08.12.2008, 14:43 Uhr

Verjüngungskur für alte Eisen

Die spöttisch als «Dinosaurier der IT» bezeichneten Mainframes erobern mit Linux neue Einsatzgebiete. In einigen Disziplinen schlagen sie dabei die gebräuchlichen Server-Netzwerke.
Mainframes gelten als kompliziert und veraltet, der IT-Nachwuchs kann sich nur schwer dafür begeistern. Linux wiederum beginnt zwar, sich für den Einsatz in hochkritischen, Business-relevanten Umgebungen zu empfehlen. So richtig trauen Unternehmen dem OS-Betriebssystem aber noch nicht über den Weg. Miteinander kombiniert können beide jedoch gegenüber gebräuchlichen Servernetzen Vorteile verbuchen. Das spiegeln auch die Marktzahlen wider: Laut IDC steigerten Linux-Server im zweiten Quartal 2008 ihren weltweiten Marktanteil von 9,4 auf 13,4 Prozent. Das entspricht einem Wachstum von zehn Prozent, verglichen mit dem entsprechenden Quartal des Vorjahres. Mit 31,7 Prozent Wachstum legten IBM Mainframes noch deutlicher zu.

Mainframe-Linux wird erwachsen

Linux nimmt heute auf dem Mainframe technologisch eine gleichberechtigte Position zum Mainframe-Betriebssystem z/OS ein. Es kann sowohl nativ als auch in einer logischen Partition (LPAR) betrieben werden. In der Regel arbeitet Linux jedoch auf Basis des Virtualisierungs-Layers z/VM und arbeitet damit unabhängig von z/OS. IBM stellt auf reine Linux-Workloads spezialisierte Power-Prozessoren (Integrated Facilities for Linux, IFL) bereit, die deutlich günstiger als Prozessoren für z/OS sind.
Das Open-Source-Betriebssystem verfügt über vollen Zugriff auf die Hardware-Merkmale der Plattform. Auch optionale Kryptografie-Prozessoren lassen sich unter Linux nutzen. Gleichzeitig fallen die Unterschiede zwischen Mainframe-Linux und Linux auf anderen Plattformen wie etwa auf Intelprozessoren basierenden Servern gering aus. So sind bei Suse Linux über 95 Prozent der Funktionen plattformübergreifend identisch.
Hinzu kommt: Die klassische Domaine der Mainframes sind unternehmenskritische Anwendungen, typischerweise also ERP-Systeme und Datenbanken. Das ist auch unter Linux der Fall: Sowohl SAP als auch Oracle haben ihre ERP-Systeme bereits seit einiger Zeit für den Einsatz auf Mainframe-Linux freigegeben und zertifiziert. Linux-Mainframes bieten sich damit als Konsolidierungsplattform im ERP-Umfeld an.

Mehr als 60 Mal schneller

Das Linux-Mainframe-Duo kann signifikante Performance-Vorteile für sich verbuchen. Werden Datenbanken und Applikationen auf dedizierten Systemen betrieben, erfolgt die Kommunikation zwischen den Servern über das Netzwerk. Die Datenübertragungsrate von Hochgeschwindigkeitsnetzen (Fibre Channel) liegt dabei zwischen vier und acht GBit pro Sekunde. Auf Mainframes dagegen erfolgt die Kommunikation zwischen Anwendungen und Datenbank systemintern über sogenannte «Hipersockets», die ein Datentransfervolumen von bis zu 500 GBit pro Sekunde bewältigen. Gleichzeitig sind einzelne Instanzen durch Virtualisierungstechnologien sicher voneinander getrennt. Dadurch lassen sich auch Test- und Produktivumgebungen auf derselben physikalischen Maschine betreiben.
Linux eröffnet der Grossrechnerwelt neue Anwendungsgebiete. Dazu zählen unter anderem Middleware-Lösungen wie Web-Application-Server oder auch Komponenten der Netzwerk-Infrastruktur wie DNS- und LDAP-Dienste. Mittlerweile gibt es rund 1600 zertifizierte Anwendungen für Mainframes unter Suse-Linux. Auch eine Vielzahl von Open-Source-Applikationen laufen auf den Linux-Grossrechnern. Laut IBM setzen rund 30 Prozent der System-z-Kunden Linux ein, weil sie nicht nur Performance und OS-Applikationen, sondern insbesondere auch die hohe Ausfallsicherheit und Disaster-Discovery-Funktionalität der z-Technologie schätzen.
IBM streicht unter anderem die geringeren Betriebskosten und die günstige Total Cost of Ownership heraus, was auch finanziell für die Grossrechner und gegen Server-Netzwerke spricht. In der Tat fallen die Administrationskosten geringer aus, und die Kosten für Hardware sind im Laufe der vergangenen Jahre teilweise deutlich gesunken. Deshalb konsolidieren immer mehr Unternehmen auch weniger kritische Systeme wie CRM- (Customer Relationship Management) und SCM-Lösungen (Supply Chain Management) auf Mainframes. Ein wichtiger Grund ist laut Big Blue auch die stetig steigende Leistungsfähigkeit der Grossrechner.
Auch der neue Trend Cloud Computing profitiert von den dicken Rechnern. Denn hier bestimmen grosse Datenmengen und viele simultane Nutzer den Alltag. Zudem müssen die Daten, deren physikalischer Speicherort ja nicht transparent ist, sehr gut abgesichert werden. Nicht zuletzt ist eine hohe Verfügbarkeit der beteiligten Systeme zwingend nötig, um die Servicequalität zu garantieren. All das sind Vorzüge der «Big Irons», die sich Linux und darauf aufbauende Anwendungen zunutze machen.

Trotzdem Keine Wunderwaffe

Klar ist jedoch auch, dass die Kombination Linux und Mainframes keine Wunderwaffe gegen alle IT-Probleme ist. Die Konsolidierung von gut ausgelasteten Serverfarmen auf ein «Big Iron» ist wirtschaftlich in der Regel nicht sinnvoll. Windows-Applikationen lassen sich nur unter Performance-Verlusten auf Linux portieren. Doch auch daran arbeitet die Linux-Community bereits seit einiger Zeit. Mit Mono steht ein Framework bereit, das den Plattform-unabhängigen Betrieb von Anwendungen erleichtert, die für Microsofts .Net-Framework geschrieben wurden.
Zum Autor: Gernot Keckeis ist Geschäftsführer der Novelle (Schweiz) AG



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