27.10.2005, 19:13 Uhr

Quelloffen ist «High-End»

Auch wenn man nicht genügend oft betonen kann, dass der tiefe Beschaffungspreis nur eine Folge und nicht die Motivation für Opensource-Software (OSS) ist, so erhält diese doch immer wieder das Prädikat «gratis» angeheftet.
Der Autor Andrej Vckovski ist CEO von Netcetera.
Interessanterweise sind aber gerade grosse IT-Organisationen massgebliche Nutzer von Open-Source-Produkten; dabei könnten sich diese prob-lemlos kommerzielle Software leisten. Sie sind sich in der Regel auch gewohnt, für viel Geld Softwarelizenzen einzukaufen. Das eh nicht zentrale Preisargument ist also bei dieser «High-End»-Informatik mit Sicherheit nicht relevant. Aber wieso wird dann in einem Bank-Rechenzentrum OSS eingesetzt?
Mal abgesehen von den ganz frühen EDV-Zeiten wurde die erste als Source-Code verfügbare Software historisch gesehen vermutlich im Kontext von Unix- und VMS-Systemen und insbesondere im Bereich der Netzwerk-Interoperabilität eingesetzt. Gerade im Umfeld von Unix-Systemen standen schon früh zahlreiche Komponenten als Quellcode mit der Berechtigung - oder gar Aufforderung - zur Anpassung und Erweiterung zur Verfügung. Auch in der VMS-Community tauschte man gegenseitig Software im Quellcode aus. VMS und Unix standen jedoch neben den Hochschulen insbesondere in den grossen Rechenzentren im Einsatz. Zudem war auch die hiesige Welt der Finanzdienstleister Unix- und VMS-Nutzer der ersten Stunde. Diese Organisationen setzten also schon OS-Komponenten ein, als diese noch gar nicht unter diesem Namen bekannt waren.
Mit der schnellen Verbreitung des Internets auch ausserhalb des universitären Umfelds hat sich in den Firmen parallel TCP/IP als interoperabler Netzwerkstandard durchgesetzt und entsprechende OS-Infrastruktursoftware weiter etabliert.
Heute kann sich kein grosses Rechenzentrum mehr leisten, auf OSS zu verzichten. In gewissen Bereichen sind die Produkte schlichtweg zu verbreitet oder Alternativen inexistent. Letztendlich sind es aber Qualität und Verfügbarkeit, welche den Ausschlag geben. Und zwar nicht nur Qualität und Verfügbarkeit der Software, sondern auch diejenige der Dokumentation und der Unterstützungsquellen im Internet. Eine Evaluation kann sofort gestartet werden, andere Erfahrungsberichte können sofort gefunden werden, allfällige Probleme können selbst adressiert werden. Und Anpassungs- oder Ergänzungswünschen - welche in grossen und komplexen Infrastrukturen oft vorkommen - steht nichts im Wege.
Natürlich ist auch im High-end-Bereich nicht jede OSS grundsätzlich gut. Eine Beurteilung (wie auch im Fall von nicht-offener Software) ist deshalb nötig. Diese Beurteilung ist allerdings oft einfacher, weil die Beurteilungsgrundlagen besser verfügbar sind. Gerade für Infrastruktursoftware wie Betriebssysteme, Netzwerkdienste und Applikationsserver sowie für Softwarekomponenten wie Klas-sen--bibliotheken kann es sich eine professionelle IT-Organisation nicht mehr leisten, ohne OSS zu leben - und sie wird es auch nicht wollen.
Selbstverständlich heisst das aber nicht, dass kommerzielle Pakete keine Chance hätten. Die Evolution der Systeme hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass zumindest bei den am meisten verbreiteten und gängigen Produkten keine grosse Konkurrenz besteht, und sich die Hersteller auf Gebiete konzentrieren, in denen keine und ungenügende OS-Pakete bestehen. Oder aber die kommerziellen Softwarehersteller beginnen, Open--Source- basierte Vertriebsmodelle zu nutzen.



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