Schon 1988: Computer bedrohen Jobs

Produktivitätstreiber Textverarbeitung

Andersherum wurde der Textverarbeitung das grösste Potenzial zur Steigerung der Produktivität attestiert. Sie sei die wichtigste Grundfunktion der Büroautomatisierung. Erst die Eingabemöglichkeit mittels der natürlich gesprochenen Sprache werde einen grösseren Entwicklungssprung auslösen. Wann dies der Fall sein wird, darüber wagten die Autoren keine Prognose. Heute wissen wir: Trotz leistungsfähiger Computer und Assistenten wie Siri erfolgt die Texteingabe weiterhin hauptsächlich über die Tastatur.
Eine nur nachgeordnete Bedeutung räumten die Autoren den Grafikanwendungen ein. Bei den Buchhaltungs- und Rechenanwendungen wurde der Dezentralisierungsaspekt betont. Die damals verbreiteten Tabellenkalkulationen Lotus 1-2-3 und Microsoft Multiplan sollten insbesondere benutzerfreundlicher und billiger werden. Technisch noch nicht ausgereift waren die elektronischen Archive und die Datenbanken. Auch bei ihnen wurde der Einfluss auf die Produktivität noch angezweifelt wie auch den Anwendungen für die Terminplanung. Ein wesentlicher Entwicklungsbereich für das «Büro von morgen» sei die Verbindung von Computer- und Kommunikationstechnik.

Trends bei Hard- und Software

Generell werde das «Büro von morgen» noch über eine grosse Zahl verschiedener technischer Hilfsmittel verfügen. Tendenziell sei aber mit wenigeren, dafür multifunktionaleren Systemen zu rechnen. Den Löwenanteil der Investitionen machte 1988 die Hardware aus. 77,8 Prozent der Ausgaben entfielen auf Clients, Server und Peripherie.
An die Hardware für die Büroautomation hatten die Experten die folgenden Erwartungen:
  • Eine teilweise Verschmelzung verschiedener Geräte, insbesondere von Computer- und Telekommunikationsanlagen. Dazu Neuentwicklungen – speziell bei Ein- und Ausgabegeräten.
  • Eine erhöhte Vernetzung und damit grössere Kommunikationsfähigkeit von Bürosystemen, Unterstützungssystemen sowie Peripherie. Dafür werden Standards geschaffen und so Kompatibilität sichergestellt, auch im Netzwerkbereich.
  • Eine Miniaturisierung bei gleichzeitig massiver Erhöhung der Leistungsfähigkeit. Auf sehr lange Sicht (bis 2010) soll die Leistung von Arbeitsstationen um mindestens das Tausendfache steigen.
  • Ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis, allerdings nicht unbedingt tiefere absolute Kosten.
Software spielte im «Büro von morgen» eine eher untergeordnete Rolle: Mit 19,9 Prozent der Investitionen wurde Software beschafft, mit 2,3 Prozent neue Lizenzen gekauft. Die Experten wünschten sich:
  • Leistungsfähigere Software.
  • Ein grösseres Angebot sowohl an Standard-Software als auch an speziellen, auf bestimmte Anwendungsfälle oder Branchen zugeschnittenen Programmen. Vor allem im Bereich der Standard-Software war das Angebot bis dahin eher knapp und bildete oft den eigentlichen Engpass. Diese Situation dürfte noch andauern, da zwar das Software-Angebot grösser wird, die Nachfrage aber auch wächst. In den USA waren etwa 10'000 Programme von 5000 verschiedenen Anbietern auf dem Markt. Mit dem IBM-PC kompatibel waren 3000, die vor allem Buchhaltung, Datenbanken, Tabellenkalkulationen und Textverarbeitung abdeckten.
  • Integration verschiedener, bisher getrennter Funktionen in Standard-Software-Paketen. Die bestehenden Einzelmodule von integrierten Paketen waren bis anhin nicht so leistungsfähig wie die monofunktionalen Programme.
  • Erhöhte Kompatibilität durch mehr standardisierte Schnittstellen, zum Beispiel für den Austausch von Daten.
  • Generell bessere Software-Qualität insbesondere durch benutzerfreundlichere Gestaltung. Die Bedienerfreundlichkeit und Individualisierbarkeit von Software ist einer der wichtigsten Faktoren in Bezug auf das Ausmass des Einsatzes und der Nutzung computergestützter Hilfsmittel.
  • Grössere Verfügbarkeit der gleichen Programme für verschiedene Hardware-Konfigurationen.
Zusätzlich zu diesen Entwicklungen wurde erwartet, dass sich das Kostenverhältnis zwischen Hard- und Software ändern wird. Während die Relation 1988 noch etwa eins zu eins betrug, sollten bis 1990 generell auf 1 Franken für Hardware ungefähr 4 Franken für Software entfallen.

Fortschritt im Kleinen

Für den Wirtschaftsstandort Schweiz als entscheidend erachteten die Autoren, wie schnell die kleinen sowie mittelständischen Betriebe die Bürotechnologie adaptierten. Die KMU waren damals (wie heute) die grössten Arbeitgeber. Der Sektor beschäftigte 75 Prozent der Angestellten. Die Betriebe waren zwar teilweise schon auf den Computerzug aufgesprungen, nutzten die Bürotechnik aber nur rudimentär: Nach der Buchhaltung und der Textverarbeitung war Schluss. Gründe waren die hohen Investitionskosten, die notwendige Ausbildung und die fehlende Datensicherheit. Im Vergleich mit den Grossunternehmen, in denen PC-Arbeitsplätze systematisch eingeführt werden, agierten KMU meist nach dem Trial-and-Error-Prinzip. Bei nicht wenigen herrschte bald das «totale Chaos» – und die Computer waren dem Geschäft eher hinder- als förderlich.
So sollte die langsame Diffusionsgeschwindigkeit der modernen Bürotechnologie in den Betrieben auch keinen wesentlichen Einfluss auf die Beschäftigtenzahlen haben. Für die steigende Arbeitslosenquote in den 1990er-Jahren wird vielmehr beispielsweise der Niedergang der schweizerischen Maschinen- und Textilindustrie verantwortlich gemacht.



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