17.02.2015, 13:43 Uhr

Das Human Brain Project steht im Kreuzfeuer von Kritikern

Das Human Brain Project ist eines der grössten Wissenschaftsexperimente unserer Zeit, koordiniert an der ETH Lausanne. Die Kritik, welche das Projekt und die Macher einstecken müssen, ist riesig.
Henry Markram polarisiert. Kein Wunder, sein Lebenstraum ist nichts anderes, als das menschliche Gehirn zu verstehen und in einem Computermodell abzubilden. Um Krankheiten wie Depressionen, Alzheimer oder Autismus heilen zu können. Um seinem Ziel näher zu kommen, erhält der Forscher der ETH Lausanne in den nächsten zehn Jahren eine Milliarde Euro Frdergelder von der EU für sein Human Brain Project. Nun ist die Wissenschaftswelt ein eigener Mikrokosmos. Einblicke, die über die publizierten Arbeiten hinausgehen, erhält man als Aussenstehender selten. Dass aber derart viel Geld Neid und Missgunst unter Kollegen schüren kann, die ebenfalls auf jeden Förderfranken angewiesen sind, liegt auf der Hand. Doch die seit jeher geäusserte Kritik am Human Brain Project scheint weit mehr zu sein, als die Zurschaustellung gekränkter Egos.
Seit Beginn muss sich Henry Markram härtestem Widerstand aus Fachkreisen erwehren. Es sei gar nicht möglich, das menschliche Hirn mit seinen 100 Milliarden Nervenzellen zu simulieren, war ein Vorwurf der schon aufgeworfen wurde, bevor das Projekt gestartet war. «Verrückt» und «völliger Quatsch» nannten es andere. Die Ablehnung gegen das Human Brain Project ist derart gross, dass im letzten Juli 800 Wissenschaftler einen Brief unterzeichneten, in dem das Projekt als «ein sehr langsam fahrender Zug» beschrieben wird, der dennoch «unausweichlich auf einen Totalschaden zusteuert». Ein Mitglied der EU-Kommission, welche die Fördergelder vergab, zeigte sich in einer Antwort auf das Schreiben zuversichtlich, «in den nächsten Monaten den Kritikern aufzeigen zu können, dass das Human Brain Project auf dem richtigen Weg ist.» 

«Absurd» und «Unnütz»

Gemäss einem Artikel im Chronicle lag dieser EU-Beamte falsch. «Ich bin nach wie vor 100 Prozent überzeugt, dass quasi das gesamte investierte Geld keine einzige neue Erkenntnis im Bereich der Neurowissenschaften hervorbringen wird», sagt Konkrad Kording, Neurowissenschaftler der Northwestern University. Alles was sie tun macht überhaupt keinen Sinn.» Sein Kollege Jeremy Freeman vom Howard Hughes Medical Institute gibt sich etwas diplomatischer, vom Sinn her klingt es aber ähnlich «Es ist ein etwas absurdes Projekt. Insofern, als dass das Ziel, die Abbildung des gesamten menschlichen Gehirns, viel zu gross gedacht ist.» Innerhalb der nächsten zehn Jahre sei dies nicht zu schaffen. Bevor man überhaupt an so etwas denken könne, müsse man verstehen, wie die 100 Milliarden Neuronen miteinander agieren und welche Funktion jedes einzelne ausübe. Die Neurowissenschaft sei noch sehr weit davon entfernt, so etwas zu verstehen. Einer der im Artikel zitierten Wissenschafter verglich Markrams Traum deshalb mit dem Wunsch, eine Person auf einen Planeten in ein anderes Sonnensystem zu bringen, bevor man auf dem Mars gelandet sei. Nebst der Durchführbarkeit wird auch der Nutzen kritisiert. «Würden Sie versuchen, das Universum zu verstehen, indem Sie jedes einzelne Molekül analysieren?», fragt Eero Simoncelli, ein Neurowissenschaftler an der New York University. «Was hätte man denn damit erreicht? Es wäre genau so kompliziert wie das 'echte Ding' und man wäre überhaupt nicht vorwärts gekommen.»

Schwache Replik

Und was sagen die Kritisierten? «Wir müssen die Art, wie wir Ziele kommunizieren, ändern», sagt Sean Hill, Vize-Direktor der Neuro-Informatik beim Human Brain Project. Den Inhalt seiner Forschungen verteidigt Hill aber. «Natürlich ist das Projekt riskant. Es gibt noch sehr viele grosse Herausforderungen». Letzte Zuversicht strahlt dieses Statement nicht aus. Doch trotz Kritik und egal wie die EU auf eine allfällige Umsetzung der Schweizerischen Masseneinwanderungsinitiative reagiert: Das Human Brain Project sollte gesichert sein. Es bleibt aber spannend zu beobachten, ob Hill, Markram und die anderen Involvierten diese Sicherheit dazu nutzen, zufriedenstellende Resultate zu liefern.



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