13.02.2009, 07:44 Uhr

"Gebraucht-Software spart bis zu 50 Prozent Kosten"

Vor dem Hintergrund drohender Sparmassnahmen wird Gebraucht-Software für IT-Verantwortliche immer interessanter. Boris Vöge, Vorstand von Preo Software, im Interview mit Computerworld.

CW: Das Thema Vertrieb und Nutzung gebrauchter Software steht seit geraumer Zeit im Blickpunkt des IT-Marktes. Was verbirgt sich hinter ,,gebrauchter Software"?
Boris Vöge: Gebrauchte Software ist eine Software, die von einem Hersteller bereits einmal an ein Unternehmen verkauft wurde. Diese Software gelangt dann wieder in den Markt, weil auf ein anderes Release umgestellt oder auf ein anderes Herstellerprodukt migriert wird. Die nicht mehr benötigte Software wird wieder verkauft. Als gebrauchte Software sind so Einzel- und Volumenlizenzen aktueller und natürlich auch älterer Software-Versionen verfügbar.
CW: Die Diskussion zum Gebraucht-Software-Markt ist insbesondere in Deutschland von unterschiedlicher Interpretation geprägt. Können Sie kurz erläutern wie sich die Situation in Deutschland von der in der Schweiz unterscheidet?
Boris Vöge: Gebrauchte Software kann verkörpert (mit Datenträger) frei verkauft oder gekauft werden. Gleiches gilt für Volumenlizenzen, die über einen Masterdatenträger verkörpert sind, befand das Landesgericht Hamburg. Eine Ausnahme bildet das unverkörpert online erworbene Nutzungsrecht, dieses erschöpft sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) München nicht - meiner Meinung nach eine klare planwidrige Regelungslücke. Das Urheberrecht ist in der EU harmonisiert und auch die Schweiz hat ein sehr ähnliches Recht, wie Deutschland - inklusive des Erschöpfungsgrundsatzes.
Ein häufig vernachlässigter Aspekt ist jedoch die sich aus den Verträgen ergebene schuldrechtliche Perspektive. Hat ein Hersteller sich vertraglich verpflichtet einer Übertragung nur aus triftigem Grunde zu widersprechen, kann ein Unternehmen diese Verpflichtung natürlich auch einfordern, genau so, wie der Hersteller seinerseits eine richtige Lizenzierung erwartet. Wirtschaftliche Gründe sind übrigens keine triftigen Gründe.
CW: Wie entwickelt sich der Markt für gebrauchte Software in der Schweiz?
Boris Vöge: Der Schweizer Markt entwickelt sich genauso rasant, wie der deutsche oder österreichische. Hinsichtlich der Erschliessung der Potenziale liegt die Schweiz mit drei bis vier Prozent noch etwas zurück. In Deutschland wird die Erschliessung des Marktpotentials in diesem Jahr bestimmt bei acht bis zehn Prozent liegen
CW: Für welche Anwenderunternehmen sind gebrauchte Lizenzen bzw. der Verkauf von nicht benötigten Lizenzen besonders interessant?
Boris Vöge: Für jedes Unternehmen ist der Erwerb und die Rekapitalisierung gebrauchter Software interessant. Sowohl Einzellizenzen bei kleineren als auch Volumenlizenzen bei grösseren und international agierenden Unternehmen sind in der Beschaffung, aber auch im Verkauf für Unternehmen interessant.
CW: Wo liegen die konkreten Vorteile für ein Anwenderunternehmen, das gebrauchte Lizenzen erwirbt?
Boris Vöge: Die Vorteile liegen eindeutig in der Kosteneinsparung von bis zu 50 Prozent. Die zunehmende Erkenntnis, dass Software Lizenzen einen Wert darstellen, führt zu neuen Freiheitsgraden für die IT. Unternehmen können kostengünstig auf einem Release standardisieren und zu gegebenem Zeitpunkt aus strategischen Gründen auf eine neuere Version updaten. Der Käufer gebrauchter Software erwirbt die Nutzungsrechte an der Software mit den gleichen Rechten und natürlich auch Pflichten, wie der Erstlizenznehmer. Er kann also beispielsweise bei Volumenlizenzen verschiedene Sprachen nutzen, die Software über eine Softwareverteilung verteilen und über Terminalserverdienste einsetzen.
