Aus Produkten werden Dienste

Servitization bei Rolls-Royce

Die Ursprünge der Servitization-Idee reichen bis in die 1960er-Jahre zurück. Rolls-Royce benutzte den 1962 geprägten Slogan «Power by the hour» als Markenzeichen für die Idee, ein Turbojet-Triebwerk als Dienstleistung zu verkaufen. Die Fluglinien als Kunden bezahlen bei dem Modell für die Dienstleistung, die das Triebwerk erbringt, also nur für die Zeit, in der das Flugzeug fliegt. Rolls-Royce macht bei dem Geschäftsmodell den grössten Teil der Gewinne – anstatt klassisch aus dem Produkt – mit Dienstleistungen. Das servicezentrierte Angebot von Rolls-Royce umfasst die Bereitstellung des Triebwerks sowie die Überwachung, Wartung und Reparatur während dessen gesamter Lebensdauer. Für die Fluggesellschaften hat das vor allem vier Vorteile:
  • reduzierte finanzielle Risiken
  • planbare Betriebskosten
  • erhöhte Verfügbarkeit der Triebwerke
  • regelmässige Verbesserungsmassnahmen
Aber auch für Rolls-Royce selbst weist dieser Business- Ansatz eine ganze Reihe von Pluspunkten auf:
  • gestiegener Umsatz
  • stetigerer Erlösestrom
  • von Konjunkturschwankungen unabhängigere Erlöse
  • Kulturwandel um den Kunden
Servitization bedeutet also nicht zwingend, dass Produkte verschwinden. Aber die Nutzung der Produkte ändert sich tief greifend: Zum einen differenzieren Dienstleistungen im Rahmen von Produkt-Service-Systemen die etablierten Produkte und machen sie auf diese Weise für die Kunden interessanter. Zum anderen können Unternehmen Services eigenständig, also auch ausserhalb des bereits etablierten Produktgeschäfts anbieten.
Tipps
So transformieren Firmen Produkte in Services
Um Produkte in Dienstleistungen umzuwandeln, schlagen Klaus Holzhauser und Philipp Schala in ihrem Beitrag «Digital Transformation in Manufacturing» im «Palgrave Handbook of Managing Continuous Business Transformation» diese Massnahmen vor:
  • Behalten Sie den grundlegenden Zweck Ihres Produkts bei: Die Verfügbarkeit der Produktleistung eines Unternehmens (Hilti = Bohrer, Rolls-Royce = Motoren) ist das Schlüsselelement, was Kunden vom Hersteller erwarten. Dieser Zweck sollte nicht oder nur geringfügig verändert werden.
  • Überdenken Sie Ihr Business-Modell: In vielen Fällen wird die digi­tale Transformation nicht das physische Produkt verschwinden lassen. Stattdessen werden bestehende Funktionalitäten durch neue digitale Dienste erweitert.
  • Beziehen Sie Informationstechnologie mit ein: Bei der Umwandlung von Produkten zu Services spielt die Informations- und Kommunika­tionstechnologie eine Schlüsselrolle. Neue Geschäftsmodelle auf Basis von Services sind ohne digitale Kommunikation, anspruchsvolle Analytics und prädiktive Analytics-Funktionalitäten nicht möglich.
  • Binden Sie die gesamte Organisation in Ihre Strategieentwicklung ein: Um die Transformation erfolgreich zu gestalten, sollten Unternehmen alle relevanten Personen und Rollen in den internen Ver­änderungsprozess einbeziehen.
  • Verändern Sie Ihre Go-to-Market-Strategie: Traditionelle Unternehmensstrukturen sind für das neue Geschäftsmodell unter Umständen nicht geeignet.
  • Die Transformation erfordert in vielen Fällen zumindest eine kurzfristige Einnahme-Kannibalisierung mit einer spürbaren Auswirkung auf den Cashflow. Daher müssen Unternehmen eine rasche und effi­ziente Markteinführung ihrer neuen Dienstleistungen sicherstellen. Um neue Kundenkanäle zu identifizieren, sollte eventuell auch das Partner-Ökosystem modifiziert werden.
  • Aktivieren Sie einen Bewusstseinswandel: Digitale Transformation erfordert auch eine neue Art des Denkens innerhalb des Unternehmens. Eine Organisation sollte sich von einer «Ja, aber»-Mentalität zu einer «Warum nicht?»-Denkweise wandeln. Dieses Ziel dürfte zwar nur schwer zu erreichen sein, schreiben die Autoren. Aber es sei möglich.



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