Software flexibilisiert Managed WANs

Managed-WANs verändern sich

Der SD-WAN-Trend setzt den auf MPLS-basierenden WAN-Markt unter Druck. Laut einer Umfrage von Nemertes Research wollen 19 Prozent der Unternehmen ihre MPLS-Services abschalten oder haben dies bereits getan. Die Nachfrage nach SD-WAN-Lösungen soll dagegen massiv zunehmen. Dem Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan zufolge wächst der Markt von 2018 bis 2023 jährlich um 49 Prozent. Die Analysten erwarten eine Umsatzsteigerung von 529 Millionen Dollar auf 3,7 Milliarden Dollar. Der überwiegende Teil der Unternehmen plant laut Frost & Sullivan, SD-WAN als voll oder teilweise gemanagten Service zu beziehen. Nur 25 Prozent sind demnach dazu bereit, SD-WAN-Lösungen vollständig selbst zu installieren und zu betreiben.
In Deutschland scheint die Entwicklung zu SD-WAN allerdings nicht so schnell voranzuschreiten wie in den USA. «Unsere Marktanalysen zeigen, dass der Einsatz von SDN-Technologie in Europa derzeit noch nicht allzu weit verbreitet ist», stellt Vodafone-Bereichsleiterin Larsson-Knetsch fest. Sascha Bülow von Plusnet beobachtet bei den potenziellen Kunden vor allem noch Informationsdefizite: «Wenn in einer bestehenden Standortvernetzung grössere Veränderungen anstehen oder bestimmte Probleme zu lösen sind, wird immer auch nach einem SD-WAN-Anbieter gesucht. SD-WAN gilt als Technologie der Zukunft, Nutzen und Einsatzszenarien sind im Detail aber noch unklar.»
“Der Fokus verlagert sich von traditionellen MPLS-Services hin zu hybriden Lösungen.„
Peter Steffan, Principal Sales Engineer bei BT
Einig sind sich aber alle Experten, dass SD-WAN die MPLS-Netze zumindest in Deutschland nicht verdrängen, sondern nur ergänzen wird. «Wir erwarten keine vollständige Ablösung von MPLS durch SD-WAN», erklärt Bülow. Beide Technologien stehen auch nicht im Gegensatz zuei­nander. «MPLS ist eine Access-Technologie für private Firmennetze», so Larsson-Knetsch, «SD-WAN ist die Technologie zum Steuern der Firmennetze über verschiedene Access-Wege hinweg.»

Wer von Managed WAN profitiert

Besonders kleinere und mittelständische Unternehmen profitieren von WAN-Services, sagt Sascha Bülow von Plusnet. So könne zum Beispiel allein für die DSL-Anbindung in einem bundesweiten Netz die Steuerung von über 50 Anbietern notwendig sein, «ein Aufwand, der von einem Managed-WAN-Betreiber als Aggregator wesentlich effizienter getragen werden kann». Auch Joachim Sinzig von Riedel Networks sieht Vorteile: «Gerade für kleinere Firmen ohne grössere IT Abteilungen, deren Kerngeschäft nicht in der IT liegt, bieten sich gemanagte Dienste an.»
“Gerade bei Firmen mit global verteilten Firmenstandorten ist MPLS die kosteneffizienteste Lösung, um einen QoS-Standard garantieren zu können.„
Joachim Sinzig, Director Product Management bei Riedel Networks

