20.09.2007, 08:55 Uhr
I-Phone-Konkurrenten auf Windows-Basis
Wer ein Handy mit allen Schikanen braucht, greift zum Smartphone. Wir haben zwei Neuheiten getestet: Das dank Touchscreen per Finger bedienbare HTC Touch und das Motorola Q 9h mit Blackberry-ähnlicher Tastatur.
Christian Fichter ist Wirtschaftspsychologe an der Universität Zürich.
Das von «Lifestyle-Gott» Steve Jobs kreierte I-Phone hat in den USA einen wahren Hype ausgelöst. Grund genug für andere Hersteller, ihr Smartphone-Angebot zu modernisieren - und zwar bevor das Apple-Handy auch bei uns erhältlich sein wird. Als erste Hersteller haben die einstige Noname-Fabrikantin HTC und Motorola reagiert. Beide greifen bei ihren Neuheiten auf Microsoft Windows Mobile 6 als Betriebssystem zurück, verfolgen jedoch bei Design und Bedienung ganz unterschied-liche Ansätze. Während HTC beim «Touch» versucht, die Windows-Plattform mit einem Touchscreen und edler Optik auf Schlagdistanz zum I-Phone zu hieven, vertraut Motorola beim «Moto Q 9h» auf eine konven-tionelle Bedienung via Fünffach-Wippe und Qwertz-Tastatur - und zielt damit klar auf die im Business-Sektor bestens etablierten Blackberrys.
HTC Touch: Der I-Phone-Klon
Das neue HTC-Smartphone verfügt nur über die nötigsten Knöpfe, ist betont schlicht und edel gestaltet und lässt sich mit Fingerbewegungen bedienen. Die Herstellerin versichert, schon länger an diesem Konzept gearbeitet und nicht einfach abgekupfert zu haben. So musste etwa, weil mit Windows Mobile als Basis die Möglichkeiten für ein eigenständiges Erscheinungsbild eher eingeschränkt sind, für das WLAN-fähige EDGE-Handy eine eigene Oberfläche namens «Touchflo» entwickelt werden. Sie ermöglicht es, das Smartphone ohne Zuhilfenahme des Sticks, nur mit den Fingerspitzen zu bedienen. Und auch sonst wurde dem Komfort viel Aufmerksamkeit geschenkt. So ist beispielsweise der Akku vorgeladen damit die Freude am neuen Smartphone gleich nach dem Auspacken beginnen kann.
Nach dem Einschalten blitzt nur kurz der Windows-Mobile-Startbildschirm auf, um sogleich einer in edlem Anthrazit gehaltenen Oberfläche zu weichen. Darauf laden grosse Symbole geradezu dazu ein, die Funktionen per Fingerdruck und -bewegung auszuprobieren. Wobei der wichtigste Unterschied zum I-Phone zu Tage tritt: Anstelle des dort verbauten, kapazitiven Bildschirms, der durch sanftes Streicheln und mit zwei Fingern gleichzeitig bedient werden kann, verfügt das HTC Touch «nur» über eine druckempfindliche Oberfläche. Mit der man allerdings nach etwas Eingewöhnungszeit bestens zu Recht kommt. Zwar erschwert die für Fingerdruck ausgelegte Mechanik wegen des langen Hubs die Bedienung per Stift. HTC hat aber aus dem Material einen durchaus praktikablen Kompromiss herausgeholt.
Leider wirkt die prinzipiell gut funktionierende Touchflo-Oberfläche nur auf der obersten Ebene. Darunter aber kommen die gewohnten Windows-Mobile-Anwendungen zum Zug. Und die sind noch klar verbesserungswürdig. Zwar funktionieren die wenigen Funktionen von Kalender, Adressbuch und Aufgabenliste gut und absolut zuverlässig.
Doch die Bedienelemente sind etwas klein geraten und verlangen für zielsichere Bedienung nach einem Stift oder sehr spitzen Fingernägeln. Überdies hat die Benutzerführung noch reichlich Optimierungspotenzial. Zu viele verstreute Klicks sind notwendig, um selbst einfachste Aufgaben wie das Löschen einer SMS oder das Suchen eines Kontaktes zu bewältigen. Schade - denn in anderen Bereichen wie etwa der Handhabung von Office-Dokumenten spielt das Microsoft-Betriebssystem neue Stärken gekonnt aus.
Der Umgang mit der eingebauten Kamera, dem Mediaplayer und sogar dem Telefon ist jedoch unnötig kompliziert.
Unverständlich ist zudem, dass es weiterhin weder einen Anruffilter noch Umgebungsprofile gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass das Schmuckstück von HTC immer wieder lange Denkpausen einlegt, in denen es nicht reagiert und den Benutzer über den Anlass der Verzögerung im Unklaren lässt. Diese Liste an kleinen, aber sich summierenden Ärgernissen lässt sich fortsetzen: Der Bildschirm ist nicht gehärtet und zerkratzt leicht, die Kamera hat eine lange Auslöseverzögerung und liefert trotz zwei Megapixeln Auflösung miserable Qualität, gelegentliche Totalabstürze erfordern das Entfernen des Akkus für den Neustart.
