25.10.2010, 06:00 Uhr

Die Cloud aus der Box

Frontmann Larry Ellison zündete auf der Oracle Hausmesse in San Francisco einen Knaller nach dem anderen. Computerworld war live vor Ort, sprach mit Experten und interviewte Kunden.
Den ersten Knaller gab es gleich zum Auftakt: Die «Exalogic Elastic Cloud» (cloud in the box), eine auf Cloud Computing optimierte Sun/Oracle-Appliance, mit der Unternehmen ihre private Cloud betreiben können. Der zweite Paukenschlag: Die 100 wichtigsten Module der Fusion ERP-Applications, als heisse SAP-Killer gehandelt, sollen definitiv im ersten Quartal 2011 kommen. Und die dritte Sensation: Der erst kürzlich von HP zu Oracle konvertierte Mark Hurd durfte Oracles OLTP-Monstermaschine Exadata X2-8 vorstellen.

Cloud in der Kiste

Ellisons «Cloud in der Kiste» provozierte sofort heftige Reaktionen. Nach seiner Keynote am Sonntagabend, so der Oracle-Chef, habe Salesforce-CEO Marc Benioff bei ihm angerufen. «Larry, du kapierst es einfach nicht, Clouds laufen nicht in Kisten, das funktioniert nicht», habe sich Benioff aufgeregt. Der Salesforce-Frontmann betreibt seit mehr als zehn Jahren CRM «as a Service», und braucht dafür aktuell 1500 Dell-Server. «Natürlich brauchen wir Hardware-Kisten», konterte Ellison cool, «auf zwei unserer Exalogic-Maschinen lässt sich locker das ganze Facebook betreiben.»
Zu den technischen Details: Die «Exalogic Elastic Cloud» besteht aus einem Server-Verbund von 30 Servern mit insgesamt 360 Kernen. Als Speicher kommen Oracle-Storage-Server mit der OLTP-Datenbank Exadata zum Einsatz. Den Datenverkehr zwischen den Einzelkomponenten übernimmt die Netzwerktechnologie Infiniband mit einem Datendurchsatz von 40 GB pro Sekunde und einer Latenzzeit von 1,2 Mikrosekunden. Ein voll bestücktes Rack bringt es auf 2,8 TB DRAM, 960 GB Flash-Speicher (SSD) und 40 TB Plattenspeicher. Die Cloud in der Kiste lässt sich bis auf acht Racks aufrüsten.

Schlappe 1,075 Mio. Dollar

Auch der Preis für Oracles Exalogic Cloud sei recht attraktiv, so Ellison süffisant. Die Lösung kostet nämlich nur schlappe 1,075 Millionen US-Dollar. Verglichen mit dem Konkurrenzprodukt von Big Blue, der IBM Power 795, biete seine Lösung die zehnfache Kapazität, koste aber nur ein Viertel.
Mark Hurd, erst kürzlich bei HP rausgeflogen und zu Oracle gestossen, spielte auf der OpenWorld den quirligen Moderator und durfte die neue DataWarehouse-Maschine Exadata X2-6 präsentieren, die im Oracle-Jargon «sicherste Datenbank der Welt». Die Exadata X2-8 belegt ein komplettes Rack und enthält zwei 64-Core-EX-Datenbankserver (Intel) mit 2 TB Arbeitsspeicher. Hinzu kommen 14 Exadata-Storage-Server mit weiteren 168 Intel-CPU-Kernen und mehr als 5 TB Flash-Cache - ein Monstergerät. Die Verschlüsselungsalgorithmen sind Hardware-kodiert. Dadurch schafft das System Queries über verschlüsselte Datenbanken mit Hunderten von GB pro Sekunde. Im Performance-Vergleich schlägt Exadata Konkurrenten wie Terradata oder Netezza um Längen. Die Lösung wird in zwei Versionen angeboten: mit Solaris 11 Express oder Oracle Linux.

Linux-Kernel unzerstörbar

Apropos Linux: Gleich in seiner Eröffnungs-Keynote schwärmte Ellison vom «unzerstörbaren Enterprise-Kern» seines Oracle-Linux und liess dabei so manche Tirade gegen den Konkurrenten Red Hat vom Stapel.
Verglichen mit Red-Hat-Linux sollen Leseoperationen auf dem Flash-Cache etwa fünfmal schneller ablaufen (1 Million IOPS auf 8 KB Flash-Cache), der Zugriff auf Solid State Disks (SSD) sei 2,4-mal schneller als bei Red Hat (9,5 Gbit/s). Ausserdem werkelt Oracle Linux jetzt auf Servern mit bis zu 4096 CPUs, 2 TB Arbeitsspeicher und bis zu 4 Petabyte Festplattencluster-Speicher.
Soweit die Top-Benchmarks, nun zur Sicherheit: Speziell abgesicherte Pfade zwischen Applikationen und Speicher sollen die Datenintegrität garantieren, defekte CPUs und Memory-Bausteine werden automatisch isoliert. Nach Ellison machen Security-Innovationen wie diese den Kern so gut wie unzerstörbar. Trotzdem will der Datenbank-Krösus nicht voll auf (Oracle) Linux setzen, sondern behält nach wie vor Solaris (in der aktuellen Version 11) im Programm.

