10.11.2009, 10:31 Uhr

Mehr Schub für SAP

Das SAP-System des Luftfahrt-Dienstleisters SR Technics sollte auf eine neue Hardware-Plattform umziehen. Doch statt des erhofften Leistungsschubs gab es plötzlich massive Performance-Probleme. Eine Aufgabe für Spezialisten.
Wer beim Landen auf dem Flughafen Zürich einen Blick aus dem Fenster wirft, kann aus dem Augenwinkel die Hangars von SR Technics erspähen. Das in der Schweiz beheimatete und international erfolgreiche Unternehmen bietet zivilen Fluggesellschaften die technische Betreuung von Flugzeugflotten, -komponenten und Triebwerken an.
Als Business-Software setzt der Dienstleister seit Jahren eine integrierte ERP-Standardlösung von SAP ein, die durch umfangreiche Zusatzprogrammierungen an die speziellen Geschäftsabläufe angepasst wurde.
Über die SAP-Lösung lassen sich zum einen alle Daten der rund 800 betreuten Flugzeuge in Echtzeit verwalten - zum Beispiel Laufzeiten, Flugstunden oder Ersatzteile - und mit den ca. 500 Kunden austauschen. Zum anderen müssen schon aus rechtlichen Gründen alle Prozesse sowie der Materialverbrauch rund um die Wartung und Reparatur der Flugzeuge jederzeit nachvollziehbar und lückenlos dokumentiert sein. Das führt zu einem enormen Datenaufkommen, das stetig weiter wächst.

Kapazitätsgrenzen erreicht
Den SAP- und Rechenzentrumsbetrieb hat SR Technics zum Grossteil an einen Outsourcing-Dienstleister ausgelagert. Bislang lief das SAP-System inklusive der kundenspezifischen Zusatzprogramme auf einer inzwischen veralteten Unix-Plattform. Diese hatte aufgrund der wachsenden Datenmenge die Kapazitätsgrenzen erreicht. Die Folge waren Leistungsabfälle, die zu längeren Dialogantwortzeiten und einer langsameren Batch-Verarbeitung führten. Gleichzeitig stieg das Risiko für ungeplante Systemausfälle und Unterbrechungen. Für Adrian Wirt, Vice President Group IT bei SR Technics, ein untragbarer Zustand: «Das konnten wir nicht riskieren, denn unsere Geschäftsprozesse müssen reibungslos laufen. Die hohe Leistungsfähigkeit und Qualität der IT-Prozesse sowie ein unterbrechungsfreier Betrieb der zentralen SAP-Software sind für uns unabdingbare Voraussetzung.» Erst stabile und leistungsfähige Geschäftsprozesse verschaffen dem Unternehmen die notwendige Flexibilität, um Innovationen zeitnah aufzubauen.
Um Performance und Stabilität des SAP-Systems zu verbessern, beschloss das Unternehmen die Einführung einer modernen und hoch verfügbaren Unix-Plattform sowie entsprechender Storage-Lösungen. Mit dem Entwurf einer geeigneten Systemarchitektur, der Installation und Konfiguration der Hardware sowie der Migration der SAP-Software beauftragte SR Technics seinen Outsourcing-Partner.

Neue Hardware tut nicht, was sie soll

Aus technischen Gründen verzögerte sich jedoch der Umzug des SAP-Systems. Erst im Dezember 2008 konnte die produktive ERP-Software auf die neue Hardware migriert werden. Doch der erhoffte Erfolg blieb zunächst aus: «Die mit dem Umstieg erwarteten Leistungsverbesserungen, etwa im Hinblick auf schnellere Antwortzeiten und den rascheren Durchlauf von Batch-Programmen, traten trotz leistungsstärkerer Hardware nicht ein. Wir mussten auf die alte Hardware-Infrastruktur zurückswitchen», erinnert sich Adrian Wirth.
Um das Problem zu lösen, holte SR Technics die VMS AG aus Heidelberg an Bord. Aufgabe des auf die Messung und Optimierung des SAP-Betriebs spezialisierten Dienstleisters war, die Ursachen für die Leistungseinbussen des Systems zu identifizieren und das Migrationsprojekt bis zum erfolgreichen Abschluss zu begleiten.

