Anschlussnetze in der Schweiz

Weitere Entwicklung

Bereits zu Beginn der PON-Entwicklung vor über 25 Jahren bemühte man sich um gemeinsame Standards. Seit einer Dekade arbeiten die Standardisierungsgremien und Telko-Lieferanten an den nächsten PON-Generationen.
Neben den höheren Übertragungsgeschwindigkeiten und den grösseren Distanzen eröffnen sich interessante Perspek­tiven dank der neuen Multiplexing-Verfahren und des inno­vativen 50G-PON. Für Fernverkehrs- und Metronetze bereits lieferbar sind (allerdings noch proprietäre) Transceiver für 400 Gbit/s. Der Bandbreitenbedarf wird künftig also weiter zunehmen. Zum Netzausbau gibt es schlicht und einfach keine Alternative.
WEKO-Untersuchung gegen Swisscom
GlasfaserAusbau im Anschlussnetz ausgesetzt
Am 14. 12. 2020 eröffnete die Wettbewerbskommission (WEKO) eine Untersuchung gegen Swisscom und verfügte vorsorgliche Massnahmen. Laut WEKO besteht die Gefahr, dass Swisscom beim Bau des Glasfasernetzes Konkurrenten vom Markt ausschliesst.
Seit mehr als zehn Jahren entstehen in der Schweiz Glasfasernetze in FTTH-Technik (Fibre To The Home), zunächst in Grossstädten, später auch in Agglomerationen oder einzelnen Gemeinden. Am runden Tisch der Eidgenössischen Kommunikationskommission (ComCom) und dem Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) einigte man sich in jahrelangen Verhandlungen auf eine einheitliche Anschlusstechnik und das Vier-Faser-Modell für FTTH. Hier werden ab Anschlusszentrale bis zu jedem einzelnen Haushalt vier durchgängige Glasfasern gezogen.
Gerade die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) sprachen sich zunächst für ein Ein-Faser-Modell aus. Besonders Swisscom votierte damals für vier Fasern und sah sich in der Defensive, weil sie die Kontrolle über das Anschlussnetz zu verlieren fürchtete. Mit dem Einzug von nur einer Glasfaser würde ein Monopol entstehen und entsprechend wäre eine Regulierung nötig. Zudem hätten die Kunden nur eine eingeschränkte Produktwahl zur Verfügung, was aufgrund des geringeren Kostendrucks auf einen einzigen Netzbetreiber höhere Preise zur Folge haben könnte. Reine Serviceanbieter hätten dann keine Wahlmöglichkeit für FTTH und könnten keine eigene Glasfaser nutzen, was die Marktdynamik und technologische Innovation gefährde, so die Argumente der Swisscom damals. Hingegen würden die Investitionen bei Verlegung mehrerer Glasfasern pro Wohnung nur marginal steigen und der technische Wettbewerb sei gewährleistet.
Abschied vom Vier-Faser-Modell
In Kooperation mit den EVUs hatte Swisscom bisher das Vier-Faser-Modell bei FTTH baulich umgesetzt. Dies entspricht einer Punkt-zu-Punkt-Netzarchitektur (P2P) mit vier separaten Fasern von der Anschlusszentrale bis zum Haushalt in einer Sternstruktur. Als Vorzeigebeispiel dafür diente der Kanton Freiburg. Hier vereinbarten das EVU Groupe E und Swisscom im März 2009 eine Kooperation beim Bau eines flächendeckenden Glasfasernetzes in Mehrfasertechnik, um die Ausbaukosten zu senken und den Wettbewerb zu sichern. Im Kern stand auch hier das Vier-Faser-Modell. Der FTTH-Ausbau stockte dann aber, bis Swisscom 2017 den Vertrag kündigte und im November 2019 einen neuen abschloss. Sie erhielt damit die gewünschte Flexibilität zurück, um nicht überall FTTH, sondern fallweise auch Hybridtechniken mit Glas und Kupfer einsetzen zu können (Fibre To The Street [FTTS] und Fibre To The Building [FTTB], siehe Hauptartikel).
