Videokonferenzen bremsen Kreativität in der Arbeitswelt

Mehr Augenkontakt im Virtuellen 

Um zu prüfen, ob tatsächlich eine Verengung der visuellen Wahrnehmung für die Kreativitätsbremse verantwortlich ist, dekorierten die Forschenden die Versuchsräume mit verschiedenen Gegenständen, zum Teil erwartbaren wie Ordnern, zum Teil für Büroräume ungewöhnliche, wie ein Poster mit einem Skelett. Sie verfolgten dann die Blicke der Probanden, während sie ihre Ideen sprudeln liessen, und fragten sie am Ende des Experiments, was sie im Raum wahrgenommen hatten. 
Bei physischen Meetings wird sich öfter in die Augen geschaut
Quelle: Brooke Cagle/Unsplash
Das Ergebnis: Die Videopartner sahen sich deutlich länger direkt an und erinnerten sich an weniger Gegenstände im Raum als die persönlich interagierenden Paare. Je mehr die Blicke der Probanden durch den Raum geschweift waren und an je mehr Gegenstände sie sich erinnerten, desto mehr kreative Ideen hatten sie auch entwickelt, berichten die Forschenden weiter. 
Sie sehen das Ergebnis als Bestätigung für die Hypothese, dass ein eingeengtes Sichtfeld und damit ein eingeengter kognitiver Fokus verhindern, dass Gedanken umherschweifen und dabei Assoziationen aufkommen, die schliesslich kreative Ideen entstehen lassen. 

Gleich starke Verbundenheit 

Anschliessend prüften - und bestätigten - die Wissenschaftler ihre Ergebnisse noch unter realistischeren Bedingungen an fast 1500 Angestellten einer Firma in fünf Ländern in Europa, Asien und dem Mittleren Osten. 
Zuletzt untersuchten sie, ob auch andere Erklärungsmöglichkeiten für die beobachteten Kreativitätsunterschiede infrage kommen. Sie schlossen zum Beispiel aus, dass persönliche Paare zwar mehr, aber dafür nur sehr ähnliche Ideen entwickelt hatten. Über Befragungen ermittelten sie, dass virtuelle Paare sich genauso verbunden und vertraut fühlten wie persönlich miteinander arbeitende Paare - auch das könne den Unterschied also nicht erklären.  
Untersuchungen von (Körper-)Sprache und Mimik ergaben schliesslich ebenfalls keine Hinweise darauf, dass die Videokonferenzen per se die Kommunikation und Interaktion der Teilnehmer entscheidend verändert hatten. 

Tipps für Zeit nach Pandemie

Einen praktischen Tipp haben die Wissenschaftler als Fazit ihrer Studie für Arbeitgeber parat: Wenn, wie erwartet, mit dem Ende der Pandemie viele Arbeitnehmer einen Teil ihrer Zeit im Home Office und einen Teil im Büro arbeiten werden, sollten Arbeiten, bei denen es um die Entwicklung kreativer Ideen geht, bestenfalls in persönlicher Runde stattfinden. 
Für Unternehmen sei die Frage, ob persönliche oder virtuelle Treffen besser sind, auch eine finanzielle Entscheidung, schreiben Emőke-Ágnes Horvát und Brian Uzzi in einem Kommentar zur Studie. Wenn virtuelle Teams weniger Ideen erbrächten, diese aber zu einem geringeren Preis, könne der Verzicht auf persönliche Treffen für ein Unternehmen womöglich die produktivere Entscheidung sein. Insgesamt liefere die Studie einen spannenden Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen zum Einfluss der Arbeitstechnologien auf die menschliche Kreativität.



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