Denkschritte für die Zukunft

Sinnvolle Ziele setzen

Winteler und Steinegger kommen dabei beide auf die «Science Based Targets Initiative» (SBTi) zu sprechen, eine Organisation, die Unternehmen bei der Zielsetzung ihrer Emissionsstrategien unterstützt – und das basiert, wie der Name verspricht, auf Erkenntnissen der Klimaforschung. Damit, so das Ziel der Organisation, gebe es einen klar mit Handlungsempfehlungen ab­gesteckten Pfad für eine funktionierende Klimastrategie jenseits von Greenwashing-Rechenspielereien. Und: «Die meisten Schweizer Firmen haben sich keinen Klimazielen verpflichtet oder arbeiten ohne jegliche Standards vor sich hin», sagt Attila Steinegger. Genau das ändert sich jetzt aber, da immer mehr Firmen der SBTi beitreten.
“Wir brauchen eine holistische Sicht auf die Dinge, auf den Code, das Data Center, das Netzwerk und die Maschine, auf der er läuft. Und dann musst du dich fragen: Brauche ich das alles wirklich?„
Yvonne Winteler
Co-Präsidentin Klima-Allianz Schweiz
In der Schweizer ICT-Branche zählen zum Beispiel Logitech oder Swisscom zu den Mitgliedern – und auch Digital Realty und Equinix.
Ein Beispiel für eine Praxis, wovon die SBTi abrät: CO₂-Offsets bringen dem Klima oft nichts. So zeigen Untersuchungen, dass die meisten Kompensations-Projekte nicht halten, was sie versprechen. Und selbst wenn sie halten, was sie versprechen: Es ist überhaupt nicht klar, in welchem Zeitrahmen, zum Beispiel, wenn etwa Bäume gepflanzt werden, tritt der Kompensationseffekt womöglich viel zu spät ein. Sie sind am Ende oft nur: Rechenspiele. Und was sich jetzt noch rechnet, rächt sich später vielleicht. Nicht nur klimatisch, sondern auch ökonomisch. «Klar, Firmen müssen es rechnerisch hinkriegen, aber wir müssen wirklich versuchen, ehrlich zu sein», findet auch Yves Zischek.
Yvonne Winteler: «Es stimmt zwar, dass das nicht alle Unternehmen seriös machen, aber jene, die es tun, werden später einen Vorteil haben.»

Langfristiges Denken

Vorausschauendes Denken hilft nicht «nur» dem Klima, sondern auch der Wirtschaft, vermutet Yves Zischek. «Ich möchte immer einen Schritt voraus sein», sagt er, «denn irgendwann werden Gesellschaft und Politik Forderungen stellen, irgendwann kommt dann vielleicht die CO₂-Steuer.»
«Wenn wir alle long-term rechnen würden, hätten wir den Klimawandel längst im Griff», ist sich Yves Zischek sicher. «Betrachtet man die Total Cost of Ownership des Klimawandels – Hitzetage, Hitzetote, Gesundheitskosten –, dann lohnt es sich als Gesellschaft, in klimafreundliche Technologien zu investieren. Wir hätten die Mittel und Gelder schon heute.»
Damit Unternehmen jetzt schon mehr tun können, als es die Politik vorsieht, brauche es aber eine bessere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik, sagt Yves Zischek. «Es braucht nicht nur Anreize», sagt er, «sondern ein Hand-in-Hand, ein Miteinander.» Man müsse neue Ideen generieren, sammeln und filtern «um voranzukommen», und dann brauche es dereinst vielleicht ein Ent­gegenkommen der Politik, wenn es um Kompromisse bei Bauhöhen – zum Beispiel beim Einsatz von Photo­voltaik – oder kürzere Bewilligungsprozesse gehe.
“Wenn wir alle long-term rechnen würden, hätten wir den Klimawandel längst im Griff.„
Yves Zischek
Managing Director Digital Realty Schweiz

Es gibt viele Unbekannte

Doch während manche Dinge schon jetzt sicher sind – wie der Klimawandel –, manche Dinge jetzt schon berechenbar und regulierbar sind, so sind dem langfristigen Denken Grenzen gesetzt. Obwohl beispielsweise der Energie­verbrauch von Rechenzentren in den letzten Jahren stabil geblieben oder nur marginal gestiegen ist, stösst man in Sachen Daten vielleicht dereinst auf ein grosses Problem: «Politik und Wirtschaft unterschätzen das Datenwachstum und den daraus resultierenden Energiebedarf durch manche Technologietreiber massiv. IoT, 5G, KI, Metaverse, Quantum Computing – das sind alles Technologien in den Kinderschuhen, aber wenn das richtig losläuft, kann das einen gewaltigen Impact haben. Darum ist es wichtig, dass wir hier jetzt schon Leitplanken setzen», sagt Attila Steinegger.
Nicht alle diese Leitplanken, Empfehlungen und Regulierungen werden der liberalen Wirtschaft gefallen – und manche mögen einem profitorientierten ökonomischen Framework zuwiderlaufen. «Ja», sagt Yvonne Winteler, «aber wir bewegen uns auf eine Situation zu, in der Teile des Globus unbewohnbar werden. Wir sprechen hier von einer Milliarde Menschen, die in Teilen der Erde leben, die unbewohnbar werden. Vielleicht ist es also an der Zeit, dies zu einer Priorität zu machen, statt diese Sache mit dem bedingungslosen Wachstum.»



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