Mit einer veränderten Netzbaustrategie begann Swisscom nach Angaben der WEKO spätestens Anfang 2020, sich in jenen Gebieten, in denen sie Glasfasernetze allein baut, vom Vier-Faser-Modell mit offenem Netzzugang zu verabschieden. Zwar werden weiterhin vier Fasern bis zum letzten Verteilschacht eingezogen. Von dort wird aber aus Kostengründen nur noch eine einzige Glasfaser bis zum Haus eingezogen. Mithilfe optischer Splitter werden solche Glasfasern unter mehreren Anschlüssen aufgeteilt, was einer Punkt-zu-Multipunkt-Netzarchitektur (P2MP) entspricht. Ein solches PON (Passive Optical Network) folgt also einer Baumstruktur, da sich mehrere Endkunden eine gesplittete Glasfaser vom Kabelschacht bis zur Hauszuführung teilen. Solche PONs seien weltweit eine gängige Technik, argumentiert die Swisscom.
WEKO-Untersuchung
Beim Vier-Faser-Modell werden zwei Fasern meist durch den lokalen Energieversorger und Swisscom belegt, während die verbleibenden zwei meist unbeschaltet bleiben («Dark Fibre»). Diese stehen anderen Anbietern technologieunabhängig zur Verfügung. Wegen der Splittung im PON mit P2MP kann Swisscom auf dem Endkundenanschluss nun keinen freien Layer-1-Zugang mehr anbieten. Zwar kann der alterna­tive Provider einen logischen Zugang zum Kundenanschluss erhalten, der aber auf einem höheren Layer mit vorgegebener Übertragungs- und Anschlusstechnik erfolgt. Die WEKO spricht hier von «Vorleistungen» der Swisscom, auf welche die Mitbewerber angewiesen sind.
Laut WEKO «wird damit eine Wettbewerbssituation geschaffen, die derjenigen vor der Regulierung der Kupferkabelinfrastruktur von Swiss­com gleicht. Die WEKO erkennt in der Verhaltensweise von Swisscom Anhaltspunkte für ein kartellrechtswidriges Verhalten, durch das Wettbewerber von Swisscom beim Zugang zur Netzwerkinfrastruktur er­heblich beeinträchtigt werden können». Daher wurde Swisscom am 14. 12. 2020 verpflichtet, anderen Fernmeldedienstanbietern «unabhängig von der von Swisscom gewählten Netzwerkarchitektur weiterhin den Zugang zur physischen Netzwerkinfrastruktur zu gewähren. Hierbei kann Swisscom grundsätzlich zwischen sämtlichen zur Verfügung stehenden Ausbauvarianten (AON oder PON) wählen, solange sie einen Layer-1-Zugang für Dritte in ihren Anschlusszentralen gewährt».
Zurzeit wird vertieft untersucht, inwiefern Swisscom durch die Verweigerung des Netzzugangs allenfalls ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht. Eine solche Untersuchung dauert durchschnittlich rund zwei Jahre. Parallel dazu ist ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hängig, da Swisscom die von der WEKO angeordneten vorsorglichen Massnahmen angefochten hat. Mit den vorsorglichen Massnahmen untersagte die WEKO der Swisscom mit sofortiger Wirkung, ihr Glasfasernetz in einer Weise aufzubauen, die Dritten einen Layer-1-Zugang ab den Anschlusszentralen von Swisscom verunmöglicht. Es bleibt zu hoffen, dass bald eine Lösung gefunden wird, mit der alle Beteiligten leben können – dies im Interesse der Breitband­erschliessung der Schweiz, die sich nicht nur auf Städte konzentriert und Gewerbetreibende sowie Private gleichermassen adressiert.
Computerworld-Redaktion



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