«Auch digital lässt sich nicht alles automatisieren»

Künstliche Intelligenz im Rechtsschutz

CW: Wie skalierbar ist das Versicherungsgeschäft auf andere Themen oder internationale Märkte?
Beat Riniker amtet seit September als CEO von Dextra Rechtsschutz
Quelle: Stefan Walter
Riniker: Auch hier streben wir keine Veränderung an. Wir konzentrieren uns auf den Schweizer Markt, der auch dank dreier Landessprachen schon anspruchsvoll genug ist.
Putzbach: Der Rechtsschutz ist in vielen Ländern gar nicht etabliert. Eine gewisse Verbreitung gibt es allein im deutschsprachigen Raum. Aber selbst hier sind die Bedingungen sehr verschieden. In Deutschland zum Beispiel haben die Rechtsschutzversicherer kaum Handlungsspielraum.
CW: Sie haben erwähnt, dass die Software durchaus skaliert – sowohl bei den Themen als auch bei den Märkten.
Putzbach: Ja, die Software skaliert über Länder, Themen und Währungen hinweg. Sie ist auch bei Versicherungen in Deutschland und Österreich im Einsatz und könnte natürlich auch von Gesellschaften beispielsweise in Frankreich oder Italien genutzt werden. Dank den Anfängen in der Schweiz waren die Anwendungen von Beginn an mehrsprachig.
CW: Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz im Versicherungsgeschäft?
Perrig: Aktuell nutzen wir Machine Learning – wie schon erwähnt – für die automatisierte Fallverteilung innerhalb des Unternehmens. Bei zwischen 50 und 100 Fällen pro Tag ist der Computer hier eine grosse Hilfe. In der Postverteilung ist ebenfalls künstliche Intelligenz im Einsatz, wobei es sich jedoch um ein Standardprodukt handelt, das wir eingekauft haben.
Die zwei Software Engineers werden uns nun helfen, weitere Prozessoptimierungen mit KI respektive Machine Learning zu realisieren. Beide sind Spezialisten auf diesem Gebiet, die wir explizit deshalb angestellt haben.
Putzbach: Für diverse Anwendungsfälle gibt es heute Spezialanwendungen, die man in eine Plattform wie unsere integrieren kann. Ich denke beispielsweise an eine automatische Schadensabwicklung für Fahrzeugversicherungen. Die künstliche Intelligenz erkennt auf Fotos des Unfall­wagens innerhalb von Sekunden, welcher Schaden vorliegt, und kann auf Knopfdruck eine Auszahlung der Schadenssumme veranlassen. Dann ist der Fall fast ohne mensch­liches Zutun innerhalb von fünf Minuten abgeschlossen.
Riniker: Meine Erfahrung zeigt, dass die bisherigen Lösungen mit künstlicher Intelligenz und Machine Learning noch nicht genügen, um unsere Qualitäts- und Sicherheitsstandards für den Rechtsschutz in der Schweiz zu erfüllen.
Dennoch kann der Computer zweifellos schon heute viele Prozesse einer Rechtsschutzversicherung enorm erleichtern: Etwa bei der automatisierten Prüfung von Arbeitszeugnissen, Bussgeldbescheiden oder den Geschäftsbedingungen von Unternehmen. Die letztendliche Entscheidung, wie juristisch vorgegangen werden soll, muss im Anschluss aber immer noch der Rechtsberater treffen.
Perrig: Eine weitere Anwendung von künstlicher Intelligenz ist ein Chatbot. Im September kam tatsächlich ein Kollege mit dieser Idee auf mich zu. Ich schlug vor, dass wir mit einer Chat-Integration auf unserer Webseite starten. So liess sich mit relativ wenig Aufwand feststellen, ob die Kunden überhaupt mit uns chatten möchten. Eine passende Lösung konnte mit Unterstützung von sum cumo innerhalb weniger Tage auf unserer Webseite integriert werden. Nun sehen wir, dass einige Kunden tatsächlich mit uns chatten wollen und sammeln dabei wertvolle Erkenntnisse für die Umsetzung dieser Technologie.



Das könnte Sie auch interessieren