26.01.2006, 19:30 Uhr

Die Suchkönigin

Google hat jede Menge neuer Dienste in der Pipeline. Die Börse belohnt"s mit Kurshöhenflügen. Aber ist Google wirklich unbesiegbar?
Der Internetpionier Vinton Cerf ist Cheftechniker bei Google.
den letzten zwölf Monaten ist der Aktienkurs der Suchkönigin Google geradezu in die Höhe geschossen. Zwischenzeitlich erreichte er sogar einen Höchstwert um 475 Dollar. Besser noch: Onlinewerbung, die Haupteinnahmequelle des Unternehmens, soll vo-lumenmässig markant weiterwachsen. Keine Frage, Google surft auf einer Erfolgswelle. Die jedoch weckt Begehrlichkeiten, und so müssen sich die Kalifornier im achten Jahr nach der Firmengründung der Konkurrenten erwehren.Google verteidigt ihr Kerngeschäft vehement und lanciert ausserdem eifrig Zusatzdienste.
Denn bislang schöpft das Unternehmen den Löwenanteil ihres Umsatzes aus einer einzigen Form der Onlinewerbung, aus bezahlten Suchanzeigen. Das sei Googles Achillesferse, glauben manche Beobachter. Auch deshalb, weil dieses Werbemodell -anfällig sei für so genannte Click Frauds. Solche Betrügereien beim Zählen, wie oft ein Link aufgerufen wurde, sind für die Branche zu einem echten Problem geworden. Ihr rasantes Wachstum muss Google auch intern verdauen. Ende des dritten Quartals 2005 hatte das Unternehmen knapp 5000 Mitarbeiter - das sind fast 900 mehr als noch im zweiten Quartal und ein Mehrfaches der 2700 Mitarbeiter des dritten Quartals 2004.

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Zudem findet sich das Unternehmen seit seiner wachsenden Bedeutung im Markt in juristische Querelen mit Konkurrenten verwickelt - eine potenzielle Gefahr für das Image seines Markennamens. Dabei geht es um Themen wie Urheberrechtsverletzungen oder Onlinebetrug. Als Google im April 2004 «Gmail» lancierte, erntete sie harsche Kritik von Anwälten, weil sie an die E-Mails Werbetexte anhängte, die auf Basis einer Textanalyse des Mail-Inhalts gewählt wur--den. Wer etwa in der Mail das Thema Fussball erwähnte, der wurde mit Werbung von Sport-artikelherstellern bestückt. Google wehrte sich vehement gegen den Vorwurf, dabei die Inhalte des Mail-Verkehrs auszuspionieren. Die Technik sei nicht invasiver als Software, die Mails nach Viren oder Spam durchforste, so ihr Gegenargument.
In jüngster Zeit zog Google den Zorn von Verlegern und Buchautoren auf sich, weil sie die Bestände renommierter amerikanischer und britischer Bibliotheken für ihr «Google Book Search»-Programm digital erfassen will. Die Quittung folgte prompt im Sep-tember, in Form einer Sammelklage des In-teressenverbands «Authors Guild» wegen massiver Urheberrechsverletzung. Dabei sei die Idee an für sich gut, sagt Analyst Allen Weiner von Gartner. Allerdings habe Google sie sehr schlecht öffentlich kommuniziert. Gary Stein von Jupiter Research meint lakonisch, dass kein Unternehmen von der Bedeutung Googles solche Kontroversen vermeiden könne. Wichtiger sei, damit professionell umzugehen. Am allerwichtigsten sei für Google, sich die Sympathien der Surfer zu bewahren: «Wer heute online sucht, tut das meist mit Googles Hilfe. Nur das zählt», ist sich Finanzanalyst Philip Remek von Guzman & Company sicher.

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Zu viele Hochzeiten?