Sparc-Rekord

Demgegenüber gerieten Weltneuheiten wie die von Hardware-Chef John Fowler vorgestellte Sparc-T3-Serverreihe fast ein wenig in den Hintergrund. Server sind jedoch ein extrem wichtiger Baustein in Oracles Strategie, sich als Unternehmen zu positionieren, das Software und Hardware optimal aufeinander abstimmt. Das Ganze soll mehr sein als die Summe seiner Teile, um bestmöglichen Mehrwert zu generieren. Wenn schon die Teile mit Rekord-Benchmarks glänzen, fallen die Appliances sicher noch besser aus, so die von Oracle mit Verve kommunizierte Botschaft.
Fowler präsentierte den neuen Prozessor SparcT3 mit 16 Sparc-V9-Kernen und 128 Threads. Er enthält als System-on-a-Chip (SoC) bereits alle wichtigen Systemfunktionen wie Networking, Security und I/O; unter anderem 16 kryptografische Beschleunigereinheiten und Oracles Virtualisierungstechnologie «VM Server for Sparc 2.0». Mit Stolz vermeldete der Hardware-Chef, dass die T3-Server mit Sparc-T3-Prozessor inside bereits neun Benchmark-Weltrekorde aufgestellt haben. Oracle hat die Systeme für seine Datenbank 11g, Fusion Middleware und Fusion ERP-Apps optimiert.

Fusion ERP-Apps

Oracles anspruchsvollstes Projekt aber seien die Fusion Apps, betonte Ellison. Dazu habe man die besten Features aus der E-Business-Suite, PeopleSoft (Collaboration), Siebel (CRM) und JDEdwards (ERP) kombiniert und auf Fusion Middleware umprogrammiert. Das sei eine Wahnsinnsarbeit gewesen und habe fünf Jahre gedauert. Software Vicepresident Anthony Lye führte zum Abschluss der OpenWorld in San Francisco einige der Fusion Apps, die im ersten Quartal 2011 auf den Markt kommen sollen, live vor.
Oracle bastelt damit an einem modular aufgebauten, erweiterbaren ERP im grossen Stil. Dazu gehören: Finanzmanagement, HR-Management, Supply Chain Mana- gement, Beschaffungswesen, Projekt-Portfolio-Management, Vertrieb und Marketing sowie Applikationen für mobile Devices. Die Fusion ERP-Apps laufen «on premise» und als SaaS auch «on demand». Sie sind 100-prozentig in Standard-Java programmiert. «Wir benutzen BPEL (Business Process Execution Language), um die einzelnen Fusion-Module miteinander zu kombinieren», erklärt Ellison. Dadurch würden die Apps mit allem zusammenarbeiten, was Kunden so auf der Platte haben, zum Beispiel auch SAP. Via Fusion Middleware auf Exalogic/Exadata und SPARC-T3-Server optimierte Fusion ERP-Apps, das wäre wohl ein Super-Renner.
3-Jahres-Plan: Zukunft von Java

Oracles Thomas Kurian brachte auf der OpenWorld Licht in die Zukunft von Java und präsentierte eine Drei-Jahres-Roadmap: Das kostenlose Lizenzmodell für Oracle Java Development Kit (JDK) und das Java Runtime Environment (JRE) wird beibehalten. Neue Versionen von OpenJDK kommen in den Jahren 2011 und 2012 heraus; beide Releases dienen als Grundlage für die neuen JDK 7 und JDK 8. Auf der Client-Seite stehen HTML5, die gelungenere Integration von JavaScript, die RIA-Plattform JavaFX (Rich Internet Applications) und die Grafik-Engines Java2D und Java3D auf der Roadmap der Entwickler. Serverseitig will Oracle Technologien wie Multi-Kern-Prozessoren, mehrere Terabyte grosse Arbeitsspeicher und superschnelle Netze besser nutzen. Für das neue JDK 8 werden zum Beispiel sogenannte Lambda-Ausdrücke diskutiert, mit denen sich Kerne und Thread-Funktionalitäten moderner Prozessoren effizienter nutzen lassen. Das neue Java wird höchstwahrscheinlich auch Sprachen wie das unter Informatikstudenten beliebte Scala unterstützen. Grosses Potenzial sieht Kurian ausserdem im Markt der mobilen und «embedded» Applikationen. Das Projekt «Mobile.Next» soll Java den Weg auf Mobiltelefone und Blu-ray-Player ebnen.



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