Performance-Killer gesucht

Zunächst führte VMS einen Performance-Check des SAP-Systems durch. Eine automatisierte Vermessung auf Basis der Mess-Software VMS DataCollector sowie die Bewertung der aktuellen SAP-Systemarchitektur lieferten wertvolle Hinweise, die dem Outsourcing-Partner halfen, die Ursachen für die Performance-Probleme anzugehen und die Probleme zu lösen.
Das Ergebnis der Analyse: Als Performance-Killer erwiesen sich im Wesentlichen falsch konfigurierte Plattensysteme, instabile Cluster sowie Performance-Probleme im Zusammenhang mit dem Dateisystem ZFS. Darüber hinaus verstärkten sich die jeweiligen Einzelprobleme gegenseitig und belasteten das System unnötig.
VMS vermass das SAP-System während der Neukonfiguration kontinuierlich und kontrollierte die vom Outsourcing-Dienstleister und von SR Technics selbst durchgeführten Stresstests. Diese wurden auf Basis der vorherigen Messungen auf das reale Nutzerverhalten abgestimmt. Die Tests bestanden aus einem Mix der pro Tag am häufigsten durchgeführten 20 SAP-Transaktionen sowie verschiedenen zeitlich passend eingesteuerten Batch-Programmen. Dank der automatisierten und minimalinvasiven Vermessungs-methode konnten zudem Ressourcen für das zeitintensive Testing eingespart werden.

Erst optimieren, dann migrieren

Durch die von den Spezialisten von VMS initiierten Messungen konnten die Systemarchitektur und die Hardware-Konfiguration optimiert sowie das produktive SAP-System auf die neue Hardware migriert werden. «Seitdem sind rasche Antwortzeiten, eine schnelle Batch-Verarbeitung und die hohe Verfügbarkeit aller IT-Prozesse für uns selbstverständlich», sagt Adrian Wirt. Und auch die SAP-Anwender seien zufrieden, hebt er hervor.
Das Fazit des IT-Chefs beim Luftfahrt-Dienstleister fällt daher insgesamt positiv aus. Für den Vice President IT ist auch eine Zusammenarbeit mit VMS in weiteren Projekten denkbar, etwa die Vermessung der künftigen Systemarchitektur bei einem Upgrade von SAP R/3 Enterprise auf SAP ERP 6.0.
SAP-Performance-Killer

Tempobremsen bei SAP-Systemen können viele Ursachen haben. Prof. Dr. Andreas Mielke, Vorstand der auf SAP-Optimierung spezialisierten VMS AG, nennt hier die fünf wichtigsten:

1. Teure SQL-Anweisungen: Häufig werden Performance-Aspekte bei der Programmierung von Datenbankanwendungen nicht ausreichend berücksichtigt. Dies führt in der Folge zu teuren SQL-Anweisungen, die wegen zu hoher Antwortzeiten einzelner Programme den Datenbankserver belasten.

2. Mangelndes Data Volume Management: Das kontinuierliche Wachstum der Datenbank erfordert eine regelmässige Optimierung. Oft wird viel zu lange keine Datenbank-Reorganisation durchgeführt,
sodass die Performance beeinträchtigt ist. Umgekehrt kann wegen zu grosser Tabellen die Reorganisation nicht mehr ohne Performance-Verluste durchgeführt werden. Ein Teufelskreis. Archivierung und Datenvermeidung sind erforderlich.

3. Hardware-Engpässe: Falsch konfigurierte Hardware führt zu PerformanceProblemen. Die Ursachen können verschieden sein: Engpass im SAN, zum Beispiel Hotspots auf einzelne Festplatten, Controller usw. Oder auch ein CPU-Engpass, beispielsweise durch falsche Konfiguration der Work-Prozesse, ungünstige Lastverteilung auf den verschiedenen Servern usw.

4. Lange Netzlaufzeiten: Je modularer Software gestaltet ist (etwa in einer SOA-Architektur), umso mehr Netzwerkverkehr wird erzeugt, was die Performance senkt. Aber auch langsame Leitungen zu entfernten Lokationen oder ineffizientes Routing des Netzwerk-Traffics können die Antwortzeiten deutlich verlängern.

5. Schlechte Pufferqualität: Fehlerhafte Pufferung, beispielsweise ein zu kleiner Puffer bei hoher Datenbankzugriffsrate, kann zu Performance-Verlusten führen. Die Pufferung von Datenzugriffen in SAN, Betriebssystem, Datenbank und Anwendung muss aufeinander abgestimmt sein.
Dr. Andreas Schaffry



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