Crealogix-CEO Oliver Weber 17.11.2021, 06:23 Uhr

«Digitalisierung senkt Kosten um bis zu 50 Prozent»

Im Backend der Schweizer Banken schlummert noch viel Sparpotenzial. Crealogix-CEO Oliver Weber rechnet damit, dass durch die Digitalisierung die Kosten in den nächsten Jahren um 30 bis 50 Prozent sinken werden.
Oliver Weber ist seit mittlerweile drei Jahren bei Crealogix tätig; seit Anfang 2020 als CEO
(Quelle: Samuel Trümpy)
Schon kurz nach der Gründung erhielt Crealogix 1997 von der Credit Suisse den Auftrag zur Entwicklung des ersten Internet-Bankings der Schweiz. Heute ist das Unternehmen zum Schweizer Marktführer bei Banking-Lösungen aufgestiegen. Und auch international sind die Anwendungen erfolgreich. Crealogix will sich jetzt von seinen Wurzeln trennen, denn die Zukunft gehört Software as a Service, sagt CEO Oliver Weber. Weiter führt er aus, wie weit der Betrieb in der Transformation fortgeschritten ist und welche Hürden in diesem Prozess überwunden wurden.
Computerworld: Crealogix wurde vor 25 Jahren gegründet. Damals waren Sie noch nicht dabei. Welchen Job hatten Sie vor 25 Jahren?
Oliver Weber: Vor 25 Jahren bin ich das erste Mal in die Schweiz gezogen. In Baden hatte ich einen Job in der Finanzabteilung des Forschungszentrums von ABB. Ich kam schnell in Kontakt mit den Wissenschaftlern an dem Standort. Ich war beeindruckt von den Fortschritten zu Überlegungen, wie Fertigungsschritte automatisiert und auch digitalisiert werden können.
Zum Beispiel gab es in der Fliessfertigung – beim Beschichten und Bestücken von Platinen – ein Lochkarten-basiertes System. Es wurde just zu dieser Zeit ersetzt durch einen Rechner, was ein grosser Change für die Produktion und die Mitarbeitenden war. Riesige Stapel von Lochkarten waren nun überflüssig, denn ein Computer konnte die Steuerung ebenso gut übernehmen. Die Angestellten hatten mehr Zeit für andere Arbeiten und die Produktion wurde immens beschleunigt.
CW: Das Ablösen von Lochkarten wäre auch eine digitale Transformation. Wie würden Sie aus heutiger Perspektive die digitale Transformation definieren?
Weber: Die digitale Transformation ist eine signifikante Veränderung der Geschäftsmodelle. Aus meiner Perspektive wird kein Stein auf dem anderen bleiben, jedoch ist der Prozess erst am Anfang. Die Treiber dieser Entwicklung sind zwei Faktoren: erstens der Konsument, der den digitalen Kanal wie selbstverständlich nutzt. Und zweitens die fundamentale Veränderung der bestehenden Prozesse und Strukturen innerhalb der Unternehmen. Hier schlummert zum Beispiel in der Finanzindustrie noch ein enormes Potenzial. Während sich die Banken im Frontend einigermassen gleichförmig entwickeln – sprich: alle ein modernes Interface anbieten –, gibt es im Backend grosse Unterschiede beim Reifegrad der Digitalisierung. Ich rechne damit, dass durch die Digitalisierung in den nächsten Jahren die Kosten um 30 bis 50 Prozent gesenkt werden.
CW: Für eine Kostenreduktion in dem genannten Umfang muss viel geschehen im Backend.
Weber: Korrekt, es muss viel modernisiert werden im Backend. Die Technologie dafür ist allerdings heute bereits vorhanden. Fintechs wie Mambu oder Thought Machine haben Alternativen zu den traditionellen Kernbankensystemen in der Cloud implementiert und ziehen damit durchaus grosse Namen an. Auch die Schweizer Banken werden in nächster Zeit vermehrt mit der Idee lustwandeln, anstatt mit dem althergebrachten Anbieter weiterzufahren, allenfalls auf ein Fintech zu setzen. Ich erwarte sehr grosse Veränderung in den kommenden Jahren. Der Grund ist, dass sich im Banking in den vergangenen Jahren ein Zwei-Geschwindigkeiten-Ansatz etabliert hat. Ein Beispiel: Die Überweisung von Geld wurde zwar quasi in Echtzeit entgegengenommen. Jedoch liefen im Hintergrund teils noch manuelle Prozesse ab, die eine tagesaktuelle Buchung schlicht verunmöglichten. Gebucht wurde im günstigsten Fall am Folgetag. Nun gelangen Banken vermehrt zu der Einsicht, dass dieser Zwei-Geschwindigkeiten-Ansatz nicht mehr zeitgemäss ist. Ausserdem demonstrieren die neuen Wettbewerber, dass eine Echtzeitverarbeitung durchaus möglich ist.
Zur Person
Oliver Weber
übernahm Anfang 2020 den Posten des CEOs von Crealogix. Zuvor war er während zwei Jahren als Executive Vice President Digital Banking Switzerland beim Unternehmen tätig. Weitere Stationen waren die COO-Rolle bei Arcplace sowie verschiedene Führungspositionen bei Wincor Nixdorf und Accenture. Weber lancierte seine Karriere 1995 bei ABB als Financial Controller. Er besitzt Abschlüsse in Finance, Volkswirtschaftslehre und Marketing von Hochschulen in Paris, Kassel und Lyon.



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