27.10.2005, 21:03 Uhr

«Die Strukturanpassung bleibt ein wichtiges Thema»

Rund 180 Aussteller werden am diesjährigen Finance Forum in Zürich ihre Produkte und Dienstleistungen der Finanzbranche vorstellen. Computerworld sprach mit René Meier, Organisator des Finance Forum.
Seit mehr als fünf Jahren wird vom Aufbrechen der Wertschöpfungskette gesprochen.
Herr Meier, noch Anfang des Jahres haben Sie von einem Prozess der Strukturanpassung gesprochen , der die Banken in Atem halte. Wie sieht die Situation heute aus?
Es ist tatsächlich so, dass die Strukturanpassung, insbesondere bei den Schweizer Privatbanken, weiterhin ein Thema ist. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Bank Julius Bär, welche von der UBS einige Privatbanken übernommen hat, die nun in die Bank Bär integriert werden. Viele Privatbanken sind heute schlicht und einfach zu klein sowie in personeller Hinsicht überfordert, um die rasch steigenden Anforderungen, zum Beispiel im Bereich der regulatorischen Rahmenbedingungen und die damit notwendigen Anpassungen an Prozesse und IT-Systeme, umzusetzen.
Welche Rolle spielt hier die IT?
Die Informatik spielt bei diesem Prozess oft eine entscheidende und wesentliche Rolle. Wie bereits gesagt, steigen die Anforderungen laufend. Nicht nur im Bereich der Regulation, sondern auch die Kundenanforderungen nehmen zu. Beispiele sind die Nutzung der neuen Technologien Internet und Smartphones und Anforderungen im Reporting.
Zudem sind bei vielen Banken noch veraltete Systeme im Einsatz, die mittelfristig abgelöst werden müssen. Vor diesem Hintergrund anstehender Investitionen und zeitlicher Belastung des Personals durch Mitarbeit in IT-Projekten überlegen sich einige Verwaltungsräte, ob ihre Bank als eigenständiges Institut weiter bestehen soll, oder ob eine Lösung im Rahmen einer Kooperation, einer Fusion oder eines Outsourcings, wobei sowohl IT und Business Process Outsourcing im Fokus stehen, angestrebt werden soll.
Besteht ein Zusammenhang mit dem vielfach beklagten behördlichen Regulierungsdruck auf die Finanzinstitute?
In der Tat, wie vorher bereits erwähnt.
Hat die IT inzwischen die Führungsrolle beim Aufbrechen der Wertschöpfungskette in den Banken übernommen?
Ganz klar. Denn ohne Informatik läuft bei der Bank überhaupt nichts mehr. Denn es darf nicht vergessen werden, dass es sich bei der «Produktion» der Bankprodukte um nichts anderes als der IT-unterstützten Verarbeitung von Daten handelt.
Seit ich die Organisation des Finance Forums vor fünf Jahren übernommen habe, wird vom Aufbrechen der Wertschöpfungskette gesprochen. Es freut mich sehr, dass jetzt immer mehr konkrete Projekte in diesem Bereich umgesetzt werden, wie zum Beispiel die Wertschriftenabwicklung für die Raiffeisen-Gruppe durch die Bank Vontobel, oder, als weiteres Beispiel, die Zusammenarbeit im Bereich der Hypotheken zwischen UBS und der Postfinance. Solche Projekte lassen sich nur dann umsetzen, wenn die IT-Lösungen solche Geschäftsmodelle unterstützen.
Neben der IT-Umgebung bedarf es für solche BPO-Projekte (Business Process outsourcing) aber auch der kulturellen Bereitschaft des Managements, sich von Teilbereichen zu lösen und diese an einen Partner auszulagern, der diese Dienstleistungen kostengünstiger erbringen kann.
Warum geht es bei der Optimierung der sogenannten Fertigungstiefe bei den Prozessen gerade im Finanzwesen nur langsam voran?
In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf Beispiele aus der Industrie verwiesen, insbesondere auf die Fertigungsmodelle der Automobilindustrie. Der Vergleich hinkt jedoch etwas, weil die Banken über speziellere Rahmenbedingungen verfügen, die berücksichtigt werden müssen, wie beispielsweise das Bankkundengeheimnis und regulatorische Vorgaben.
Ansonsten sehe ich die Hauptgründe schon in den oben erwähnten technischen Voraussetzungen, die zuerst gegeben sein müssen, sowie der kulturellen Bereitschaft des Managements, ein Outsourcing überhaupt in Betracht zu ziehen.
Des Weiteren hat sicher auch der finanzielle Druck auf die Banken in den letzten Jahren mitgeholfen, dieses Thema intensiver anzugehen und Partnerschaften einzugehen.
Das heisst, Sie erkennen hier einen massiven Nachholbedarf?
Nun, es ist wiederum auch nicht so, dass die Banken in diesem Bereich überhaupt nichts gemacht hätten. Bereits sehr frühzeitig haben die Banken mit der Swiss Value Chain für den Finanzplatz Schweiz eine weltweit beispielhafte Plattform geschaffen. Diese umfasst die sich im Besitz der Banken befindenden Unternehmen Telekurs Group, SIS Group sowie die Schweizer Börse SWX.
Welche IT-Themen werden in den nächsten Jahren die Agenda der Banken-IT bestimmen?
Sicherlich werden Themen wie Sicherheit, Standardisierung, Kostenreduktionen beim IT-Betrieb, Erfüllung von regulatorischen Vorgaben, Ablösung von Kernbankenlösungen, Einführung von Standardlösungen im Bereich des Internetbankings wichtige Themen bleiben. Zudem sehe ich verstärkte Investitionen bei Systemen zur Kundenberatung und -betreuung auf die Banken zukommen. Denn die Differenzierung über die Produkte wird immer schwieriger. Um Kunden zu gewinnen und zu halten, wird die Qualität der Kundenbetreuung der entscheidende Faktor sein. Verkaufs- und beratungsunterstützende Lösungen für den Kundenberater werden dazu sehr wichtig sein, aber auch Campaign-Management-Systeme zur effizienten Bearbeitung von klar definierten Kundensegmenten.