Googles Ruf und Erfolg basieren darauf, dass sie den besten Suchdienst im Web anbot und es verstanden hat, daraus Umsatz zu generieren. Gleichzeitig hat das Unternehmen jedoch klar gemacht, dass es nicht nur ein Provider von Suchmaschinen sei. So besitzt es mit «Blogge» einen der bekanntesten Blogs und hat somit in dem Bereich des Online-Tagebuchschreibens, der in jüngster Zeit ungeheuer populär wurde, die Nase vorn. Des weiteren gehört Google «Picasa», ein System, mit dem sich Fotos organisieren, bearbeiten und auch von Dritten ansehen lassen. Mit «Gmail» haben die Kalifornier einen E-Mail-Dienst im Programm. Seit diesem Jahr steht mit «Google Talk» ein eigener Instant-Messaging-Dienst zur Verfügung. Und unter dem Namen «Orkut» betreibt die Suchkönigin einen eigenen Social-Networking-Dienst.
Damit ist das Ideenpotenzial der Kalifornier noch nicht erschöpft: Die Stadt San Francisco wollen sie mit drahtlosen Internetzugängen ausstatten - ein Service, den sie in ihrer Heimatstadt Mountain View bereits realisiert haben. Google versorgt IT-Abteilungen mit Software für unternehmensweites Suchen und bestimmte Berufe wie Immobilienmakler, Architekten, Ingenieure und die öffentliche Hand mit geografischen Informationen unter dem Label «Google Earth».
Wer auf so vielen Hochzeiten tanze, riskiere, seine Kernkompetenzen aus dem Blickfeld zu verlieren, unkt Mark Mahaney, Analyst der Citigroup. Sein Berufskollege Weiner vergleicht Goolge mit Apple: Auch die Firma des Steve Jobs hat Produkte in sehr unterschiedlichen Segmenten im Port-folio, doch diese «fügen sich wie in einem Puzzle zusammen. Google hingegen hat kein solches Rahmenwerk», kritisiert Weiner. Die Gefahr sei weniger, dass Google ihren Fokus verliere, sondern dass «sie in all den Bereichen, in denen sie aktiv ist, unmöglich fundiertes Wissen haben kann - und somit auch keinen Blick für die Gewichtung der verschiedenen Segmente hat». Um sich das Know-how anzueignen, müsse Google dringend Manager aus dem Medienbereich rekrutieren - Leute, die sich mit Fernsehen, Filmproduktion, Musik und ähnlichem gut auskennen. Erst dann könne entschieden werden, wo es Sinn mache, aktiv zu werden, beispielsweise bei Suchdiensten für Videobilder, ergänzt Weiner.

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Analyst Stein dagegen findet es sinnvoll, wenn Google in allen wichtigen Onlinediensten mitmischt: Wenn sie einen Fuss in all diesen Bereichen habe, könne sie später einen Komplettdienst für die digitale Welt anbieten und diesen langfristig anbieten. Dazu passt, dass Google sich selbst nicht als Portal, aber auch nicht als reine Suchmaschine charakterisiert: «Wir wollen die Informationen der Welt organisieren und für jedermann zugänglich und nutzbar machen», klingt es selbstbewusst aus der Konzernzentrale.

Rivalen überall

Während Google an ihrer Diversifizierung bastelt, verschärft sich der Konkurrenzkampf unter den «klassischen» Suchdiensten. Web-Suchfunktionen werden mittlerweile von den verschiedensten Zusatzdiensten ergänzt, etwa die gezielte Suche nach regionalen oder lokalen Ergebnissen, nach Nachrichten, Bildern, Audio- oder Videoinformationen, Blogs, Podcasts, Jobs oder Kleinanzeigen. Die Suche soll auch mit Mobilgeräten funktionieren. Google muss sich also anstrengen, um auch technisch weiter vorne mitzumischen, im Angesicht potenter Konkurrenten wie Yahoo und Microsoft, aber auch zahlreicher Start-ups, sagt Finanzanalyst Remek.
Alle Anbieterinnen wissen, dass besonders solche Suchdienste gefragt sind, die individuell ergiebige Ergebnisse liefern - mit anderen Worten, dass ihre Dienste intuitiv zu nutzen sein und intelligente Ergebnisse liefern müssen. Hier liegt noch einiges an Entwicklungsarbeit brach, und auch Google muss sehen, dass sie am Ball bleibt.

