Hohe Investitionen in einem umkämpften Markt 31.03.2021, 05:57 Uhr

Anschlussnetze in der Schweiz

Nirgendwo offenbart sich der Konkurrenzkampf der Telekom-Anbieter direkter als im Anschlussnetz, sei es drahtgebunden oder mobil. Denn wer einen direkten Netzzugang zum Kunden hat, kann ein besseres Gesamtpaket anbieten. Es ist aber auch ein Kampf der Technologien.
Cloud Computing, Home Office und privater Konsum treiben den Bandbreitenausbau an
(Quelle: Swisscom)
Wenn es um die Versorgung der Schweiz mit Breitbanddiensten geht, hilft ein Blick in Statistiken, um die Dimensionen einzuschätzen. So lebten gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) Ende 2019 über 8,6 Millionen Einwohner in der Schweiz (1900: 3,3 Mio.), davon 5,422 Millionen Einwohner im städtischen Kernraum, 1,875 Millionen innerhalb städtischer Kerne und 1,308 Millionen ausserhalb, also auf dem Land. Im Gegensatz zur sonstigen öffentlichen Infrastruktur wie Bahnlinien, Strassen, Kanalisation, Abwasserreinigung oder Müllverbrennung werden Kommunikationsnetze privat oder durch halbstaatliche Konzerne erstellt, betrieben und unterhalten. Der damit verbundene Aufwand wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen – ausser in einem Störungsfall.
Bevölkerungs­verteilung und Gemeinden der Schweiz
Quelle: Bundesamt für Statistik

Infrastruktur muss mitwachsen

Die absolute Einwohnerzahl wächst stetig, wenn auch langsamer als früher. Der Höhepunkt des Wachstums bestand zwischen 1950 und 1970 mit über 1,4 Prozent pro Jahr. In der sich anschliessenden Dekade waren es durchschnittlich nur 0,15 Prozent, was u. a. auf die Einwanderungsbegrenzung für aus­ländische Arbeitskräfte und die wirtschaftliche Rezession 1975/1976 zurückging. Nach diesen beiden Jahren wuchs die Bevölkerung wieder stärker, so 1980 bis 1990 um 0,6 Prozent jährlich, in den 1990ern um 0,7 Prozent und seit 2007 regelmässig um über 1 Prozent. 2017 sank die Wachstumsrate wieder unter diese Schwelle und bewegt sich zwischen 0,6 und 0,8 Prozent pro Jahr.
Die erwähnten 8,6 Millionen Einwohner verteilen sich auf über 3,8 Millionen Haushalte. Einpersonenhaushalte (über 1/3 oder 36 % der ständigen Wohnbevölkerung), Zweipersonenhaushalte (knapp 1/3 oder 30 % der ständigen Wohnbevölkerung) sowie der Anteil der über 65-Jährigen nehmen weiter zu. (Alle Angaben: Bundesamt für Statistik (BFS))
Ende 2019 betrug die durchschnitt­liche Haushaltsgrösse 2,21 Personen. Durch das überdurchschnittliche Einkommens- und Bildungsniveau der Schweizer Bevölkerung sind hochwertige ICT-Dienste gefragt. Zudem arbeiten wegen Covid-19 viele Mitarbeitende im Home Office, was die Kommunikationsnetze zusätzlich fordert.

