«Digitalisierung scheitert nicht an der Technologie»

Führung auf Distanz

CW: Gibt es einen Unterschied zwischen der Führung auf Distanz in Zeiten von Corona und im Normalbetrieb?
Plaza Morales: Die Corona-Zeiten waren für mich zunächst die Normalität. Ich habe die Stelle bei SGS während der Pandemie angetreten. In den ersten fünf Monaten war es mir nicht möglich, einen Kollegen persönlich zu treffen. Weder einen Mitarbeiter noch eines der Mitglieder der Geschäftsleitung. Das Arbeiten im Home Office ist aus meiner Sicht nicht optimal, weil man viele Informationen nicht bekommt. Sie erfahren nicht, wie sich die Kollegen fühlen, was sie umtreibt im Leben und andere nonverbale Kommunikation, die über die elektronischen Medien nicht vermittelt werden kann. Es ist nicht vorteilhaft, in so einer Situation in einem neuen Job zu starten. Insbesondere in einem Unternehmen wie SGS, das sehr stark diversifiziert und auf dem ganzen Globus verteilt ist. Man muss verstehen, welche Bedürfnisse das Business hat und wie die IT helfen kann, sie zu befriedigen. Dafür sind die persönlichen Kontakte sehr wichtig.
Mit der Beruhigung der Lage im Herbst konnte ich einige Reisen unternehmen, um die Kollegen kennenzulernen. Allein im Oktober besuchte ich Niederlassungen in fünf Ländern. Dort gab es zwar immer noch eine Maskenpflicht und zum Teil wurden PCR-Tests gefordert, aber ich konnte immerhin reisen. Nun bekomme ich ein echtes Gefühl für meinen neuen Job.
Allerdings hatte die Pandemie-Zeit den Vorteil, dass wir alle gelernt haben, im Home Office zu arbeiten. Beispielsweise habe ich allein heute zehn Meetings – alle über Video. So kann ich zwar problemlos jetzt mit Zürich sprechen und in zwei Stunden mit Guatemala. Aber die Online-Meetings sind nicht vergleichbar mit persönlichen Treffen. Ich wünsche mir nicht unbedingt die Zeiten vor der Pandemie zurück, sondern eher eine neue, gute Kombination aus Online-Meetings und persönlichen Treffen.
Das Interview führte David Plaza Morales von SGS per Video aus seinem Büro in Madrid
Quelle: Jens Stark/NMGZ
CW: Gibt es einen Unterschied zwischen der IT und den Fachbereichen von SGS im Bezug auf Home Office?
Plaza Morales: Der Unterschied ist marginal, denke ich. Die IT ist es eher gewöhnt, Collaboration-Tools zu verwenden. Bei neuen Tools mag auch die Lernkurve steiler sein. Aber auch die Mitarbeiter im Business sind gut ausgebildete Fachleute, die mit dem Home Office und den Online-Meetings sehr gut klarkommen. Einige der Kollegen werden richtig kreativ im Heimbüro. Sie wollen in der neuen Situation neben Microsoft Teams auch andere Collaboration-Tools einsetzen wie beispielsweise Blackboards. Hier müssen wir als IT ihre Kreativität von Zeit zu Zeit etwas bremsen [schmunzelt].
CW: Wie ist die IT von SGS generell aufgestellt – hinsichtlich Mitarbeitern, Systemen und Aufgaben?
Plaza Morales: SGS zählt um die 1500 Mitarbeitende in der IT. Sie verteilen sich auf drei Bereiche: die IT in der Zentrale hier in Madrid, die IT an den Standorten weltweit und die IT in den Business-Einheiten. Die grössten IT-Standorte sind neben Madrid der Hauptsitz in Genf und die Niederlassungen in Manila sowie im irischen Naas.
Eine Besonderheit von SGS ist die Diversität des Business: Hunderte Anwendungsfälle müssen mit bestimmten Software-Lösungen abgedeckt werden. Weiter ist SGS vollkommen dezentral organisiert. An den meisten Standorten gibt es IT-Personal, das die Programme an die jeweils lokalen Erfordernisse anpasst. Als globaler IT-Leiter ist es meine Aufgabe, die richtige Balance zu finden zwischen der Autonomie der Systeme vor Ort und den globalen Anforderungen hinsichtlich Datenschutz, Qualität und Sicherheit. Wir arbeiten hauptsächlich mit marktführenden Standardprodukten etwa von Microsoft und Oracle. Beim Einsatz von ServiceNow sind wir noch in den Anfängen. Allerdings haben wir vor, die Lösung breiter auszurollen und so unsere Effizienz in der IT zu steigern.



Das könnte Sie auch interessieren