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Vinton Cerf gilt als einer der Väter des Internets, weil er an der Entwicklung des TCP/IP-Protokolls beteiligt war. Es war ein kluger Schachzug von Google, sich den Internetpionier als technischen Vordenker - offiziell: «Chief Internet Evangelist» - ins Haus zu holen. Hier ein Gespräch mit Cerf über das Internet, Googles Rolle und ihre aktuellen Geschäftskonzepte.
Interview: Catharina Bujnoch/IDG
Catharina Bujnoch: Suchfunktionen sind mittlerweile nur mehr eins von vielen Google-Diensten - Blogs, Web-Mail, Wifi-Zugriff, Instant Messaging und Social Networking ergänzen das Kerngeschäft. Verzettelt sich Google?
Vinton Cerf: Überhaupt nicht. Bei Google arbeiten Leute, die genau die Optionen schätzen, die Software plus Informationen öffnen. Sie tarieren aus, wie diese computergestützten Tools noch nützlicher gemacht, wie sie funktionsübergreifend genutzt werden können. Der Fokus liegt nicht einfach auf «Suchen», sondern Information soll auffindbar und sinnvoll zu nutzen sein. Damit sind alle neueren Google-Dienste Ergänzungen des ursprünglichen Kerngeschäfts.

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Catharina Bujnoch: Machen Dienste wie Search Appliance oder Google Mini für unternehmensweite Suche wirklich Sinn?
Vinton Cerf: Aber sicher. Und zwar deshalb, weil die Dineste für jedes Unternehmen, klein oder gross, angeboten werden können. Die Mitarbeiter können damit Informationen und speziell unstrukturierte Informationen besser organisieren. So etwas ist gefrag, und wir bieten es an. Somit schöpfen wir aus unserem Wissen und unserer Erfahrung aus dem allgemeinen Web und machen dies Firmen zunutze.
Catharina Bujnoch: Aber dabei vermischt sich vieles...
Vinton Cerf: Das freut mich am meisten! Wir haben kein Monopol auf Kreativität. Millionen Menschen weltweit haben Ideen, wie sich unsere Plattform nutzen lässt, auf die wir selbst nie gekommen wären. Von uns erfundene Techniken werden also in der Praxis in unendlich vielen Varianten genutzt - das ist doch prima.
Catharina Bujnoch: Googles Umsatz stammt hauptsächlich aus bezahlten Suchanzeigen. Müsste sie nicht versuchen, ihre Einnahmequellen zu diversifizieren?

Vinton Cerf: Natürlich sollte man sich immer bewusst sein, wie abhängig man von einzelnen Umsatzquellen ist. Das von uns genutzte Onlinewerbesegment ist indes noch lange nicht ausgeschöpft. Ich will mich keineswegs selbstgefällig zurücklehnen. Ich sage nur, unser derzeitiges Geschäftsmodell kann weiter wachsen, bevor Diversifizierung nötig ist.

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Catharina Bujnoch: Wie behaupten Sie sich gegen namhafte Konkurrenten respektive gegen Start-ups?

Vinton Cerf: Wir sind Marktführer und wollen es bleiben, darum ruhen wir uns nie auf unseren Lorbeeren aus, sondern entwickeln ständig frische Ideen. Richtig, wir haben zahlreiche Konkurrenten. Also behalten wir die Augen offen für neue Optionen, nicht nur bei der Internetsuche, sondern generell bei der Informationsverarbeitung. Wir versuchen, die qualifiziertesten Mitarbeiter zu rekrutieren und lassen sie diskutieren und forschen. Wir möchten eine Firmenkultur bewahren wie die eines Start-ups: Eine solche Arbeitsatmosphäre hilft uns im Wettbewerb.
Catharina Bujnoch: Seit Anfang 2004 sieht sich Google in verschiedene Streitereien verwickelt, zum Beispiel die Klagen der Verleger gegen «Google Book Search». Wie gehen Sie damit um?

Vinton Cerf: Nun, auch darum wurde ich engagiert. Was Book Search betrifft, so bin ich der Ansicht, dass wir sorgfältig offengelegt haben, wie das funktioneren wird und wie die Interessen der Verleger geschützt werden. Deren Reaktion ist nicht gerechtfertigt. Ich hoffe, wir können das Thema zufriedenstellend für beide Seiten regeln. Google wird solche Konfrontationen in Zukunft immer wieder erleben. Wir gehen mit riesigen Mengen an Informationen von oder über Menschen um, da ist es nur normal, dass es zu unterschiedlichen Meinungen kommt. Aber Sie haben Recht: Wir müssen lernen, damit wirksamer umzugehen.
Catharina Bujnoch



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