17.08.2009, 13:25 Uhr

Einfache Lösung für komplexe Regeln

Pharmazeutische Unternehmen müssen eine Vielzahl von Richtlinien beachten -für die IT eine enorme Herausforderung. Die Schweizer Mepha-Gruppe hat diese Aufgabe dank eines virtualisierten SAP-Systems kostengünstig gemeistert.
Pascal Gelin ist Sales Manager bei Siemens IT Solutions and Services in der Schweiz und betreut das SAP-Projekt bei der Mepha-Gruppe
Die behördlichen Vorgaben für die pharmazeutische Industrie füllen Bände. Zur Sicherheit der Patienten fordern zum Beispiel die GxP-Richtlinien, dass Pharmahersteller alle Prozesse, die Einfluss auf die Produktqualität haben, validieren. Bei jedem Schritt müssen die präzise Vorgehensweise, Änderungen oder Testverfahren festgelegt und nachvollziehbar dokumentiert werden. Um den erheblichen Mehraufwand für die IT bewältigen zu können, entschloss sich der Schweizer Generikahersteller Mepha Group Anfang 2008, seine SAP-Basisumgebung in die Hände eines externen IT-Dienstleisters zu geben.
Da das Unternehmen mit Hauptsitz im schweizerischen Aesch selbst über fundiertes SAP-Know-how verfügt, wurde zunächst auch über die Möglichkeit diskutiert, das System in Eigenregie zu betreiben. Um jedoch die optimale Lösung zu finden, wurde der Auftrag öffentlich ausgeschrieben. Mepha prüfte alle eingehenden Angebote gründlich und kam zu dem Schluss, dass externe Provider in der Lage waren, die gewünschten Leistungen zu einem besseren Preis anzubieten.

Den richtigen Partner finden

Die Entscheidung zwischen den vier Dienstleistern, die sich um den Auftrag beworben hatten, fiel aufgrund dreier zentraler Faktoren: der Prozesssicherheit, dem Reifegrad der Datacenter Services und der technischen Infrastruktur. «Speziell das Konzept von Siemens IT Solutions and Services, die SAP-Systeme vollständig zu virtualisieren und damit Aufwand und Kosten zu reduzieren, hatte unser Interesse geweckt», erinnert sich Andreas Jermann, CIO der Mepha-Gruppe. Da SAP erst Ende 2007 ihre Produktivsysteme für Virtualisierung zertifizierte, war dieser Ansatz besonders innovativ. «Daneben spielten auch finanzielle Aspekte eine Rolle bei der Entscheidung», so der Mepha-CIO.
Nach einer eingehenden Risikoanalyse und der Überprüfung der Abläufe beim künftigen Geschäftspartner erfolgte im Februar 2008 die Vertragsunterzeichnung. Im Juni übernahm der IT-Dienstleister daraufhin die Betriebsverantwortung für die SAP-Basisumgebung der Mepha-Gruppe - zunächst für den Zeitraum von vier Jahren. Dabei beinhaltet der Dienstleistungsvertrag lediglich den Betrieb des Basissystems, das im Rechenzentrum von Siemens in Zürich läuft. Die darauf aufsetzenden SAP-Module - etwa für Qualitätsmanagement, Business Intelligence oder Finanzwesen - betreibt der Generikahersteller nach wie vor selbst.
Jermann erklärt die Entscheidung so: «Es ist letztlich eine Frage der Sourcing-Philosophie. Das Geschäftswissen, das nun mal vorrangig in den einzelnen Modulen liegt, wollten wir aus strategischen Gründen im Haus behalten und nicht auslagern.» Die SAP-Plattform des Unternehmens beruht auf R/3 und umfasst historisch gewachsen 13 Systeme. Die meisten davon laufen bereits auf der aktuellen Version 6.0., bis Ende 2009 sollen auch die verbleibenden Systeme umgestellt sein.
Elementarer Bestandteil des Outsourcing-Projekts war dabei die Virtualisierung der SAP-Umgebung.