Darauf sollte man achten

Der aktuelle Trend zu SD-WAN hat Bewegung in die Pro­vider-Landschaft gebracht. Deshalb ist anzuraten, Managed-WAN-Services jetzt auf den Prüfstand zu stellen. Dabei sollten Unternehmen vor allem auf die folgenden Kriterien achten:
Abdeckung: Kann der Provider an sämtlichen Firmenstandorten Netzzugänge zur Verfügung stellen? Wie gut kennt er die regulatorischen Vorgaben, die Netzabdeckung und die Anbieterlandschaft vor Ort? Mit welchen lokalen Access-Providern arbeitet er zusammen und seit wann? Welche sonstigen Kunden hat er in der Region?
Anschluss: Wie gross ist die Auswahl an Zugangs-Providern und -technologien in den jeweiligen Märkten? Kann der Dienstleister je nach Anforderungen immer die schnellsten oder kostengünstigsten Access-Lines bieten? Lassen sich firmeneigene Zugänge in das Managed WAN integrieren?
Reaktionsschnelligkeit: Wie schnell setzt der Provider Veränderungen am Netzwerk um? Müssen Changes über ein umständliches Ticket-System beantragt werden oder gibt es ein Selfservice-Portal?
Anpassbarkeit: Wie flexibel ist der Provider? Geht er auf die Herausforderungen des Kunden ein? Lassen sich Services und SLAs individuell anpassen? «Es sind zu viele ‚Standard‘-Lösungen am Markt, gerade von den grossen TK-Betreibern, die an den Bedürfnissen des Kunden vorbeikonzipiert sind», moniert Riedel-Networks-Director Sinzig. «Es ist aber elementar wichtig, dass der Service-Provider die speziellen An- und Herausforderungen des Kunden versteht und eine Lösung auf diese Anforderungen kundenspezifisch planen, realisieren und betreiben kann.»
Evolution: Kann der Dienstleister neue Technologien und Funktionen schnell zur Verfügung stellen? Weist er proaktiv auf Potenziale hin oder reagiert er nur widerwillig auf Entwicklungswünsche?
Kosten: Bietet der Service-Provider ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis? Wie hoch wären die potenziellen Kosten im Eigenbetrieb? Welche Alternativen lassen sich auf dem Markt finden? Kann der Dienstleister die Einsparpotenziale durch SD-WAN realisieren oder versucht er, seine Umsätze um jeden Preis zu retten? Wie hoch wären die Kosten einer Migration zu einem besseren Angebot?
“WAN-Service bedeutet, die Geschäftsprozesse des Kunden effizienter zu gestalten sowie neue Themen und Trends zu integrieren.„
Kerstin Larsson-Knetsch, Bereichsleiterin Customer Solutions & Projects bei Vodafone

Fazit

Die Zeit ist reif, alle WAN-Services zu überprüfen. Schliesslich eröffnen sich mit SD-WAN neue Möglichkeiten, Weitverkehrsnetze aufzubauen und zu managen. Access-Technologien lassen sich einfacher kombinieren und integrieren, Cloud-Ressourcen und mobile Mitarbeiter kostengünstiger und effizienter anbinden. Firmen sollten ihre aktuellen Managed-WAN-Verträge unter die Lupe nehmen und Alternativen ausloten, denn nicht alle Provider bauen ihr Portfolio mit einer Geschwindigkeit in Richtung SD-WAN aus, wie es möglich und geboten wäre.
Info-Box
Diese Trends verändern das Managed-WAN-Angebot
Network Functions Virtualization (NFV): Mit NFV soll die Abhängigkeit von spezieller Netzwerk-Hardware (Router, Switches, Load Balancer, Session Border Controller, WAN-Beschleuniger, Firewalls) reduziert werden. Stattdessen übernehmen virtuelle Maschinen auf Standard-Servern diese Aufgaben. Eine Netzwerkfunktion kann auf mehrere VMs oder sogar auf Cloud-Ressourcen aufgeteilt werden, was die Ausfallsicherheit erhöht und die Skalierbarkeit verbessert. Virtuelle Netzwerkfunktionen sind zudem schneller, einfacher und kostengünstiger zu installieren als dies mit dedizierter Netzwerk-Hardware möglich ist.
Netzwerkautomatisierung: Bisher wurden sich wiederholende Aufgaben im Netzwerk meist über Skripts realisiert. Mit SDN lässt sich das Netzwerkmanagement aber wesentlich einfacher und umfassender automatisieren. Eine Konfigurationsänderung oder die Bereitstellung neuer Netzwerkressourcen kann selbstständig in Abhängigkeit von aktuellen Anforderungen erfolgen, ohne dass ein Administrator eingreifen müsste.
OpenFlow: Offenes Kommunikationsprotokoll, das die Kontroll­ebene einer SDN-Architektur mit virtuellen oder physischen Netzwerkkomponenten verbindet. So lässt sich die Weiterleitung von Paketen (Forwarding Plane), die traditionell von der Steuerlogik in den Routern verwaltet wird, über einen zentralen Controller steuern.
Software-defined Carrier (SDC): Ein vom Beratungsunternehmen PricewaterhouseCooper (PwC) geprägter Begriff. Die Netzwerk-Services eines SDCs basieren vollständig auf SDN und NFV und werden oft als Cloud-Dienst zur Verfügung gestellt. SDCs können jede beliebige Access-Technologie integrieren, schneller auf Veränderungen in Kundenumgebungen reagieren und maßgeschneiderte Services anbieten. Da sie den SD-WAN-Stack selbst betreiben, sind sie in der Regel preisgünstiger als Dienstleister, die SD-WAN-Technologie teuer von Dritten lizenzieren müssen.
Software-defined Networking (SDN): Im SDN wird die Steuerung der Netzwerkgeräte als Software-basierte Services von der Hardware abstrahiert. Diese Trennung der Kontrollebene (Control Plane) vom eigentlichen Datentransfer (Data Plane) ermöglicht es, das Netz zentral zu steuern, ohne direkt auf Router oder Switches zugreifen zu müssen.



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