In welcher Beziehung machen sich frische Bankenplattformen und -applikationen wie Videoconferencing bei den Banken bemerkbar?
Wenn Sie unter frischen Bankenplattformen Lösungen von zum Beispiel Avaloq und Finnova meinen, dann haben sich diese Unternehmen im laufenden Jahr 2005 sehr stark bemerkbar gemacht und ausserordentlich erfolgreich am Markt agiert. Denn einige Kantonal-, Regional- wie auch Privatbanken haben sich dieses Jahr für eine der beiden Lösungen entschieden oder sind an der Einführung dieser Lösungen.
Dieser Markt ist extrem stark in Bewegung und geniesst in interessierten Kreisen eine grosse Aufmerksamkeit.
Welche Auswirkung auf das IT-Bankenumfeld hat es, wenn Outsourcer wie beispielsweise die Swisscom-Tochter Scis eine Comit aufkauft?
Dieser Deal macht aus meiner Sicht sehr viel Sinn und ist natürlich auch vor dem Hintergrund der oben geschilderten Marktdynamik zu betrachten. Durch diese Übernahme entsteht ein grosser und finanziell gesunder Anbieter, der in der Lage sein wird, einer Bank umfassende Dienstleistungen anzubieten.
Denn beide Kernkompetenzen der beiden Unternehmen ergänzen sich optimal:Auf der einen Seite eine Swisscom IT Services, die über grosses Know-how im Betrieb von Bankenapplikationen und IT-Infrastrukturen besitzt. Auf der anderen Seite eine Comit, die in der Schweiz führend ist bei der Einführung neuer Gesamtbankenlösungen. Somit wird die neue Comit in der Lage sein, eine neue Bankenlösung einzuführen, diese im Rechenzentrum zu betreiben und zusätzlich das Application-Management zu übernehmen.

Zum unmittelbar bevorstehenden Finance Forum, das ja längst keine Insiderveranstaltung mehr ist:Wen adressieren Sie und wie ermitteln Sie die jeweiligen Schwerpunkte?
Mit dreitausend Teilnehmern sind wir die bedeutendste Veranstaltung auf dem Schweizer Finanzplatz. Wir fokussieren uns aber nach wie vor auf eine einzige Zielgruppe: Manager aus der Schweizer Finanzindustrie, die am Finance Forum in der Ausstellung mit über 160 Ausstellern neueste Trends entdecken und in über 40 Referaten erfahren wollen, wie sie ihre Bank noch effizienter und erfolgreicher führen können. Aber auch das Networking der Teilnehmer ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Forums.
Erstmals wird zudem eine «Insurance Conference» angeboten, die sich an das Management der Versicherungen richtet...
Bei der Ermittlung der Themenschwerpunkte hilft uns der Bankenbeirat sehr. Neun Banker und Versicherungsmanager aus der Geschäftsleitung sind in diesem Beirat vertreten und helfen uns bei der Festlegung der Themen und Suche von Referenten. Dieser Beirat ist sehr wertvoll für uns und hilft uns sehr, den Anlass in der Schweizer Bankenlandschaft zu verankern.
Wagen wir an dieser Stelle den Blick in die weitere Zukunft: Was wird uns im nächsten Jahr erwarten?
Das Finance Forum 2006 findet im kommenden Jahr am 7. und 8. November statt, ebenfalls im Kongresshaus Zürich.
Gerne möchte ich speziell noch auf unsere zwei diesjährigen Keynote-Referenten hinweisen. Mit Don Peppers, dem One-to-One-Marketingguru und Professor Dr. Hennig Kagermann, Chairman und CEO der SAP, haben wir zwei internationale Topreferenten, die absolut spannende und informative Referate garantieren.
Volker Richert



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