Die Schweiz – ein KMU-Land

Auch die hierzulande ansässigen Firmen erwarten eine leistungsfähige ICT-Infrastruktur. Doch wie die Firmenstruktur der Schweiz effektiv aussieht, ist nur den wenigsten bewusst. So sind gemäss BFS über 99 Prozent aller Unternehmen in der Schweiz kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Beschäftigten. Ab 250 Beschäftigten gilt eine Firma als Grossunternehmen.
Bei der Schweiz als ausgesprochenem KMU-Land fällt die Anzahl von Mikrounternehmen auf (1 bis 9 Beschäftigte). Auch der Trend zu Kleinstfirmen wird durch Covid-19 beschleunigt – einerseits durch die zunehmende Arbeits­losigkeit, andererseits durch Home Office mit grösserer Nähe zur Wohnregion und zu potenziellen Kunden. Für Ende 2020 prognostiziert das BFS rund 608 000 Firmen. Davon sollen über 90 Prozent Mikrounternehmen sein, wobei deren Struktur und Geschäftsmodell sehr unterschiedlich sind. (Genaue Zahlen werden vom BFS im August des Folgejahres veröffentlicht)
Anzahl der Beschäftigten und der Firmen in der Schweiz Ende 2019
Art des Unternehmens (Anzahl Beschäftigte) Anzahl Unternehmen Gesamtanteil Anzahl Beschäftigte Prozentualer Anteil
Mikrounternehmen (1–9) 531'499 89,67 % 1'161'669 25,69 %
kleine Unternehmen (10–49) 50'311 8,49 % 969'120 21,44 %
mittlere Unternehmen (50–249) 9206 1,55 % 908'537 20,10 %
grosse Unternehmen (250+) 1679 0,29 % 1'481'693 32,77 %
Total 592'695 100,00 % 4'521'019 100,00 %
Anzahl der Beschäftigten und der Firmen in der Schweiz Ende 2019
Art des Unternehmens (Anzahl Beschäftigte) Anzahl Unternehmen Gesamtanteil Anzahl Beschäftigte Prozentualer Anteil
Mikrounternehmen (1–9) 531'499 89,67 % 1'161'669 25,69 %
kleine Unternehmen (10–49) 50'311 8,49 % 969'120 21,44 %
mittlere Unternehmen (50–249) 9206 1,55 % 908'537 20,10 %
grosse Unternehmen (250+) 1679 0,29 % 1'481'693 32,77 %
Total 592'695 100,00 % 4'521'019 100,00 %
(Quelle: BFS )

Ohne ICT läuft nichts

Grossfirmen sowie Bundes- oder kantonale Ämter haben andere Kommunikationsbedürfnisse als KMU und verfügen über andere Budgets. Deren ICT-Bedürfnisse weichen si­gnifikant voneinander ab, wobei es auch innerhalb einer Kundengruppe unterschiedliche Ansprüche betreffend Bandbreite und Ausfallsicherheit geben kann. So gibt es etwa bei den Grossverteilern überaus grosse Standorte (Hauptsitz, Verteil- und Einkaufszentren), aber auch kleine Filialen in der ländlichen Peripherie. Alle Standorte funk­tionieren ohne breitbandige Datenleitungen nicht mehr.
Die Schweiz beherbergt ausserdem zahlreiche Forschungsträger wie ETH, EMPA, EPFL, PSI sowie weitere anerkannte Universitäten und Fachhochschulen. Dazu gesellen sich Forschungs- und Entwicklungsabteilungen innovativer Firmen, die keinesfalls nur in Grossstädten residieren. Und auch ganz alltägliche Dinge wie unser hervorragendes Bahnnetz oder städtische Tramlinien funktionieren ohne ICT nicht mehr. In so einer total vernetzten Schweiz verwundert es nicht, dass die Betreiber von Fest- und Mobilfunknetzen sowie von Rechenzentren seit Jahren mit einer Verdoppelung der Datenmengen etwa alle 12 bis 16 Monate zu kämpfen haben.

Kupfer lebt weiter

Seit Ende der 1990er-Jahre hat sich das Anschlussnetz («letzte Meile») massiv weiterentwickelt. Hier fallen etwa 80 Prozent aller Netzinvestitionen an. Um sie zu schützen, leben auf dem Teilnehmeranschluss die guten alten ­Koaxialkabel der Kabelnetzbetreiber sowie die Kupfer­doppeladern der traditionellen Telkos weiter. Trotzdem ist das Glasfaserkabel bei beiden längst in die Quartiere vorgedrungen, wenn auch noch nicht überall. Breitbandige Video­anwendungen (Internet-Fernsehen [IPTV], Videostreaming, Online-Spiele etc.) heizen den Geschwindigkeitsbedarf im privaten Sektor gewaltig an. Breitbandige Anschlussnetze begegnen dem stetig steigenden Bandbreitenbedarf wirksam. Dabei verfahren die Netzbetreiber meist zweigleisig. Die Glasfaserkabel werden möglichst nahe an die Gebäude geführt, etwa zum Quartierverteiler oder zum nahen Kabelschacht. Von dort aus wird das bestehende Koaxial- respektive Kupferkabel weiterverwendet, wodurch die Hausinstallationen weitgehend unangetastet bleiben.