Compliance als Herausforderung

Die Herausforderung bei der Umstellung auf den virtualisierten Betrieb lag vor allem in der Compliance mit den Sicherheitsrichtlinien der Pharmabranche. Um dies zu realisieren, übernahmen die IT-Fachleute in einem ersten Schritt die physische Hardware vom bisherigen Provider und betrieben sie zunächst eins zu eins. Erst im zweiten Schritt schlossen die Experten die Systeme an ihr eigenes, hoch verfügbares Speichernetzwerk an. Die Virtualisierung erfolgte schliesslich auf der dritten Stufe und war Ende 2008 abgeschlossen.
Intensive Tests auf zahlreiche Akzeptanzkriterien begleiteten jeden einzelnen Schritt in die virtuelle Umgebung. Das etwa zehnköpfige Projektteam des IT-Dienstleisters definierte hierfür selbst die kleinste Änderung im System zunächst generell, um sie dann zu prüfen, durchzuführen und anschliessend zu validieren und zu dokumentieren.
Da ein Arbeitsausfall schwere finanzielle Einbussen zur Folge gehabt hätte, war neben der Richtlinienkonformität für den Pharmahersteller besonders wichtig, dass die Systeme durchgehend produktiv blieben. Eine sehr genaue Planung und vorwiegend Wochenendarbeit machten dies möglich. Im Ganzen war das System an lediglich drei Wochenenden nicht verfügbar. Das Ergebnis der Virtualisierung: Mepha konnte die Zahl seiner Server von 13 auf 3 verringern.
Derzeit arbeiten 330 Mitarbeiter bei Mepha direkt mit dem SAP-System. Doch nahezu alle rund 600 Arbeitsplätze des Unternehmens hängen mehr oder weniger davon ab. Um Produktionsstopps, Warenengpässen und sonstigen Einbussen vorzubeugen, war daher Prozesssicherheit ein zentrales Thema.

Verfügbarkeit deutlich erhöht

Doch die Sicherheit sollte auch vertraglich geregelt sein: Deshalb arbeiteten die Partner gemeinsam einen sehr detaillierten Leistungsvertrag aus, in dem sie eine Verfügbarkeit von 99,5 Prozent sowie eine maximale Ausfallzeit von einer Stunde pro Ausfall vereinbarten.
Im Notfall müssen die Produktivsysteme darüber hinaus binnen 48 Stunden mindestens zu 66 Prozent wieder verfügbar sein. Realisiert wird das hierfür nötige Disaster Recovery über ein zweites Siemens-Rechenzentrum im schweizerischen Zug. Mehrmals täglich spiegeln die IT-Experten sämtliche Mepha-Daten vom Zürcher Hauptrechenzentrum ins Zuger Rechenzentrum und sichern sie dadurch doppelt.
Flexibel, compliant, ökologisch
Mepha sieht Inspektionen von behördlichen Prüfstellen heute gelassen entgegen. Mit ein paar Klicks können die Verantwortlichen jederzeit alle Dokumentationen aufrufen und nachweisen, dass sie ein durchweg valides System betreiben. Prüfkriterium ist der Leitfaden Good Automated Manufacturing Practice (GAMP), ein Standardregelwerk für die Validierung computergestützter Systeme in der pharmazeutischen Industrie.
Über die Compliance hinaus sind die IT-Prozesse dank Virtualisierung auch wesentlich flexibler geworden. So können bei Bedarf zusätzlich Kapazitäten geschaffen werden, ohne die gesamte Infrastruktur neu aufzusetzen. Dies erleichtert den Wartungsaufwand und macht sich auch finanziell bemerkbar, da keine zusätzlichen teuren Server oder andere Hardware angeschafft werden muss. Zudem verbraucht das System heute durch die Virtualisierung im Vergleich zu den realen Servern deutlich weniger Energie für Kühlung und Betrieb. So kann das Unternehmen geschäftlich schneller und flexibler agieren und schont dabei die Umwelt.
Firmenprofil: Mepha

Mepha-Group ist der führende Generikahersteller in der Schweiz. Die stark wachsende Pharma-Unternehmensgruppe ist global tätig, verfügt über eigene Forschung und Entwicklung sowie eine hoch entwickelte Produktion. Das weltweite Verkaufsnetz umfasst 50 Länder. 1989 wurde die Mepha Pharma AG, eine Tochtergesellschaft der Mepha Holding AG, gegründet. Sie ist für den Vertrieb der Medikamente in der Schweiz verantwortlich. Das Unternehmen beschäftigt in der Schweiz 471 und international 116 Mitarbeiter. 2008 erwirtschaftete die Mepha-Gruppe weltweit einen Umsatz von 379 Millionen Franken, die Schweizer Vertriebsgesellschaft Mepha Pharma 167 Millionen Franken.
www.mepha.ch
Pascal Gelin



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