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Die Suche im Quellcode

ARS liess die Sache allerdings nicht auf sich beruhen: Bliss sei eine Weiterentwicklung von Swissbase mit einem viel grösseren Funktionsumfang, lautete die Begründung. Mit dieser Argumentation stiessen die Aargauer beim Bund allerdings auf taube Ohren. Bern ging weiterhin von einer Raubkopie aus. Es kam zum Rechtsstreit vor dem Aargauer Obergericht. Der Richter ernannte Walter Seehars, den damaligen Direktor der Informatikdienste der ETH Zürich, zum Gutachter. Sein Arbeitsauftrag: ein Quellcodevergleich zwischen Bliss und Swissbase.
Vier Monate später, Mitte August 1990, war das Rechtsgutachten Seehars fertig. Laut seiner Expertise wiesen lediglich 11,4 Prozent der Programmzeilen von Bliss und Swissbase «geringe bis gar keine Unterschiede» auf. Auf der anderen Seite habe ARS rund 95 Prozent des Quellcodes komplett neu geschrieben und zudem noch «wartungsfreundlicher strukturiert», zitierte Computerworld aus dem Gutachten. Damit könne Bliss durchaus als «selbständiges Werk» angesehen werden.

Undank ist der Welten Lohn

Die Eidgenossenschaft verlor den Prozess um Swissbase. Richter Alfred Bühler vom Aargauer Obergericht lehnte das Begehren des Bundes nach einem Vertriebsstopp für Bliss vollumfänglich ab. Die ARS-Lösung ist laut Urteilsspruch keine Raubkopie von Swissbase. Die Übereinstimmungen im Systemkonzept und den Grundfunktionen seien auf den identischen Zweck beider Programme zurückzuführen.
Den Schaden, der ARS aus dem Verkaufsverbot entstanden war, schätzte Geschäftsführer Herbert Schwappacher auf eine sechsstellige Summe. Er war zuversichtlich, dass das Urteil auch in weiteren Prozessen Bestand haben werde.
Die Gegenseite behielt sich zunächst vor, das Urteil weiterzuziehen. Thomas Koch, Leiter der Informatikabteilung der Bundeskanzlei, befürchtete, dass der Richterspruch «Software-rechtlich unabsehbare Folgen» haben werde. Wie Computerworld mutmasste, dürfte der Prozess auch Auswirkungen auf den Vertrag zwischen dem Bund und der Lizenznehmerin CHF & B haben. Denn auch die Neuenburger könnten darauf verweisen, dass sie Swissbase entscheidend weiterentwickelt hätten. Schlimmer noch: Hätte CHF & B die Konsequenzen gezogen, wären dem Bund nicht nur die Lizenzeinnahmen entgangen, es wären auch noch zusätzliche Kosten entstanden. Bis dahin gingen nur die Gerichtskosten von 80 000 Franken zulasten der Eidgenossenschaft.
Letztendlich verzichtete der Bund auf einen weiteren Prozess. Und sowohl ARS als auch CHF & B auf Gegenklagen. Dennoch musste das Fazit zum Bundesausflug in die Software-Entwicklung lauten: Undank ist der Welten Lohn.



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