Kompensation von Störsignalen

In den Städten beflügeln Glasfaserkabel die Übertragungsgeschwindigkeiten (mit FTTH bis zu 10 Gbit/s symmetrisch). Denn für urbanen oder stadtnahen Wohnraum besteht eine ungebremste Nachfrage, während etwa ein Drittel aller Geschäftsliegenschaften leer stehen. Vor allem in ländlichen Gemeinden arbeiten Glasfasern im Verbund mit möglichst kurzen Kupferanschlussleitungen. Auf diesen letzten 100 Metern erhöhen neuere Übertragungsverfahren wie beispielsweise das Vectoring oder G.fast die Datenströme und bieten in der Praxis einige Hundert Mbit/s.
Die Erschliessung  der Schweiz mit Glasfasern (FTTH), Glas­faser/Kupfer (FTTC/FTTS/FTTB/Koax) oder mobil mit 4G/5G
Quelle: Rüdiger Sellin
Vectoring kam 2016 erstmals bei Swisscom und A1 in Österreich mit Fibre To The Curb (FTTC) auf der Kupfer­strecke zum Teilnehmer zum Einsatz (Curb, engl.: Bordsteinkante). Danach folgten British Telecom (BT), Fastweb (Italien), Belgacom und einige private Netzbetreiber in Deutschland. Hier gelangen die Glasfaserkabel von der Anschlusszentrale bis zu einem Quartierverteiler.
Beim Vectoring werden Störsignale wie Rauschen oder Nebensprechen durch künstliche Aufschaltung von Kompensationssignalen eliminiert. Dazu sind aufwendige Berechnungen in Echtzeit erforderlich. Nach der Ermittlung der Störsignale werden diese mit Gegenwellen weitest­gehend eliminiert. Vectoring wird auf Kupferleitungen bei einer Distanz von bis zu 500 Metern eingesetzt und bietet rund 100 Mbit/s (Downstream). Je grösser die Distanzen, desto tiefer sind die erzielbaren Bandbreiten und je höher die Störeinflüsse.

G.fast und Ultrabreitband (UBB)

G.fast ist eine Weiterentwicklung von VDSL2 und wurde in zwei internationalen Standards spezifiziert. ITU-T G.9700 beschreibt die Signaleigenschaften, um Störungen gegenüber anderen Diensten zu minimieren, die denselben Frequenzbereich verwenden. ITU-T G.9701 definiert die phy­si­kalische Schicht und das Übertragungsverfahren. Diese Spezifikation heisst «Fast Access to Subscriber Terminals» – daher die Kurzbezeichnung G.fast. Es wird bei Fibre To The Street (FTTS) oder Fibre To The Building (FTTB) verwendet.
Swisscom nennt diesen Technologiemix aus Glas sowie Kupfer «UBB» und hatte per Ende 2020 über 4,4 Millionen oder rund 82 Prozent aller Liegenschaften damit erschlossen (Bruttobitrate mehr als 80 Mbit/s im Download). Swisscom will bis Ende dieses Jahres alle Schweizer Gemeinden mit UBB erschlossen haben. Dadurch verfügen bis Ende 2025 zusätzlich 30 bis 40 Prozent der Haushalte und Geschäfte über Bandbreiten von 300 bis 500 Mbit/s.

Physikalische Grenzen von Kupfer

Trotz dieser Bemühungen bleiben die physikalischen Eigen­schaften von Kupferleitungen erhalten. Dies wird bei der Übertragung komplexer Breitbandsignale bei Leitungs­längen von über 750 Metern mit grosser Distanz zur Anschlusszentrale deutlich. Hier ist der Verbesserungseffekt durch Vectoring begrenzt. Auch Wind und Wetter aus­gesetzte Freileitungen lassen sich kaum optimieren und kommen höchstens nach Montage von Glasfaserkabeln auf hohe Bandbreiten. Diese Anschlussart ist bisweilen sogar am Stadtrand anzutreffen und nicht nur auf dem Land.
Ein weiteres Problem ist die asymmetrische Auslegung der Anschlussnetze, egal ob Koaxial- oder Kupferkabel. Zwar benötigen die meisten privaten Anwendungen höhere Bandbreiten im Download. Gleichwohl steigt der Bandbreitenbedarf auch im Upload, etwa durch Online-Spiele, Telemedizin oder Heimarbeitsplätze, die nahtlos in die Unternehmen eingebunden werden. Insbesondere bei Telekonferenzen stören langsame Uploads von Dokumenten oder Bildschirmansichten, ebenso bei Online-Spielen, wo langsame Reaktionszeiten Matche entscheiden.