CW: Welche Software und welche Lizenztypen werden in der Schweiz vom Markt besonders nachgefragt oder am stärksten gehandelt?
Boris Vöge: Die Nachfrage unterscheidet sich nicht wesentlich von der Nachfrage über traditionelle Kanäle. Einen grossen Anteil besitzen Microsoft Produkte, aber auch SAP, Citrix und Adobe werden stark nachgefragt. Hinsichtlich der Lizenzformen ist eine konstante Nachfrage sowohl für Einzellizenzen, wie OEM und Volumenlizenzen, wie Select und OPEN vorhanden.
CW: Wer ist in den Unternehmen an der Entscheidung beteiligt?
Boris Vöge: Beim Erstkauf sind neben dem Einkauf und der IT-Leitung häufig die Rechtsabteilung sowie die Geschäftsleitung an der Entscheidung beteiligt. Nachdem die Anforderungen an den Händler, bzw. die Übertragungsprozesse definiert sind, beschränkt sich das Buying Center bei Folgekäufen primär auf Einkauf und IT-Leitung. Die Auswahlkriterien sind vor allem die Transparenz über Herkunft und Nutzungsrechte der Lizenzen, die Einbindung der Hersteller, Referenzen, das Lizenz-Know-how und der Preis.
CW: Welche Aspekte sollten Anwender hinsichtlich einer modernen Lizenzierungs-Strategie berücksichtigen?
Boris Vöge: Da Software nicht verschleisst, kann sie nach ihrem Nutzungsende rekapitalisiert werden. IT-Projekte lassen sich durch das Remarketing refinanzieren, sodass Projekte schneller umgesetzt und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens verbessert werden können. Um den maximalen Ertrag für ungenutzte Software zu erzielen, sollten Lizenzen, und gerade mit Wartung verbundene Lizenzen, möglichst zeitnah nach dem Nutzungsende veräussert werden. Eine Nachzahlung von Wartung um die Software auf den aktuellen Stand zu bringen, geht sonst immer stärker zu Lasten des Erlöses.
CW: Wo liegen die Herausforderungen beim Management von Lizenzen - und wie kann das Modell gebrauchte Software das Lizenzmanagement unterstützen?
Boris Vöge: Neben dem Lizenz-Know-how ist die Fähigkeit Prozesse zu definieren, äusserst wichtig. In den Abteilungen eines Unternehmens wird Software häufig noch als Arbeitsmittel konsumiert. Dem Lizenzmanagement obliegt die schwierige Aufgabe, die Werthaltigkeit von Software und einen entsprechend sorgsamen Umgang mit den Lizenzen zu kommunizieren und durchzusetzen.
Die Erkenntnis, dass Software einen Wert darstellt, führt in der Folge fast zwangsläufig zum Software Remarketing. Diese wertschöpfende Komponente des Lizenzmanagement-Prozesses beinhaltet die Rekapitalisierung der Software nach deren Nutzungsende und zugleich die alternative Beschaffung von Software aus der Zweitvermarktung zur Standardisierung auf ein Release.
CW: Wie sollten Anwender bei der Auswahl von Lieferanten der gebrauchten Lizenzen vorgehen?
Boris Vöge: Die Geschäftsmodelle der Anbieter gebrauchter Software unterscheiden sich stark. Hauptsächliches Differenzierungskriterium ist die Transparenz im Umgang mit den Lizenzen und deren Übertragung. Die Transparenz ist für den Käufer deshalb so wichtig, damit er die mit der Lizenz verbundenen Nutzungsrechte kennt und dadurch in der Lage ist, sich richtig zu lizenzieren. Zudem hat der Käufer ein Interesse die Lizenzherkunft über die Rechtekette nachweisen zu können, um sich nicht der Gefahr des Einsatzes von Raubkopien auszusetzen. Der Anwender sollte also einen Händler wählen, der ihm alle mit den Lizenzen verbundenen Informationen zur Verfügung stellt. Nur dann kann der Anwender seine einmal gebraucht erworbenen Lizenzen wieder frei weiterverkaufen. Bei selbstgedruckten Zertifikaten dürfte die Wahrscheinlichkeit des Wiederverkaufs gegen Null gehen.



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