In Summe darf man das HTC Touch dennoch zu einem gesamthaft akzeptablen Windows-Mobile-basierten Gerät küren. HTC hat sich redlich bemüht, punkto Bedienkomfort das Maximum aus der Microsoft-Plattform herauszuholen. Dazu ist die Klangqualität bei Gesprächen hervorragend und die Hardware angenehm klein und leicht, ohne aber fragil zu sein. Das HTC Touch ist solide verarbeitet und taugt dank seiner edlen Optik bei Bedarf auch als echtes Prestigeobjekt.
Motorola Q 9h: Der Blackberry-Klon
Von ganz anderem Schlag ist das Motorola Q 9h. Weniger schick gestylt, aber genauso stabil gebaut wie das HTC Touch zeigt es, wie unterschiedlich zwei Geräte mit demselben Betriebssystem sein können. Das Motorola-typisch sehr flache, leicht kantige Gehäuse ist ähnlich gross wie der Ur-Blackberry und passt daher nicht wirklich in die Hosentasche. Dafür bietet es Platz für eine vollständige Qwertz-Tastatur, die sich vor ihrem Vorbild nicht verstecken muss. Anders als beim HTC Touch ist es eine wahre Freude, SMS und E-Mails zu erstellen. Mit dem Q 9h tippt man nicht, damit schreibt man. Dabei reagiert das Motorola-Smartphone angenehm schnell, und die im Kontext relevanten Funktionen sind durch ein oder zwei Tastendrücke erreichbar. Das tröstet über den nicht berührungsempfindlichen Bildschirm hinweg.
Die hohe gefühlte Geschwindigkeit des Q 9h schlug sich im Test übrigens nicht negativ auf die Akkulaufzeit nieder. Einen mit Terminen randvoll gestopften Kongressbesuch machte das Q 9h -locker mit. Die dort mit der integrierten Zwei-Megapixel-Kamera aufgenommenen Fotos überzeugten mit guter Schärfe und tadelloser Farbtreue.
Die Synchronisierung mit dem Desktop-Rechner erledigte das Moto Q 9h so schnell wie kein anderes bisher getestetes Gerät - nicht mal dezidierte Windows-Mobile-PDA halten hier Schritt. Ein wertvolles Plus, denn die Active-Sync-Software ist nicht für überbordendes Tempo bekannt.
Der positive Eindruck wird durch praktische, gut gelöste Details noch verstärkt. So regelt ein Helligkeitssensor die Leuchtkraft des Displays und aktiviert im Dunkeln die dezent blaue Hintergrundbeleuchtung der Tasten. Eine Tastenkombo auf der rechten Geräteseite ermöglicht Einhandbedienung vor allem für Rechtshänder. Die Klangqualität am Ohr ist etwas dumpf, aber verständlich, der Freisprechmodus überzeugt mit klarem, lauten Klang. So lässt es sich verschmerzen, dass das kantige Gehäuse, vor allem wenn es wegen lauter Umfeldgeräusche fester ans Ohr gedrückt werden muss, nicht wirklich ergonomisch ist. Bei Motorola ist man sich überdies der Schwächen der Microsoft-Plattform bewusst und spendiert als Ersatz einige brauchbare Software-Schmankerl.
Als Browser kommt Opera zum Einsatz, der den Internet Explorer klar schlägt. Ein VPN-Client ermöglicht sichere Verbindungen zum heimischen Server, etwa für den Zugriff auf vertrauliche Office-Dokumente. Diese können dann dank Documents-To-Go von Dataviz betrachtet, bearbeitet und verlustfrei wieder abgespeichert werden. Das geschieht bei guter Netzabdeckung sehr schnell, dank Unterstützung für die derzeit schnellste Mobilfunktechnik HSDPA. Zudem kann über EDGE und UMTS gefunkt werden. Da fällt das Fehlen von WLAN weniger ins Gewicht.
Mit 256 MByte ROM und 96 MByte RAM verfügt das Q 9h über deutlich mehr Speicher als das Touch (128 Mbyte ROM, 64 MByte RAM), was sich spürbar auf die Geschwindigkeit auswirkt. Die Möglichkeit zur Speichererweiterung per Micro-SD-Karte benötigt beim Q 9h nur, wer etwa seine MP3-Sammlung mitnehmen will. Gepatzt hat Motorola aber beim USB-Kabel, das nicht den mittlerweile zum Standard gewordenen Ministecker verwendet.
Fazit: Sehr verschiedene Ansätze
So verschieden können Smartphones auf Windows-Mobile-Basis sein: Auf der einen Seite das Design-Meisterstück HTC Touch, das kleiner und leichter als ein I-Phone ist und in Summe mehr Freude als Ärger bereitet. Wer nicht auf das Apple-Telefon warten mag, kann zugreifen.
Aus ganz anderem Holz geschnitzt erscheint das Motorola Q 9h, das mit Business-Features aufwartet. Im Gegensatz zu früheren, gescheiterten Smartphone-Versuchen Motorolas auf Basis des Symbian-Betriebssystems stellt das Moto Q 9h einen rundweg gelungenen Wurf dar.
Das Rennen um die Gunst der Smartphone-Kunden ist damit aber noch nicht entschieden. Sony Ericsson hat just ihr neues Flaggschiff P1i lanciert.
Christian Fichter