AONs mit Vorteilen …

Der Ruf nach symmetrischen Glasfasern ist darum verständlich. Ein aktives optisches Anschlussnetz (Active Optical Network, kurz AON) entspricht diesem Wunsch vollauf. Hier wird jedem angeschlossenen Kunden eine eigene Punkt-zu-Punkt-Verbindung zugeteilt. Über eine Entfernung von ca. 50 bis 60 Kilometern werden Multi-Fiber-Glas- fasern ab Optical Line Termination (OLT) in der Zentrale bis zu den aktiven Splittern (Ethernet-Switches) im Ort oder Stadtteil geführt. Ab dort sorgen mehrere Single-Fibre-Glasfasern für die Feinverteilung der Signale zur Optical Network Termination (ONT) im Quartier oder auf dem Gelände des Grosskunden. Glasfaser- oder Kupferkabel verbinden die ONTs mit den Endgeräten im Gebäude.
Struktur und Komponenten eines Active Optical Networks (AON)
Quelle: Rüdiger Sellin
Unter den AONs ist das Active Ethernet (auch Point-to-Point-Ethernet) am meisten verbreitet, allerdings auch im gehobenen Preissegment positioniert. Es ist besonders bei Geschäftskunden beliebt, weil das interne Ethernet nahtlos ins AON eingebunden wird und hohe, symmetrische Bandbreiten bietet. Diese lassen sich kundenspezifisch in der Ortszentrale konfigurieren, was auch für die Zuteilung des Links zum gewünschten Service Provider gilt.
Als Nebeneffekt werden damit zugleich die Auflagen der Wettbewerbshüter erfüllt. Auf dem Campus lassen sich Komponenten verschiedener Hersteller problemlos kombinieren. Denn Ethernet (IEEE 802.3) ist seit Langem standardisiert und etabliert, was die Netzwerkkosten für Beschaffung, Betrieb und Unterhalt beim Kunden senkt.
Ausserhalb des Campus werden AONs oft via Metro-Ethernet-Ringen an das Weitverkehrsnetz herangeführt. Durch die Zwei-Wege-Führung besteht eine sehr hohe Übertragungssicherheit. Solche Ringe wurden nach der Jahrtausendwende besonders in Grossstädten durch traditionelle, aber auch durch alternative Netzbetreiber für Geschäftskunden errichtet, was Letzteren auch den Ruf als «Rosinenpicker» einbrachte.

… und Nachteilen

Problematisch bei AON ist der massiv höhere Bedarf an Glasfasern von der Ortszentrale zum Endkunden, da jeder Kunde eigene oder mehrere Fasern exklusiv erhält. In der städtischen Ortszentrale wird es am Hauptverteiler darum schnell eng. Hier müssen Tausende von Glasfasern rangiert, pro Kunde richtig zugeordnet und eingemessen werden. Auch der Stromverbrauch ist nicht vernachlässigbar, da
alle auf dem Übertragungsweg befindlichen Komponenten aktiv sind. Bei grösseren Leistungslängen sind zudem optische Verstärker/Repeater notwendig. Alle Komponenten inklusive Laser sind regelmässig zu kalibrieren und irgendwann zu ersetzen. Andernfalls können die Bitfehler zunehmen sowie Bandbreite und Zuverlässigkeit schleichend sinken, bis der Totalausfall droht.
Neben der Stromversorgung benötigen AONs einen aktiven Opto-Koppler, der elektrische in optische Signale umwandelt. Die gesamte Errichtung eines AON-Anschlusses ist aufwendig, ebenso Aufbau und Betrieb der Metro-Ethernet-Ringe. Besonders in Zeiten des scharfen Wett­bewerbs und tiefer Margen sinkt der Stern der AONs, da sich die Netz- und Betriebskosten nicht mehr ohne Weiteres auf die Kunden überwälzen lassen.

