30.04.2010, 06:00 Uhr

Gut vernetzen, aber wie?

Geschäftliche B2B-Netzwerke scheitern oft an proprietären Schnittstellen und inkompatiblen Formaten. Sie sind der Tod jeder erfolgreichen Kommunikation. Integrationslösungen überwinden jedoch diese Hürden.
Jochen Werner ist Sales Manager Central Europe Region bei Sterling Commerce
Schweizer Unternehmen müssen heute mit Partnern, Herstellern, Zulieferern, Vertriebs- und Logistik-Unternehmen möglichst nahtlos kooperieren, um Kundenwünsche schnell und zuverlässig bedienen zu können. Dabei geht es um den elektronischen Austausch von Offertenlisten, Aufträgen, Lieferscheinen, Rechnungen und Transportinformationen, oft entlang einer längeren Supply Chain. Das Problem: Viele Unternehmen setzen immer noch auf ihre eigenen, gewachsenen Applikationswelten, und deren quasi-proprietäre Formate verstehen sich untereinander nicht. Kommunikation wird dadurch zum zeitaufwendigen Hindernislauf.
Mit den ERP-, CRM- und SCM-Lösungen der etablierten Hersteller sieht es auch nicht viel besser aus. Zwar gibt es Standards wie das seit Jahren bewährte EDI-Verfahren (Electronic Data Interchange) mit Edifact als Format, das zum Beispiel für die elektronische Abrechnung eingesetzt wird. Parallel brechen sich in geschäftlichen B2B-Verbünden aber auch webbasierende Übermittlungsverfahren und Formate Bahn. Sie staffeln sich, je nach Ausbaustufe, in HTTP (Hypertext Transfer Protocol) mit oder ohne AS2 (Application Statement) bis zu AS3 über FTP (File Transfer Protocol) und XML (eXtensible Mark-up Language). Alle diese Schnittstellen, Übertragungsverfahren und -formate müssen für einen insgesamt nahtlos funktionierenden Daten- und Dokumentenaustausch unter einen Hut gebracht respektive beherrscht werden.
Hinzu kommt: Anbieter haben an herstellerübergreifenden Standards aus naheliegenden Gründen kein allzu grosses Interesse.

Steter Wandel als Herausforderung

Neben den unterschiedlichen Systemen und Formaten stellt ein steter Wandel der Partner den Geschäftsverbund vor grosse Herausforderungen. Das gilt besonders unter widrigen Marktbedingungen. Alte Geschäftspartner steigen aus dem Verbund aus, neue Partner kommen hinzu. Dabei geht es nicht nur um die technische Integration der Newcomer. Sie müssen sich mit ihren internen Transaktionen auch organisatorisch und prozessspezifisch ins bestehende Ablaufkonzept der E-Community einpassen. Dieses Ablaufkonzept sollte auf eine weitgehende Automatisierung der Transaktionsketten ausgerichtet sein. Denn nur unter dieser Voraussetzung werden alle Partner von erheblichen Kosteneinsparungen, weniger Bearbeitungsfehlern und Mehraufwendungen sowie beschleunigten Informations- und Dokumententransfers profitieren.

Technische Dolmetscher

Leistungsfähige Integrationslösungen halten zentral - im federführenden Unternehmen - Adapter vor, welche die Kommunikationshürden nehmen. Sie vermitteln als Umsetzer beziehungsweise Konverter zwischen allen am B2B-Verbund beteiligten Applikationen, Formaten und Übertragungsverfahren. Auf diese Weise ist ein nahtloser, partnerübergreifender Informations- und Dokumentenaustausch realisierbar. Die Business Integration Suite von Sterling Commerce ist ein erprobtes Beispiel für ein solches Integrations-Gateway. Aber auch ERP-Branchenanbieter wie Sage bieten mit Produkten wie Connect und SData technische «Dolmetscher» an.
Integrationslösungen vereinfachen zudem die Einbindung der Partner in Geschäftsprozesse. Sie beinhalten Tools, mit denen massgeschneiderte Workflows erstellt, eigene Transaktionen optimiert und in die Transaktionen anderer Geschäftspartner eingepasst werden können.

Alternative Cloud Computing

B2B-Teilnehmer eröffnet sich eine weitere technische Alternative: Sämtliche für den Geschäftsverbund notwendigen IT-, Integrations- und Applikationsleistungen aus einer öffentlichen Cloud zu beziehen. Die Betriebsverantwortung trägt in diesem Fall der Service Provider. Cloud Computing ist für B2B-Unternehmen eine verlockende Alternative, weil sie für den Geschäftsverbund selbst nichts investieren, installieren und betreiben müssen. Stattdessen greifen sie (und ihre Partner) zur Formierung und Veränderung von Geschäftspartnerbeziehungen auf Integration-as-a-Service (IaaS) und Software-as-a-Service (SaaS) zurück.
Marktanalysten wie Gartner räumen externen B2B-Integrations-, B2B-Software- und B2B-Daten-Services für das laufende und das kommende Jahr ein Umsatzwachstumspotenzial von 20 Prozent ein. Wichtiger Treiber für Cloud Computing als Informations- und Dokumentendrehscheibe sind nach Ansicht von Gartner die damit erreichbaren Kosteneinsparungen.
Eine Studie von Sterling Commerce, einer Tochter von AT&T, untermauert den klaren Trend zu Cloud Computing im B2B-Verbund. Über 300 IT-Manager im deutschsprachigen Bereich, in Frankreich und Grossbritannien nahmen teil. Das Ergebnis: 72 Prozent der Unternehmen planen, in B2B-Integrations-dienste aus der Cloud zu investieren. Besonders ausgeprägt ist dieser Trend mit 87 Prozent im deutschsprachigen Bereich. IT-Manager versprechen sich vom Cloud Computing nicht nur Einsparungen. Sie gehen auch von einer höheren Skalierbarkeit, Flexibilität und Transparenz innerhalb der E-Community aus.
Die Migration von klassischen oder internetbasierenden Geschäftsbeziehungen zum Bezug von Integrations-, Software- und Daten-Services aus der Cloud wird sich im B2B-Markt dennoch nur schrittweise vollziehen. Die Zahlen täuschen, denn Wachstumssteigerungen von jährlich 20 Prozent bauen zurzeit auf
einem dünnen Marktsockel auf. Ausserdem müssen Service Provider, die solche Offerten an ihre Kunden sowie an potenzielle Neukunden richten wollen, ihrerseits in intelligente Integrationssuiten und Broker-
Tools für die Vermittlung zwischen den Clouds investieren.

Vertrauen schaffen

Nicht nur das: Für B2B-Services in hoher Qualität werden Service Provider mehr für Hochverfügbarkeit, Sicherheit und Compliance von Applikationen, Daten und Services tun müssen, um ihre Kundschaft zu überzeugen. Ausserdem gilt es, sukzessive eine Vertrauensbasis zwischen Serviceanbietern und B2B-Kunden aufzubauen. Die Sorgen, dass Cloud-Dienste nicht zuverlässig und die abgespeicherten Daten nicht sicher sind, dominieren immer noch die Diskussion in der Schweiz.
Ein realistisches Szenario, das solchen Sicherheitsbedenken Rechnung trägt: Zunächst wandern einige wenige geschäftsunkritische Applikationen und Daten - quasi als Pilotballon - in die Wolke, bevor in Zukunft Business-kritischere Anwendungen, Daten und Transaktionen folgen.
Jochen Werner



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