Zur Identitätsprüfung 27.10.2020, 10:36 Uhr

Nationalratskommission will Handys von Asylsuchenden auswerten

Trotz kritischer Stimmen in der Vernehmlassung will die Staatspolitische Kommission des Nationalrats die gesetzliche Grundlage schaffen, um künftig Handys und Tablets von Flüchtlingen zur Identitätsüberprüfung systematisch auswerten zu können.
(Quelle: Parlamentsdienste 3003 Bern)
Viele Asylsuchende können ihre Identität nicht mit Ausweispapieren belegen. In solchen Fällen soll das Staatssekretariat für Migration (SEM) in Zukunft die Möglichkeit erhalten, mobile Datenträger der Betroffenen im Rahmen des Asyl- und Wegweisungsverfahrens auszuwerten. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) hat eine entsprechende Änderung des Asylgesetzes an den Nationalrat überwiesen, wie die Parlamentsdienste am Montag mitteilten. Der Entscheid fiel demnach mit 13 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen. 
Die Vorlage basiert auf einer parlamentarischen Initiative von SVP-Nationalrat Gregor Rutz (ZH), welcher beide Kommissionen zugestimmt haben. In seiner Begründung stellte der Initiant fest, dass eine beträchtliche Anzahl Asylsuchender ohne Ausweispapiere einreise und deshalb ihre Identität nicht nachgewiesen werden könne. Das verzögere und erschwere das Asylverfahren. Nach Angaben des Bundes können bis zu vier Fünftel der Asylsuchenden in der Schweiz ihre Identität nicht mit Ausweispapieren belegen.

Kritik vom UNHCR 

Der Vorentwurf war in der SPK-N mit 17 zu 8 Stimmen noch locker durchgegangen. Nach der Vernehmlassung ist das Geschäft nun umstrittener. Die Kommissionsminderheit von SP und Grünen, die beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten, macht vor allem datenschutzrechtliche Argumente geltend. Zudem bezeichnet sie den Eingriff in die Grundrechte einer betroffenen Person als unverhältnismässig. Schliesslich seien die Massnahmen zu kostenintensiv. 
In der Vernehmlassung hatten sich auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) und das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisch geäussert. Beide sehen in der Vorlage einen schwerwiegenden Eingriff in die menschenrechtlich geschützte Privatsphäre. Es stelle sich auch die Frage, ob das Überprüfen von Mobiltelefonen überhaupt ein geeignetes Mittel zur Feststellung der Identität, der Nationalität und des Reisewegs der betroffenen Personen sei, schrieb das UNHCR weiter. Handys könnten bei einer Flucht über einen langen Zeitraum von mehreren Personen verwendet werden, auch von Schleppern.

Bürgerliche sehen mehr Chancen als Risiken 

Die Mehrheit der Kommission – Vertreterinnen und Vertreter der SVP-, FDP- und der Mitte-Fraktion – sieht wie auch 24 Kantone in der Auswertung hingegen mehr Vor- als Nachteile. Die Auswertung von mobilen Datenträgern sei eine effiziente Methode, um Informationen über die Identität einer Person zu erhalten. Zudem sei der Eingriff in die Privatsphäre verhältnismässig, da Asylsuchende in einem Asylverfahren zur Mitwirkung verpflichtet seien.
Gemäss dem Gesetzesentwurf würden Flüchtlinge verpflichtet, die entsprechenden Geräte herauszugeben, wenn die Identität, die Nationalität und der Reiseweg des Gesuchstellers wegen fehlender Dokumente nicht auf andere zumutbare Weise festgestellt werden kann. Eine sogenannte Herkunftsanalyse ist jedoch beispielsweise vor der Auswertung eines elektronischen Datenträgers nicht ins Auge zu fassen, wie es im erläuternden Bericht zur Vorlage heisst. Ein solches Verfahren sei mit einem grossen zeitlichen und organisatorischen Aufwand verbunden.

Löschung der Daten

In anderen Ländern sieht das ähnlich aus. Deutschland, Dänemark, Finnland und die Niederlande haben bereits gesetzliche Grundlagen für die systematische Auswertung von Handy- und Laptopdaten geschaffen. Beim Bund lief von November 2017 bis Mai 2018 ein Pilotprojekt. In 15 Prozent der Fälle seien dabei nützliche Hinweise zur Identität oder zum Reiseweg der betroffenen Flüchtlinge gefunden, bilanzierte das SEM. 
Die Kommission hat Empfehlungen aus den Rückmeldungen der Vernehmlassung in Ihre Vorlage aufgenommen, insbesondere was den Datenschutz anbelangt, wie es in der Mitteilung heisst. So sollen alle Personendaten spätestens nach einem Jahr seit der Speicherung automatisch gelöscht werden. Eine SP/Grüne/GLP-Minderheit will jedoch weitergehen und fordert die Lösung nach sechs Monaten.
Die Vorlage geht nun zur Stellungnahme an den Bundesrat, bevor sie voraussichtlich in der Frühjahrssession im Nationalrat behandelt wird.



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