponente im Bildungsprozess erfolgreich eingesetzt werden. Dies ist für den Standort Schweiz von grosser Bedeutung, weil die Zukunft noch stärker als bisher davon abhängt, dass allen die Chancen auf eine gute Bildung geboten wird.
Willi Lindner



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