Web-Erfinder 19.01.2012, 00:25 Uhr

der Weg ins Social Business

Plattformen wie Facebook sind für den Web-Erfinder Sir Tim Berners-Lee nichts anderes als Applikations-Silos in Firmen. Sie zu öffnen bringt Vorteile – für Individuen und das Geschäft.
Laut Web-Erfinder Sir Tim Berners-Lee steckt viel Nutzen in unstrukturierten Daten
Im Web sind nach den Worten von Sir Tim Berners-Lee, heute Direktor des World Wide Web Consortiums, über die Jahre geschlossene Areale entstanden, die durchaus mit Applikations-Silos in Unternehmen vergleichbar sind. In den Silos eingeschlossene Daten bergen Informationen, die einerseits Privatpersonen helfen, mit denen andererseits Firmen ihr Geschäftspotential besser nutzen können. «Im semantischen Web, in dem alle Daten frei verfügbar und verknüpft sind, fällt das Finden relevanter Informationen leichter», sagte Berners-Lee. Computer könnten heute das Erschliessen und Verknüpfen vereinfachen. Dies ist für den Erfinder des World Wide Web ein nächster Schritt in der Entwicklung des Interents. Unternehmen sollten laut Berners-Lee ebenfalls damit beginnen, die bisherigen Applikations-Silos aufzubrechen. Unstrukturierte Daten der elektronischen Verarbeitung und Analyse zuzuführen sei ein Projekt, das sich mit grosser Sicherheit auszahle. Wenn eine Organisation aktuelle Verkaufszahlen mit den separat gesammelten Herstellungs- oder Zuliefererdetails abgleicht, werden Zusammenhänge sichtbar, die ohne eine Verbindung verborgen und damit ungenutzt geblieben wären. «Der Geschäftsnutzen wird auch den Skeptikern die Augen öffnen», ermutigte Berners-Lee die über 8000 Teilnehmer der «Lotusphere» in Orlando (US-Bundesstaat Florida), sich für das Öffnen der Silos zu engagieren.

Unternehmenskultur verändern

Der WWW-Erfinder geht davon aus, dass es in Firmen Widerstände gegen das Nutzen von Datensilos geben wird. Hier stünden auch Veränderungen der Unternehmenskultur an, die sich in den vergangenen Jahrzehnten ausgebildet habe. «Manche Mitarbeiter 'glucken' auf ihren Daten und verwehren die Herausgabe», gab Berners-Lee ein Beispiel. Diese Angestellten hätten allerdings oftmals Gründe für ihre Verweigerungshaltung, zum Beispiel die Sicherung der Datenintegrität. Im Dialog mit den zuständigen Mitarbeitern sollten die Gründe identifiziert und bestenfalls für das Geschäft nutzbar gemacht werden. Einem Administrator kann etwa eine Schlüsselrolle zukommen, wenn seine Systeme an andere Applikationen angeschlossen werden. Dann bleibt die von ihm gewünschte Integrität gewahrt, die Informationen fliessen aber trotzdem. Nächste Seite: Paradebeispiel für semantisches System Über den Umfang unstrukturierter Daten orientierte Manoj Saxena, General Manager Watson Solution bei IBM, die Besucher der «Lotusphere»: 90 Prozent der heute verfügbaren Informationen wurden allein in den vergangenen zwei Jahren produziert. Davon sind 80 Prozent unstrukturierte Daten wie Dokumente oder Tweets. Das Dilemma: «In den vergangenen fünf Jahrzehnten konnten Computer diese Daten so gut wie nicht verarbeiten», skizzierte Saxena die Herausforderung.
Vor knapp einem Jahr habe der Supercomputer «Watson» in der US-Quizshow «Jeopardy» bewiesen, wie auch unstrukturierte Daten durch semantische Verarbeitung nutzbar gemacht werden können. Gemäss Saxena stehe «Watson» beispielhaft für eine neue Form des Computing. Heutige Programme gehen von einem deterministischen Ansatz aus – ein CRM gibt an, ob ein Kunde über ein Produkt entweder informiert werden will oder eben nicht. Die Zukunft sind dem «Watson»-Verantwortlichen zufolge probabilistische Systeme, die mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Ein neuartiges CRM ermittelt aufgrund der über den Kunden oder Kundenkreis gesammelten Informationen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Produkt für den potentiellen Käufer interessant sein könnte. Das eröffne neue Businessperspektiven.

Arzthelfer «Watson»

Geschäftliche Anwendungen von «Watson» seien jedoch heute noch Zukunftsmusik. Zuerst soll die Technologie im Gesundheitswesen zum Einsatz kommen. Laut Saxena ist die Datenflut hier ähnlich bedrohlich für Ärzte: Die Menge unstrukturierter Informationen verdoppele sich alle fünf Jahre. Heute arbeitet IBM mit der US-Krankenversicherung WellPoint und dem Krebsforschungszentrum Cedars-Sinai daran, «Watson» zum Arzthelfer auszubilden. Das System ermittle anhand von Informationen aus Fachpublikationen oder den gespeicherten Diagnosen anderer Mediziner, relevante Fragen zu einem Krankheitsbild. Diese kann der behandelnde Arzt einem Patienten stellen. Anhand der Antworten berechnet der Computer die Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen Diagnosen.



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