Günstigeres Passive Optical Network (PON)

PONs als passive Alternative sind international weitverbreitet, vor allem in Asien. Im Gegensatz zu einem AON verwendet ein PON zwischen der lokalen Zentrale und dem Kundenstandort nur passive Bauelemente ohne eigene Stromversorgung und ohne Switching-Funktionalität. PONs dienen der Versorgung von Gebäuden mit FTTH, wobei passive optische Splitter die Glasfaser in Richtung Kunden verzweigen. Die jeweiligen Splitverhältnisse (gängig sind 1:32 oder 1:64) entscheiden über die mögliche Bandbreite. Zwar bieten PONs nicht die Bandbreiten von FTTH ohne Splitter, aber immer noch deutlich mehr Speed als FTTC/FTTB/FTTS.
Struktur und Komponenten eines Passive Optical Networks (PON)
Quelle: Rüdiger Sellin
Verbreitete PON-Arten sind EPON (Ethernet-basierend), GEPON (Gigabit, Ethernet-basierend), BPON (Breitband, ATM-basierend) und GPON (Gigabit, ATM-basierend). Ein Sonderfall ist ein WDM PON (Wavelength Division Multiplexing), bei dem die Glasfasern von mehreren Teilnehmern gemeinsam genutzt werden (sharing). Dabei ersetzt ein passiver optischer Wellenlängenmultiplexer (Arrayed Wave Guide, AWG) den optischen Splitter. Die in der Zentrale auf unterschiedliche Wellenlängen modulierten Verkehrsströme werden durch den AWG auf die einzelnen Zugangsleitungen aufgeteilt. Trotz geteilter Glasfaser (sharing) steht damit jedem Geschäfts- oder Privatkunden eine dedizierte logische Verbindung zur Verfügung.

Weitere Entwicklung

Bereits zu Beginn der PON-Entwicklung vor über 25 Jahren bemühte man sich um gemeinsame Standards. Seit einer Dekade arbeiten die Standardisierungsgremien und Telko-Lieferanten an den nächsten PON-Generationen.
Neben den höheren Übertragungsgeschwindigkeiten und den grösseren Distanzen eröffnen sich interessante Perspek­tiven dank der neuen Multiplexing-Verfahren und des inno­vativen 50G-PON. Für Fernverkehrs- und Metronetze bereits lieferbar sind (allerdings noch proprietäre) Transceiver für 400 Gbit/s. Der Bandbreitenbedarf wird künftig also weiter zunehmen. Zum Netzausbau gibt es schlicht und einfach keine Alternative.
WEKO-Untersuchung gegen Swisscom
GlasfaserAusbau im Anschlussnetz ausgesetzt
Am 14. 12. 2020 eröffnete die Wettbewerbskommission (WEKO) eine Untersuchung gegen Swisscom und verfügte vorsorgliche Massnahmen. Laut WEKO besteht die Gefahr, dass Swisscom beim Bau des Glasfasernetzes Konkurrenten vom Markt ausschliesst.
Seit mehr als zehn Jahren entstehen in der Schweiz Glasfasernetze in FTTH-Technik (Fibre To The Home), zunächst in Grossstädten, später auch in Agglomerationen oder einzelnen Gemeinden. Am runden Tisch der Eidgenössischen Kommunikationskommission (ComCom) und dem Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) einigte man sich in jahrelangen Verhandlungen auf eine einheitliche Anschlusstechnik und das Vier-Faser-Modell für FTTH. Hier werden ab Anschlusszentrale bis zu jedem einzelnen Haushalt vier durchgängige Glasfasern gezogen.
Gerade die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) sprachen sich zunächst für ein Ein-Faser-Modell aus. Besonders Swisscom votierte damals für vier Fasern und sah sich in der Defensive, weil sie die Kontrolle über das Anschlussnetz zu verlieren fürchtete. Mit dem Einzug von nur einer Glasfaser würde ein Monopol entstehen und entsprechend wäre eine Regulierung nötig. Zudem hätten die Kunden nur eine eingeschränkte Produktwahl zur Verfügung, was aufgrund des geringeren Kostendrucks auf einen einzigen Netzbetreiber höhere Preise zur Folge haben könnte. Reine Serviceanbieter hätten dann keine Wahlmöglichkeit für FTTH und könnten keine eigene Glasfaser nutzen, was die Marktdynamik und technologische Innovation gefährde, so die Argumente der Swisscom damals. Hingegen würden die Investitionen bei Verlegung mehrerer Glasfasern pro Wohnung nur marginal steigen und der technische Wettbewerb sei gewährleistet.
Abschied vom Vier-Faser-Modell
In Kooperation mit den EVUs hatte Swisscom bisher das Vier-Faser-Modell bei FTTH baulich umgesetzt. Dies entspricht einer Punkt-zu-Punkt-Netzarchitektur (P2P) mit vier separaten Fasern von der Anschlusszentrale bis zum Haushalt in einer Sternstruktur. Als Vorzeigebeispiel dafür diente der Kanton Freiburg. Hier vereinbarten das EVU Groupe E und Swisscom im März 2009 eine Kooperation beim Bau eines flächendeckenden Glasfasernetzes in Mehrfasertechnik, um die Ausbaukosten zu senken und den Wettbewerb zu sichern. Im Kern stand auch hier das Vier-Faser-Modell. Der FTTH-Ausbau stockte dann aber, bis Swisscom 2017 den Vertrag kündigte und im November 2019 einen neuen abschloss. Sie erhielt damit die gewünschte Flexibilität zurück, um nicht überall FTTH, sondern fallweise auch Hybridtechniken mit Glas und Kupfer einsetzen zu können (Fibre To The Street [FTTS] und Fibre To The Building [FTTB], siehe Hauptartikel).
Mit einer veränderten Netzbaustrategie begann Swisscom nach Angaben der WEKO spätestens Anfang 2020, sich in jenen Gebieten, in denen sie Glasfasernetze allein baut, vom Vier-Faser-Modell mit offenem Netzzugang zu verabschieden. Zwar werden weiterhin vier Fasern bis zum letzten Verteilschacht eingezogen. Von dort wird aber aus Kostengründen nur noch eine einzige Glasfaser bis zum Haus eingezogen. Mithilfe optischer Splitter werden solche Glasfasern unter mehreren Anschlüssen aufgeteilt, was einer Punkt-zu-Multipunkt-Netzarchitektur (P2MP) entspricht. Ein solches PON (Passive Optical Network) folgt also einer Baumstruktur, da sich mehrere Endkunden eine gesplittete Glasfaser vom Kabelschacht bis zur Hauszuführung teilen. Solche PONs seien weltweit eine gängige Technik, argumentiert die Swisscom.
WEKO-Untersuchung
Beim Vier-Faser-Modell werden zwei Fasern meist durch den lokalen Energieversorger und Swisscom belegt, während die verbleibenden zwei meist unbeschaltet bleiben («Dark Fibre»). Diese stehen anderen Anbietern technologieunabhängig zur Verfügung. Wegen der Splittung im PON mit P2MP kann Swisscom auf dem Endkundenanschluss nun keinen freien Layer-1-Zugang mehr anbieten. Zwar kann der alterna­tive Provider einen logischen Zugang zum Kundenanschluss erhalten, der aber auf einem höheren Layer mit vorgegebener Übertragungs- und Anschlusstechnik erfolgt. Die WEKO spricht hier von «Vorleistungen» der Swisscom, auf welche die Mitbewerber angewiesen sind.
Laut WEKO «wird damit eine Wettbewerbssituation geschaffen, die derjenigen vor der Regulierung der Kupferkabelinfrastruktur von Swiss­com gleicht. Die WEKO erkennt in der Verhaltensweise von Swisscom Anhaltspunkte für ein kartellrechtswidriges Verhalten, durch das Wettbewerber von Swisscom beim Zugang zur Netzwerkinfrastruktur er­heblich beeinträchtigt werden können». Daher wurde Swisscom am 14. 12. 2020 verpflichtet, anderen Fernmeldedienstanbietern «unabhängig von der von Swisscom gewählten Netzwerkarchitektur weiterhin den Zugang zur physischen Netzwerkinfrastruktur zu gewähren. Hierbei kann Swisscom grundsätzlich zwischen sämtlichen zur Verfügung stehenden Ausbauvarianten (AON oder PON) wählen, solange sie einen Layer-1-Zugang für Dritte in ihren Anschlusszentralen gewährt».
Zurzeit wird vertieft untersucht, inwiefern Swisscom durch die Verweigerung des Netzzugangs allenfalls ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht. Eine solche Untersuchung dauert durchschnittlich rund zwei Jahre. Parallel dazu ist ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hängig, da Swisscom die von der WEKO angeordneten vorsorglichen Massnahmen angefochten hat. Mit den vorsorglichen Massnahmen untersagte die WEKO der Swisscom mit sofortiger Wirkung, ihr Glasfasernetz in einer Weise aufzubauen, die Dritten einen Layer-1-Zugang ab den Anschlusszentralen von Swisscom verunmöglicht. Es bleibt zu hoffen, dass bald eine Lösung gefunden wird, mit der alle Beteiligten leben können – dies im Interesse der Breitband­erschliessung der Schweiz, die sich nicht nur auf Städte konzentriert und Gewerbetreibende sowie Private gleichermassen adressiert.
Computerworld-Redaktion



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